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Was hat die Kirche der Welt von heute zu sagen?

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Am passenden Ort - in der Konzilsgedächtniskirche in WienLainz - kehrte ein Hauch vom Geist des Konzils wieder.

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Am passenden Ort - in der Konzilsgedächtniskirche in WienLainz - kehrte ein Hauch vom Geist des Konzils wieder.

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Der „Kirche in der Welt von heute" war eines der letzten Dokumente des Zweiten Vatikanischen Konzils, diePastoralkonsti-tution „Gaudium et sjes", gewidmet. Die katholische Kircle solidarisierte sich darin mit „Freudeund Hoffnung, Angst und Trauer" euer Menschen, motivierte ihre Gläuhgen, sich in der Welt zu engagieren trat in. einen ernsthaften Dialog mt dieser „Welt" ein. Hat dieses Konzlsdokument 30 Jahre später Früchte jetragen?

Bei der traditionelen Osterreichischen Pastoraltagunf in Wien-Lainz erlebten von 28. bis »0. Dezember an die 400 Teilnehme] aus verschiedenen christlichen Kinnen drei vom gemeinsamen Gebet, besang, Zuhören, Reden, Reflektierei über das Thema „Kirche in der Wet von heute - ein kritisches Verhältiis" gekennzeichnete Tage. Teils enüchtert, teils ermutigt, meist abe sicher bereichert, werden sie den Himweg angetreten haben, mit viel Soff zum Nachdenken und mit vielei neuen Fragen.

„Um seinen Libenssinn muß sich der einzelne selb* kümmern", lautet der einzige Punk, in dem sich Westeuropäer in Sinfragen derzeit einig seien, stellte d-'i Osnabrücker Religionssoziologe Karl Gabriel (dessen Text wegen Rkrankung des Referenten verlesen Verden mußte) eingangs fest. Währeid man aber für Kirchlichkeit irrmer weniger übrig hat, zeigt sich ehe Tendenz postmoderner Gesellschater hin zur Wiederbelebung religöser und ethischer Fragen.

Würdeman die Antworten auf diese Fragei eher bei der katholischen Kirche sichen, wenn diese den Forderung« von „Gaudium et spes" im eigenenBereich stärker nachgekommen wiie? Diese Überlegung lag nach den Referat des Luzerner Dog-matikeB Dietrich Wiederkehr nahe. Er kriti<ierte unverhohlen, die Kirche leite zuoft Weisungen ohne überzeugende legründung von Jesus Christus ab uid habe zu wenig Geduld („Hunanae vitae"), Erkenntnisse der Wisstfischaft zu berücksichtigen. Forderungen der Kirche an die Gesellshaft, elementare Spielregeln einzihalten (Recht auf wahrheits-genäße Information, auf die Bildung voi Interessenvertretungen, auf Glichberechtigung der Frau),, bekomme sie als „Bumerang" zurück.

Wiederkehr schloß mit dem Satz: „Nur indem die Kirche in der Welt von heute und indem die Welt von heute in der Kirche lebt, kann Kirche Kirche bleiben, besser gesagt: kann die Kirche Kirche werden." Den lebhaften Beifall nahm die Salzburger Moderatorin Angelika Pressler als Bestätigung, daß in diesem Referat das Konzil „wiedergekehrt" sei.

Auf Kritik stieß Wiederkehr beim Salzburger Erzbischof Georg Eder mit seinem Wunsch, die anderen Konzilstexte sollten mit Orientierung an „Gaudium et spes" einer „Reredigie-rung" unterzogen werden, aber auch bei einem polnischen Teilnehmer, dem in dem Referat (Wiederkehr hatte darin auch kirchliche Wahlempfehlungen in Osteuropa kritisiert) zu wenig von der Kirche die Rede war.

Vor simplen Gegenüberstellungen (Kirche oben und Kirche unten, lebendige Kirche im Osten, müde Kirche im Westen) warnte tags darauf die Präsidentin der Katholischen Aktion Österreichs, Eva Petrik. Seit dem Konzil sehe sich die Kirche nicht mehr als Kirche „gegen die Welt", sondern „in der Welt", es gelte, die Konzilstexte endlich voll auszuschöpfen. Eine strikte Arbeitsteilung zwischen Priestern und Laien - hier Heilsdienst, dort Weltdienst - werde scheitern.

Auch der Frankfurter Theologe Siegfried Wiedenhofer betonte die Notwendigkeit der Verbindung von Glaube und Weltverantwortung. Wie die Kirche heute „Heilszeichen" in der Welt sein könnte, führte er am Beispiel einer auch wirtschaftlich positiv auf die ganze Region ausstrahlenden Mönchsgemeinschaft in Indien und anhand der „Integrierten Gemeinde" in München an.

Der neue Wiener Generalvikar Helmut Schüller rief zum Mut auf: zum Mut zur Weitergabe der biblischen Botschaft, zum' Mut zur Anwaltschaft für die Würde jedes Menschen, zum Mut und zur Befähigung der Gemeinden, auf Menschen außerhalb der Gemeinde zuzugehen und im persönlichen Milieu Zeugnis abzulegen, und zum Mut zum weltumspannenden Denker! und Handeln.

Den „Geist der Fußwaschung" empfahl der Linzer Theologe Ferdinand Reisinger der Kirche, eine Dienstrolle und einen Stil „engagierter Unaufdringlichkeit".

Hätte nicht das Liberale Forum eine Art „Blitzableiterrolle" übernommen, gäbe es im Bereich Kirche und Politik kaum Spannungen, konstatierte Nationalratspräsident Heinz Fischer in einer abendlichen Diskussion mit Ex-Vizekanzler Erhard Bu-sek, der den Finger auf einen sehr wunden Punkt legte, das Schwinden aktiver Katholiken in Politik und Medien: „Viele sind es nicht mehr."

Zu Ende ging die Tagung mit einem eindrucksvollen Referat des Vorsitzenden der Österreichischen Bischofskonferenz, des Grazer Bischofs Johann Weber, zum Thema „Dialog", in dem er die Mahnung des heiligen Ignatius von Loyola hervorhob, Christen müßten bestrebt sein, das Wort des anderen „zu retten".

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