"Vor allem viel Arbeit"

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Österreichs Botschafter bei den Vereinten Nationen in New York, Ernst Sucharipa, über die entscheidende Rolle des EU-Vorsitzenden als "ehrlicher Makler".

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Österreichs Botschafter bei den Vereinten Nationen in New York, Ernst Sucharipa, über die entscheidende Rolle des EU-Vorsitzenden als "ehrlicher Makler".

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dieFurche: Herr Botschafter, was kommt auf Sie im zweiten Halbjahr 1998 zu?

Ernst Sucharipa: In erster Linie einmal viel Arbeit. Wenn man sich die Präsidentschaft der Luxemburger ansieht, die ihre Sache übrigens ausgezeichnet gemacht haben, so sieht man den gewaltigen organisatorischen Aufwand, den der EU-Vorsitz mit sich bringt. Luxemburg führte bei 551 EU-Koordinationssitzungen den Vorsitz. Darüber hinaus war das Land bei 141 gemeinsamen Erklärungen, die im Namen der EU abgeben wurden, für den endgültigen Text verantwortlich. Insgesamt hat die luxemburgische Mission 773 Zirkularfaxe an die 14 EU-Partner ausgesendet. Wenn man von knapp 120 Arbeitstagen pro Präsidentschaft ausgeht, sind das mehr als sechs Stellungnahmen pro Tag. Das ist für eine kleine Mission natürlich eine gewaltige Herausforderung.

dieFurche: Sie sprechen davon, daß wir eine kleine Vertretung haben. Wie groß ist unsere Mission bei den UN, und werden Sie für die Präsidentschaft Verstärkung bekommen?

Sucharipa: Wir sind letzten März in ein etwas größeres und trotzdem billigeres Büro übersiedelt. Dadurch hat sich die bisherige Raumnot etwas entspannt. Unser normaler Personalstand setzt sich aus zwölf Diplomaten und drei Militärs zusammen. Während der Präsidentschaft bekommen wir zur Verstärkung noch zwei junge Mitarbeiter. Außerdem werden wir Botschafter Hörndl "reaktivieren", der uns mit seiner Erfahrung sicher helfen wird.

dieFurche: Wird die Mission des EU-Vorsitzlandes auch von EU-Organen in New York unterstützt?

Sucharipa: Es sind hier in New York die Kommission und der Rat vertreten. Die Vertretung der Kommission spielt hier, wo das Schwergewicht auf der Außenpolitik liegt, bei der Ausgestaltung des Unionsstandpunktes kaum eine Rolle. Das ist in Genf, wo der ECOSOC (der Wirtschafts- und Sozialrat der UN, Anm.) tagt, naturgemäß etwas anders. Das Ratssekretariat der EU in New York vertritt den Rat als Organ nach außen und sorgt damit für die notwendige Kontinuität. Es ist unter anderem auch für die technische Vorbereitung der EU-Koordinationssitzungen verantwortlich. Auf die Inhalte der Sitzungen hat es selbstverständlich keinen Einfluß.

dieFurche: Was hat es eigentlich mit der vielzitierten Rolle des Präsidentschaftslandes als eines "ehrlichen Maklers" ("honest broker") auf sich?

Sucharipa: Gerade für die Arbeit hier in New York ist das die Regel Nummer 1. In diesem Halbjahr hat es keinen Sinn, eigene Initiativen zu starten, denn sie hätten keine Aussicht auf Erfolg. Der Erfolg unserer Präsidentschaft wird sich daran messen, ob wir die hohe Übereinstimmungsquote von 95,5 Prozent, die Luxemburg geschafft hat, halten werden können (im Vorjahr gab es bei der UNO-Generalversammlung bei 258 von 270 Resolutionen einen gemeinsamen Standpunkt der EU-Staaten, Anm.). Ein kleines Land wie Luxemburg oder Österreich hat dabei insofern sogar Vorteile, als man ihm weniger machtpolitische Eigeninteressen nachsagt als den großen EU-Ländern. Dafür ist die organisatorische Herausforderung für ein kleines Land natürlich eine ungleich höhere. Für außenpolitische Alleingänge ist in diesem Halbjahr jedenfalls kein Platz.

dieFurche: Niemand will außenpolitische Alleingänge Österreichs, die unsere EU-Partner vor den Kopf stoßen würden. Es gibt aber andererseits den Vorwurf, der unter anderem von Hannes Swoboda, dem Leiter der SP-Delegation im Europaparlament, vorgebracht wurde, daß es seit dem Abgang von Bruno Kreisky keine aktive österreichische Außenpolitik mehr gibt?

Sucharipa: Ich glaube, das kann man so nicht sagen. Erstens hat sich seit 1989 die geopolitsche Lage und dadurch die Rolle Österreichs grundlegend geändert. Die österreichische Außenpolitik ist dadurch für die Öffentlichkeit vielleicht weniger sichtbar geworden als früher, mit Sicherheit aber nicht inaktiver. Vor allem die Koordinierungsarbeit mit unseren EU-Partnern findet hinter verschlossenen Türen statt und ist daher für die Öffentlichkeit nicht so leicht nachvollziehbar. Das mag man bedauern, ist aber leider unumgänglich, wenn man die im Maastrichter und Amsterdamer Vertrag festgeschriebenen Ziele der GASP erreichen will.

dieFurche: Welche inhaltlichen Schwerpunkte erwarten Sie während unserer Präsidentschaft?

Sucharipa: Ein Schwerpunkt wird auf jeden Fall die Fortführung der UN-Reform sein, wo wir die Reformbemühungen des Generalsekretärs unterstützen. Dann wird der Nahost-Friedensprozeß mit Sicherheit auf der Tagesordnung stehen. Ein weiterer zentraler Punkt unserer Arbeit wird die Menschenrechte betreffen. Schließlich begehen wir 1998 den 50. Jahrestag des UN-Menschenrechtspaktes und den fünften Jahrestag der Wiener Menschenrechtskonferenz.

Das Gespräch führte Wolfgang Schedelberger.

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