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Wachablöse im September

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Die Fakten sind rasch genannt: Nach genau neun Jahren Amtszeit wird Kardinal Hans Hermann Groer das Amt des Wiener Erzbischofs an seinen im April 1995 eingesetzten Koadjutor Christoph Schönborn übergeben. Das hat der Kardinal beim Mariä-Himmelfahrt-Gottesdienst im Stephansdom selbst bekanntgegeben. Das Bücktrittsge-such von Groer, der schon im Oktober 1994 die Altersgrenze von 75 Jahren erreicht hatte, wird mit Wirkung vom 14. September von Papst Johannes Paul II. angenommen. Kardinal Groer wird sich in das von ihm initiierte Zisterzienserinnen-Kloster Marienfeld bei Maria Boggendorf im Weinviertel zurückziehen.

Was im Hintergrund dieser Wachablöse steht, kennzeichnet die wohl schwerste Krise der katholischen Kirche in Österreich seit 50 Jahren. Das lähmende Schweigen des Kardinals zum Vorwurf des sexuellen Mißbrauchs Jugendlicher schadete nicht nur ihm, sondern der ganzen Institution, und verdunkelte die positiven Seiten seines Wirkens als Seelsorger und Bischof. Das „Kir-chenvolks-Begehren”, von manchen als ungebührliches Aufbegehren gedeutet, war ein Versuch der Schadensbegrenzung und machte die längst vorhandene Polarisierung nur offenkundig.

Zu den innerkirchlichen Konflikten kamen Angriffe von außen: Liberalen-Chefin Heide Schmidt drängt auf die totale Trennung von Staat und Beligion (verzichtet aber nicht darauf, ihren Kirchenaustritt öffentlich bekanntzugeben), ein Homosexueller bezichtigt einige Bischöfe homosexueller Neigungen (und schadet damit nur seiner eigenen Sache), Jungsozialisten wollen nach deutschem Vorbild Kreuze aus den Klassenzimmern verbannen (und begeben sich damit in Allianz mit islamischen Fundamentalisten).

In dieser schwierigen Situation tritt Christoph Schönborn - als Redaktionssekretär des „Weltkatechismus” sicher kein „Modernist”, als Freund eines Peter Turrini aber sicher auch kein reaktionärer „Hardliner” - sein Amt an. Sein Kapital ist seine Glaubwürdigkeit, seine Dialogbereitschaft, seine Fähigkeit, Fehler zu bekennen und Positionen, die nicht letzte Glaubensüberzeugungen betreffen, zu überdenken. Behutsam im Vorgehen, fest in den Prinzipien - so lautet frei übersetzt jenes lateinische Wort, dem er sehr gerecht zu werden scheint: „Suaviter in modo, fortiter in re!”

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