Was Christen (noch) glauben

19451960198020002020

Die Furche-Herausgeber

19451960198020002020

Die Furche-Herausgeber

Werbung
Werbung
Werbung

In diesem Jahr sind sie - dem Kalender sei Dank - wieder einmal ganz nahe zusammengerückt: das christliche Ostern, das jüdische Pessach - und das altpersische Nowruz-Fest, das eben von mehr als 300 Millionen Menschen zwischen Balkan, Zentralasien und China gefeiert wurde. Trotz aller religiösen Unterschiede leuchtet aus diesen Festen der gemeinsame, uralte Mythos der Auferstehung: hier des Gottessohnes aus Leid und Tod; da des Volkes Israel aus der Knechtschaft; dort der Schöpfung nach langer Winterkälte.

Geheimnis der Heilsgeschichte

Im Christentum verdichtet sich die österliche Frohbotschaft auf wunderbare Weise in den Ikonen der Ostkirche: Da zertritt der Auferstandene die Tore der Unterwelt, steigt aus seinem Grab und nimmt Adam und Eva - symbolisch für die gesamte Menschheit - mit in das ewige Leben. Es ist das größte Geheimnis der Heilsgeschichte: Der Tod hat nicht das letzte Wort - und wir alle dürfen glauben, mehr als nur ein Windhauch der Menschheitsgeschichte zu sein.

Aber glauben wir das wirklich? Die Osterbotschaft hat zuletzt viel an Überzeugungskraft eingebüßt. Umfragen zeigen: Kaum vier von zehn Österreichern erwarten noch ein Leben nach dem Tod. Die Zweifel wachsen tief in die Kernschicht gläubiger Christen hinein. Selbst Kleriker predigen zunehmend über die eigene Skepsis hinweg.

Die Gründe dafür sind vielfältig: Da ist die Naturwissenschaft mit ihrem Selbstbewusstsein: "Alles Quatsch“ urteilte eben die Biochemikerin Renée Schröder im ORF über die großen Botschaften der Religionen. Da sind aber auch der zunehmende religiöse Analphabetismus - und unsere ganz diesseitigen Lebenserwartungen.

Pompös erstarrte Kirche

Diesen Verlust an Glaubwürdigkeit hat eine pompös und bürokratisch, zugleich aber ängstlich und erstarrt wirkende römische Kirche auch selbst genährt. Sie ist, um den verstorbenen Kardinal Martini zu zitieren, "200 Jahre hinter ihrer Zeit zurückgeblieben“.

Und doch gibt es jetzt Anzeichen, die uns - jenseits der zeitlosen Osterbotschaft des Glaubens - noch eine zweite Auferstehung erhoffen lassen: die der Kirchenführung. Der neue Bischof von Rom weiß offenkundig um die Strahlkraft eines überzeugend gelebten Vorbilds. Er weiß auch um die Bedeutung von Armut, Demut und Bescheidenheit, deren besonderer Reiz in ihrer Diskrepanz zu unserer Alltagsrealität liegt. Freilich: auch dieser Papst wird einmal nicht an seinen Gesten gemessen werden, sondern an seiner Fähigkeit, zeitgebundenen Ballast abzuwerfen, dem Glaubenskern des Christentums aber eine neue Überzeugungskraft zu geben. Das gilt vor allem für die große österliche Verheißung von Tod und Auferstehung. "Und solang du das nicht hast, dieses: Stirb und werde, bist du nur ein trüber Gast auf der dunklen Erde“, schrieb Goethe - so als hätte er schon vor 200 Jahren erkannt, woran sich einmal das Schicksal der Kirche entscheiden würde.

Die Sympathien, die Franziskus jetzt entgegenschlagen, können ihm diese Herkulesarbeit, Ostern neu in unseren Herzen zu verankern, zumindest erleichtern.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung