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Was des Herrn ist

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DIENST UND ZEUGNIS. Die apostolische Sendung der Ordensschwester Von Alfons Fehringer (Herausgeber). Band 4 der Sammlung Pallotti. Pallottt-Verlag, Friedberg bei Augsburg. 323 Seiten, Paperback. DM 16.80, S 116.90.

„Der jungfräuliche Mensch“, sagt Paulus, „ist um das besorgt, was des Herrn ist“ (1 Kor. 7, 32). Was aber ist „des Herrn“? Daß die Frage neu gestellt wird, daß sie nicht mit dem traditionellen Gegensatz zwischen Welt und Kloster schon als beantwortet gilt, ist eines der Zeichen jenes erfrischenden Windhauchs, den das Konzil entfacht hat und dessen Blasen allmählich auch in den Klöstern zu spüren ist. Die Antworten heutiger Menschen weisen zunächst das Mißverständnis zurück: Nicht das stille Kämmerlein einer weltflüchtigen Beschaulichkeit, die unbekümmert um die Not der vielen den frommen Durst der eigenen Seele zu stillen sucht. Christliche Jungfräulichkeit ist nicht Abkapselung, sondern ein ganz neuer Weltauftrag aus der Weite der Christusliebe und aus der Kühnheit der Gnade. Wer ganz dem Herrn gehört, dessen Herz wird weit wie die weltweite Kirche, in die hinein sich der fortlebende Christus entfaltet und schenkt. Und darum ist dieser Mensch voll verfügbar und dienstbereit für Christi Kirche. Er verzichtet auf die Ehe nicht, um unbehelligt dahinzuleben wie ein Junggeselle oder wie ein stoischer Philosoph. Vielmehr wird er hineingebunden in die Nöte des ganzen Christus. Zwar steht jeder Getaufte unter der Grundwirklichkeit der evangelischen Räte; in der Nachfolge Christi gibt es kein doppeltes Ziel und keine doppelte Moral, aber es gibt eine gottgewollte und gott-gewirkte Stufung der Verwirklichung. „Nicht alle verrichten denselben Dienst“ (Rom. 12, 4). Ehe wie Jungfräulichkeit haben es zutiefst mit jener Liebesantwort zu tun, die der Mensch auf das Liebeswort Gottes zu sprechen wagt.

Was für ein Unterschied liegt in einer solchen Auffassung vom Ordensleben gegenüber jenem Klassendenken früherer Zeiten, das von einem Stand der Vollkommenheit sprach und das Leben des Laien als ein Zugeständnis an die menschliche Schwäche ansah! Man begnügte sich damit, ihn zu retten. Ja, man übertrug sogar die biblische Unterscheidung von den Menschen, die die Werke des Geistes tun, und jenen, die die Werke des Fleisches tun, auf Klerus und Ordensstand einerseits und die Laien anderseits. An diesen Klassenunterschied glauben manche Ordensleute noch heute. Sie sehen ihre Existenz und ihren Dienst als das ganz andere, als etwas, das sich im innersten Kern von Leben und Wirken des christlichen Laien unterscheidet. Das II. Vatioanum hat mit solchen Vorstellungen gründlich aufgeräumt. Es hat ferner klar ausgesprochen, daß sich die Kirche nicht mit einem privaten heiligen Leben der Ordensleute begnügt. Sie verlangt von allen klösterlichen Gemeinschaften den Dienst für die Kirche. Damit wird ein Schlußstrich unter einen jahrhundertelangen Zwiespalt in der Ordensaskese gezogen. Viele klösterliche Satzungen machen einen Unterschied zwischen dem ersten und dem zweiten Ziel des Verbandes, der Heiligung der Mitglieder und der besonderen Aufgabe. Das Apostolat wurde der Selbstheiligung nachgeordnet. Dadurch entstand die Gefahr eines recht unheiligen Egoismus. Das Konzil aber weist neue Wege. Es rückt das Apostolat in das Zentrum des klösterlichen Lebens. Auch für die Ordensfrau steht die selbstlose Hinwendung zum Auftrag Gottes und der Kirche an den Nächsten im Vordergrund. Ihr Auftrag besteht in der Teilnahme an der Sendung des Gottesvolkes zur Heimhölung der Welt. Die Tür zur Heiligung geht nach außen auf. In der Abkehr von sich selbst, im Sichverlieren an Gott und Seinen Dienst wird die Ordensfrau heilig.

Das etwa ist der Tenor des im Pallotti-Verlag soeben erschienenen Sammelwerkes „Dienst und Zeugnis“ mit Beiträgen von Theologen und Klosterfrauen. Es kann als der erste größere Versuch einer Gesamtschau des Lebens der Ordensschwestern auf dem Hintergrund der Konzilsdokumente angesprochen werden.

An der Spitze steht eine ausführliche Begründung des Rätestandes aus der Bibel, dann folgt ein Überblick, der von der christlichen Frühzeit bis in die Gegenwart führt. Er macht das Element der Geschichtlichkeit und damit der Wandelbarkeit in den Formen des Rätestandes bewußt. Ergänzt wird dieser Artikel dann im 3. Teil durch eine Untersuchung über das Apostolat der Frauengemeinschaften in der Geschichte. Nur schwer und vielfach gegen die Haltung des kirchlichen Gesetzgebers hat es sich durchgesetzt, begünstigt durch die caritativen und seelsorglichen Notwendigkeiten und durch die Initiative charismatischer Frauen, die dem männlich eingeengten Denken ihrer Zeit voraus waren. Heute wird eine neue Seite in der Geschichte des Frauen-apostolates aufgeschlagen. Immer mehr werden Frauen als Pfarrhelferinnen, Seelsorgehelferinnen, in der unmittelbaren Seelsorge eingesetzt. Die weiblichen Genossenschaften haben heute die Chance und den Auftrag, zu den wichtigsten Seelsorgekräften der Kirche zu werden. Vielleicht liegt gerade darin ihre Zukunft.

Um so notwendiger ist das Aggior-namento, und das heißt vor aller äußeren Anpassung eine Besinnung auf das Wesentliche und Bleibende in zeitnaher Verwirklichung. Diesem Ziel dient die Behandlung der Ordensgelübde und des gemeinsamen Lebens unter der Fragestellung ihres Dienst- und Zeugnischarakters. Die theologisch gut fundierten Beiträge zeichnen sich durch wohltuende Nüchternheit aus. Es fallen mutige Worte über Fehldeutungen und Fehlentwicklungen. Vorsichtig werden auch neue Wege angedeutet; doch sind gerade die Beiträge aus der Praxis der Schwestern weitgehend noch alten Vorstellungen verhaftet, was ja auch nicht zu verwundern ist. Die Stärke des Buches liegt in den grundsätzlichen Uber-legungen. Sie sollten nicht nur von den Schwestern gelesen werden, sondern in erster Linie von den Oberinnen, Novizenmeisterinnen, Exerzitienleitern und Beichtvätern, denen ein guter Teil der schwierigen Aufgabe obliegt, die weiblichen Genossenschaften in das konziliare Denken einzuführen.

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