Vorletztes zum Letzten erklärt?

Werbung
Werbung
Werbung

Langsam wird das Thema Homosexualität zum Thema Nummer eins in den Kirchen und Gesellschaften. In den USA hat George W. Bush nicht zuletzt durch seine Ablehnung der Homo-Ehe die Unterstützung der ultrakonservativen protestantischen Kreise erhalten, die ihm zum Wahlsieg verholfen hat.

Homosexualität - eine ethische Streitfrage zwischen dem naturrechtlichen Ansatz und einer am Evangelium orientierten Verantwortungsethik. Die ethische Auseinandersetzung muss geführt werden und ist möglich, solange keine Seite die Sachfrage zur Glaubensfrage erklärt.

Dietrich Bonhoeffer hat in seiner Ethik diesen Umstand mit dem Gegensatz vom Vorletzten und Letzten gekennzeichnet. Das Letzte, das zugleich das erste Wort in aller Ethik haben muss, ist die Rechtfertigung des Sünders allein aus Gnaden und Glauben. Bonhoeffer hatte erlebt, dass Kirche und Theologie ein Vorletztes, nämlich Volk und Rasse, zum Letzten erklärt hatten und genau dadurch empfänglich wurden für die Nazi-Ideologie und den Abfall vom Evangelium.

In der aktuellen Auseinandersetzung scheinen die katholischen Bischöfe Spaniens den Vogel abgeschossen zu haben: Die Ehe von Homosexuellen dürfe keinesfalls hingenommen werden, denn sie komme "schweren Delikten gleich, welche die Zerstörung der Welt bedeuten".

Was kann es für Gründe geben, die ethischen Streitfrage der Homosexualität in den Rang eines weiteren apokalyptischen Reiters zu erheben? Ist es bloß eine populistische Übertreibung, um die Gläubigen gegen die sozialistische Regierung zu mobilisieren? Oder ist es eine ideologisierende Ablenkung von den realen Ursachen der Weltzerstörung, die nur allzugut bekannt sind? Womöglich aber ist es jene Verwechslung von Letztem und Vorletztem, vor der Dietrich Bonhoeffer warnte.

Der Autor ist Oberkirchenrat der Evangelischen Kirche A.B.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung