Was die Weltreligionen zum Betteln sagen

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Nicht alle Bettler betteln aus Not. In vielen südostasiatischen Ländern ziehen in den frühen Morgenstunden buddhistische Mönche zum Betteln aus, in langen Reihen einer hinter dem anderen, den Blick gesenkt und in der Hand die Bettelschale. Manche geben ein paar Becher Reis, andere geben Geldscheine in die Schale, denn die Klöster leben ausschließlich von Spenden. Dana, Gebefreudigkeit, gilt im Buddhismus als eine grundlegende Tugend. Vor allem Gaben an Mönche gelten traditionell als karmisch verdienstvoll. Der Sozial Engagierte Buddhismus, begründet durch den Zen-Meister Thich Nhat Hanh während des Vietnamkriegs, verbindet Meditation mit dem Einsatz für soziale Gerechtigkeit. Die Institution der wandernden Bettelmönche kennt man in den Hindu-Traditionen auch noch im heutigen Indien. Bis in die 1980er Jahre galt Betteln in Indien als ein Beruf, so wie dies auch in Europa im Mittelalter der Fall war.

Aggressives Betteln wird nirgends gut geheißen. So heißt es etwa in der Bibel im Buch Jesus Sirach, dass es besser wäre zu sterben als aufdringlich zu sein. Doch sind für die jüdisch-christlich-islamische Traditionslinie Barmherzigkeit und die Suche nach sozialer Gerechtigkeit konstitutiv auch für das eigene Wohlergehen. "Wer den Armen gibt, hat keinen Mangel", liest man im Buch der Sprüche 28,27. Die Pflicht zur Sorge um die Armen und das Streben nach sozialer Gerechtigkeit (zedaka) gehört zu den Grundpfeilern des Judentums.

"Option für die Armen" sieht Arme nicht als Opfer

Das zeigt sich auch in der Ethik Jesu: Seine Hinwendung zu denen, die am Rand der Gesellschaft stehen, ist vorbildhaft für Christen bis heute. Diakonie und Caritas, aber auch Pfarren bieten Unterstützung für Arme. Der Aufstieg des Christentums in der Antike hängt wesentlich mit der Unterstützung sozial Schwacher und armer Menschen zusammen, für die sonst niemand sorgte. Im Mittelalter galt es als verdienstvoll, Bettler zu versorgen; hohe Herren konnten von ihren Beichtvätern auch als Buße für einige Zeit zum Betteln geschickt werden. Die Armutsbewegungen des Mittelalters, die das jesuanische Armutsideal leben wollten, waren zunächst kirchenkritisch. Die Bettelorden - Franziskaner, Dominikaner und andere - wurden dann Teil der Institution Kirche. Sie leben auch heute von Spenden, mit denen u. a. auch soziale Projekte betrieben werden - Suppenküchen für Bettelnde und Obdachlose und internationale Hilfsprojekte. Die Option für die Armen, die von Benedikt XVI. bekräftigt wurde, sieht die Armen nicht als Opfer, sondern als eigenständige Personen.

Muslime sind zum zakat verpflichtet, d. h. sie sollen ein Zehntel ihres Vermögens den Armen geben. Der zakat gehört zu den fünf Grundsäulen des Islam; das arabische Wort stammt aus derselben Wurzel wie das hebräische zedaka. Arme haben im Islam auch das Recht, zu Reichen zu gehen und sie direkt um Unterstützung zu bitten. So können sie z. B. nach dem Freitagsgebet in der Moschee nach vorne gehen und um Hilfe bitten, die dann diskret auch gegeben wird.

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