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Wandlung der Kurie

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Mit höchster Wahrscheinlichkeit war damit zu rechnen, daß man bei der Wahl in die Konzilskommissionen wie beim Ersten Vatikanischen Konzil verfahren würde. Tatsächlich legte man eine fertige Liste zur sofortigen Abstimmung vor. Da erhob sich Kardinal Lienart von Lille und verlangte eine echte Wahl. Kardinal Frings von Köln unterstützte seinen Antrag im Namen aller deutschsprachigen Kardinäle. So kam es zu einer Wahl, die gar nicht den Wünschen der Kurie entsprach.

Weil das Heilige Offizium in ihr eine Sonderstellung einnimmt, hielt es sich beim Konzil nicht an die

Geschäftsordnung, sondern handelte nach seiner gewohnten Weise. Deshalb weigerte es sich, mit den übrigen Kommissionen zusammenzuarbeiten. Bis zum 15. November war sein Druck in den amtlichen Konzilsmitteilungen deutlich spürbar. Von kurialer Seite fielen harte Worte, zum Beispiel der Satz: „Nur am Baum der Wahrheit gedeihen die Früchte der Reform.“

Bald wurde offenbar, daß die Bischöfe aus der Ferne genauso romtreu waren wie die aus der Nähe, daß sie sich aber auch schon gründlicher und erfolgreicher auf die heutige Zeit Entwurf über die Kirche zur Aussprache kommen werden, dürfte der umgestellt hatten. Als daher zu den Abstimmungen geschritten wurde, ergaben sich überwältigende Mehrheiten. Ein Rückschlag ereignete sich nur am 20. November. Weil aber das Ergebnis auf eine zweifelhafte Weise zustande gekommen war und nicht dem Willen der Mehrheit entsprach, machte der Papst von seiner Vollmacht Gebrauch und entschied für das Gegenteil.

Die eigentlichen Entscheidungen fielen vielleicht außerhalb des Petersdomes. Nicht nur die 42 Bischofskonferenzen versammelten sich eifrig, um zu beraten, sondern es bildeten sich auch kontinentale, ja sogar globale Arbeitsgruppen, in denen die schwersten Probleme, darunter auch die Reform der Kurie, aufgegriffen wurden. Ehe noch diese Fragen im

Papst schon genau darüber unterrichtet sein. Daß der theologische Entwurf aus der Hand des Heiligen Offiziums einer gemischten Kommission übergeben wurde — daß das „Sekretariat für die Einheit der Christen“ den gleichen Bang w,i<e;-„dje, übrige^..Kspaij; missionen erhielt — daß. endlich eine neue übergeordnete Kommission ins Leben trat, die den ausdrücklichen Auftrag bekam, im Geist des Konzils, also in einem aufgeschlossenen, vorwärtsschauenden, zuversichtlichen, zuletzt aber nicht zumindest ökumenischen Geist zu arbeiten, alle diese Tatsachen bedeuten nicht weniger, als daß die Kurie nicht nur aufgehört hat, eine schlecht verkleidete Neben- oder Überautorität zu spielen, sondern daß sie schon in einem personalen und funktionellen Wandlungsprozeß steht, weil an die Stelle einer engbegrenzten Erbbeamtenschaft ein global zusammengesetztes Eliteteam zu treten beginnt.

Die „Herder-Korrespondenz“ (September 1962) schrieb kurz vor dem Konzil: „Die Hauptgefahr liegt wohl darin, daß die hierarchische Kirche in ihrem Wesen für viele Menschen, auch für manche Katholiken“ — man lese Reinhold Schneider, „Die dunkle Nacht“, S. 49 ff., oder Giovanni Papini, „Briefe Coelestins VI.“ —, „unverständlich geworden ist, weil die Scheidung der Wahrheit Jesu Christi und der Apostel von den nichttheologischen, geschichtlich-politischen, auch kulturellen Faktoren und von einer den modernen Geist nicht mehr erreichenden Sprache noch nicht konsequent durchgeführt wird. Viele sehen die mittelalterlichen und barocken Traditionen zu selbstverständlich als legitimen und zeitlosen Ausdruck der apostolischen Tradition an. Das hat aber eine ähnliche Wirkung, wie sie die judenchristliche Verkündigung gehabt hätte, wenn nicht Missionäre vom Rang eines Paulus die Fesseln der jüdischen Traditionen gesprengt und im Heiligen Geist die allgemeinverständliche Sprache der damaligen Welt gesprochen hätten. Man darf nicht die Augen davor verschließen, daß heute eine ähnliche Gefahr besteht, und wir sollten sehr darum beten, daß jene Kardinäle und Bischöfe, die in der Haltung Pius' XII. den Durchbruch zu einer Sprache für heute erstreben, auf dem Zweiten Vatikanischen Konzil ihre Stimme wirksam zu Gehör bringen.“

Das ist tatsächlich geschehen. Möge es in der zweiten, abschließenden Konzilsphase erschöpfend und endgültig jeschehen.

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