Vorurteilsfrei zuhörend

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Schon am Rücktrittstag von Erzbischof Eder wählte das Salzburger Domkapitel den Nachfolger aus einem Dreiervorschlag. Alois Kothgasser verlässt Innsbruck und kommt in eine freudig gestimmte Erzdiözese Salzburg.

Das neue Kirchenjahr begann in der Erzdiözeses Salzburg mit größter Überraschung: Am Vortag des Christkönigsfestes hatte der Papst den Rücktritt von Erzbischof Georg Eder angenommen, noch am gleichen Tag wählte das Salzburger Domkapitel aus einem Dreiervorschlag den Innsbrucker Bischof Alois Kothgasser, 65, zum 89. Nachfolger des hl. Rupert; am Mittwoch darauf wurde die Ernennung Kothgassers bekannt gegeben.

Eder, 74, war bereits im März um seine Ablösung eingekommen, dass nun so schnell Bewegung in seine Nachfolgeregelung kam, war für alle Beteiligten - nicht zuletzt für den Gewählten - überraschend.

"Je finsterer die Nacht, umso weiter sieht man das Licht einer einzigen Kerze. In einer niedergehenden Zeit und Kultur sollten wir ein Zeichen des Lichtaufgangs sein ..." Am ersten Adventsonntag wurde in den Salzburger Kirchen ein Hirtenwort, das Erzbischof Eder noch ohne Wissen der jüngsten Ereignisse konzipiert hatte, verlesen. Noch einmal beschwor der scheidende Hirte den Kampf in der Nacht und gegen den Untergang des Christentums.

Alois Kothgasser gilt dagegen nicht als einer, der Kulturpessimismus verbreitet: Als Hörender wird er von vielen, die ihn kennen, charakterisiert. In Innsbruck beschreibt ihn Ingrid Thurner, Vorsitzende der Plattform "Wir sind Kirche", als "zuhörenden" Bischof, als einen, der "vorurteilsfrei und unaufgeregt" auf Menschen zugeht. Thurner: "Kothgasser ist nicht einer, der vor Schreck erstarrt, wenn er mit den Kirchenvolks-Begehrern redet - obwohl er an seinen klaren, auch römischen' Standpunkten keinen Zweifel lässt." Nicht einmal habe sie bei ihm das Gefühl gehabt, dass er ihre Rechtgläubigkeit angezweifelt hätte.

"Die Kirche ist groß und hat viel Platz, da ist es entscheidend, dass die Mitte gewahrt wird und der Blick gleichzeitig nach vorn gerichtet ist", meinte Kothgasser beim ersten Pressegespräch in Salzburg und erklärte auch selbst auf die Frage, was er verändern wolle: "Ich will erst schauen und hören, was notwendig ist."

Durch die Erzdiözese Salzburg, in der während der letzten Monate viele Spekulationen und Ängste in Bezug auf den neuen Erzbischof zu hören waren, geht ein Ruck des Aufatmens, und allerorts wird der Freude Ausdruck verliehen: Kaum je in den letzten, krisengeschüttelten Kirchen-Jahren wurde eine Bischofsernennung mit solcher Genugtuung aufgenommen wie hier.

"Eine gute Wahl. - Große Freude bei vielen Menschen": Auch Luitgard Derschmidt, Präsidentin der Katholischen Aktion Salzburg, der offiziellen Laienorganisation der Erzdiözese, hält mit ihrer Erleichterung nicht hinterm Berg. Derschmidt kennt Kothgasser ebenfalls als ernsthaften Gesprächspartner, im Umgang mit Frauen und mit Laien hat sie den neuen Erzbischof als "wertschätzend" erlebt. Die Spekulationen der letzten Monate hat sie aber auch als positives Signal verstanden. Derschmidt: "Dass sich so viele Leute Gedanken gemacht haben, ist für mich ein gutes Zeichen. Es bedeutet, dass die Menschen Anteil an der Kirche nehmen, und dass es ihnen nicht egal ist, wer Erzbischof von Salzburg ist."

Bei aller Freude betont Derschmidt aber, dass die Kirche Salzburgs ja nicht nur vom Bischof abhänge, sie meint, es sei auch unfair, nur auf den Bischof zu schauen und zu übersehen, wie viel Engagement an der Kirchenbasis zu finden ist. Josef Bruckmoser formuliert das in den Salzburger Nachrichten mit der Schlagzeile: "Salzburgs Katholiken haben keine Ausrede mehr", und meint damit, die Salzburger Katholiken könnten nun nicht mehr behaupten, um die katholische Kirche sei es deshalb so bestellt, weil sich der Erzbischof und sein Weihbischof als Hemmschuh erweisen würden ...

Ob sich das Bischofs-Spekulationstheater nun in die Diözese Innsbruck, die Kothgasser mit 19. Jänner verlassen wird, verlagern wird? "Kothgasser pocht auf Mitsprache": Mit diesem Titel versuchte letzten Samstag die Tiroler Tageszeitung die Gemüter diesbezüglich zu beruhigen. Auch Kirchenvolks-Begehrerin Thurner ortet in Tirol noch keine großen Ängste: Die Tatsache, dass Kothgasser nach Salzburg kommt, lässt sie hoffen, dass man auch nach Innsbruck keinen konservativen Hardliner setzt. Salzburgs KA-Präsidentin Derschmidt meint dennoch: "Wir können den Innsbruckern nachfühlen, dass sie ihren Bischof nicht gerne hergeben!"

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