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Vorleistungen als Preis für die Verständigung

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Pastoralbesuche des Papstes werden unterschied-ich kommentiert - keine Neuigkeit. Doch die jüngste Papstreise wird vielleicht von nachhaltiger Bedeutung sein.

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Pastoralbesuche des Papstes werden unterschied-ich kommentiert - keine Neuigkeit. Doch die jüngste Papstreise wird vielleicht von nachhaltiger Bedeutung sein.

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Es war eine Gewalttour, auch für einen gesunden Menschen. Entscheidend könnte eine Tatsache sein, die den meisten Kommentatoren entgangen ist: Priester der chinesischen „patriotischen Vereinigung” haben in Manila mit dem Papst konzelebriert. Doch nicht nur das: Katholiken der beiden verfeindeten Chinas haben sich im Rahmen und am Rande des Weltjugendtages getroffen. Die Botschaft lautet: Wie FüRCHE-Reobachter in Tokio, Thomas Immoos (FURCHE 1/1995), vermutet, im Ringen um eine Verständigung zwischen Rotchina und dem Vatikan kündigt sich eine neue Entwicklung, wenn nicht sogar ein linde der Verständigungsschwierigkeiten an.

Und dies sind die Vorzeichen: Im vergangenen November weilte der Vize-Vorsitzende der chinesischen „katholischen patriotischen Vereinigung”, Liu Bonian, im Vatikan und begegnete' 'bei dieser Gelegenheit auch Papst Johannes Paul II. Es war dies das erste Treffen des Papstes mit einem Verantwortlichen der „patriotischen” Katholiken. Als „Vorleistung” hat der Papst - es wurde bisher nicht offiziell bestätigt - eine Reihe von „patriotischen” Bischöfen, mehr als 30, anerkannt.

Im Klartext: Es gibt jetzt drei Gruppen von Bischöfen in Botchina: Patriotische ohne römische Anerkennung, patriotische mit vatikanischer Anerkennung und die Märtyrerbischöfe der rund drei Millionen zählenden, nunmehr heftig kritisierten romtreuen Geheimkirche. Und nun der Appell des Papstes: Versöhnt euch! (siehe nebenstehenden Beitrag). Diese Versöhnung wird den Anpaßlern nicht schwer fallen. Wieder einmal wird die Geheimkirche als „überflüssig” verschwinden - unter großen Opfern und Leiden ihrer Bischöfe, Priester, Ordensleute und treuen Gläubigen.

Das unaufgearbeitete Drama in unseren Nachbarländern Slowakei und Tschechien wird sich wiederholen. Da bereits mehr als die Hälfte der „patriotischen” Bischöfe, rund 35 von etwa 60, von Rom anerkannt ist, läßt sich das Schicksal der Geheimbischöfe schon jetzt erahnen.

Noch ist der dornenvolle Weg der Katholiken in der Volksrepublik China wenig bis gar nicht erforscht. Doch sind Details bekannt, die - ergänzend zur Anerkennung durch Rom - aufhorchen lassen. Ähnlich wie in unseren Nachbarländern gibt es in China verheiratete Priester und

Bischöfe. Man mag sich darüber ärgern oder auch nicht.

Die chinesische Politik war durch fast 40 Jahre von einer derartigen Gewalt, daß sie den Vatikan, seine Diplomatie und die leidgeprüften Gläubigen, deren genaue Zahl nicht bekannt ist, vor sich hertrieb. Man darf fragen, ob die dramatischen Ereignisse nach 1957 nicht hätten vermieden werden können.

Auch fragt man sich, ob es klug war, solange an der Taiwaner Nun-tiaturbesetzung festzuhalten. Man sagte „Die Sakramente sind für die Menschen da”. Daraus könnte man so manches ableiten. Die Formulierung „Menschen sind für die Politik da”, darf als anstößig gelten. Ärgernis mag auch die Behauptung, die Geheimkirche *habe ihre iRolle gespielt, nun soll sie rasch und unbemerkt wieder verschwinden, beim aufmerksamen und nachdenklichen Leser auslösen.

Was immer der Papst mit „Versöhnung” meinte, wir werden es erfahren. Selbst dann, wenn keine plausible Erklärung dazu geliefert wird. Damit wir uns richtig verstehen: Das volkreichste Land der Welt und eine große moralische Instanz, die katholische Kirche, vertreten durch den Völkerrechtskörper und soveränen Staat Vatikan, sollen sich so einander annähern, daß menschliches Leid vermieden werden kann.

Aus der Geschichte der Urkirche wissen wir, daß der Drang zum Martyrium nicht erwünscht war. Aber auch heute gilt: Das Rlut der Märtyrer ist der Samen neuen, lebendigen, spirituell -befruchtenden Christentums.

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