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Was unterscheidet Rom und Konstantinopel?

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Der Besuch von Patriarch Bartholomaus bei Papst Johannes Paul II. wirft die Frage auf: Was trennt oder verbindet Ost- und Westkirche besonders? Wie steht es zum Beispiel um die Spendung der Sakramente?

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Der Besuch von Patriarch Bartholomaus bei Papst Johannes Paul II. wirft die Frage auf: Was trennt oder verbindet Ost- und Westkirche besonders? Wie steht es zum Beispiel um die Spendung der Sakramente?

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Bezüglich der Sakramentenspen-dung in den Ostkirchen gilt all-gemei , daß man nicht von einem einheitlichen Verständnis oder einer einheitlichen Praxis der Mysterien (Sakramenten) in den Ostkirchen sprechen kann, auch eine Unterscheidung nach den einzelnen Konfessionen scheint nicht sinnvoll.

In vielen Punkten stimmt ihre Lehre mit der der römisch-katholischen Kirche überein, im einzelnen gibt es aber auch große Unterschiede. So ist der Tenor, daß es sieben Sakramente gibt. Was zu diesen sieben zählt, wird aber nicht einheitlich beantwortet. Nach Dalmais hat die ostsyrische Tradition keine Sakramente für die Vergebung der Sünden und die Krankensalbung, zählt aber Mönchsund Altersweihe dazu.

Aber auch dort, wo das Sakramentsverständnis dasselbe ist wie in der römisch-katholischen Kirche, ist die Ausgestaltung meist sehr anders. Meist ist die Feier sehr farbenprächtig und spielt die Verwendung von begleitenden Zeichen eine bedeutende Rolle. Zum Beispiel das Öffnen und Schließen des Vorhanges vor dem Altar, der ohnehin schon durch eine mit Bildern versehene Wand vom Raum, in dem die Gläubigen stehen, getrennt ist. Oder die Jubelrufe bei verschiedenen Weihen in der syrischen Kirche, die an die Angriffsrufe der Apachen bei Winnetou erinnern und Freude ausdrücken, zugleich aber das Böse abhalten sollen.

Besonders fällt dies bei der Eucharistiefeier auf. Der Teilnehmer, der die Messe nach lateinischem Bitus gewohnt ist, wie er in fast allen Kirchen Österreichs praktiziert wird, kann kaum erkennen, daß es sich bei einer byzantinischen Eucharistiefeier um den gleichen Gottesdienst handelt.

Tatsächlich ist der Grundaufbau des Gottesdienstes ähnlich dem unsri-gen, wenngleich es im einzelnen Abweichungen gibt. Glaube der orthodoxen Kirche ist, daß Brot und Wein zu Leib und Blut Christi werden. Die Kommunion wird unter beiderlei Gestalten empfangen. Die Verpflichtung zur Feier der Sonntagsmesse hat primär die Gemeinde, nicht der einzelne Gläubige. Die Kirchlichkeit eines Gläubigen wird eher an der Einhaltung der Fastenvorschriften gemessen.

Mit besonderem Interesse wird heute vielfach auf die Praxis der orthodoxen Kirche bei der Frage der Wiederverheiratung gesehen. Übergabe der Ringe und Zusammenfügen der Hände sind Ausdruck der Verlobung, die Übergabe der Kronen an Braut und Bräutigam das sakramentale Zeichen der Ehe. Die orthodoxe Kirche sieht das Ideal der Ehe wie die katholische in einer lebenslangen Gemeinschaft ohne Scheidung. Dieser Grundsatz kann aber aus pastoralen Gründen durchbrochen werden. Eine Ehe kann aus Verschulden des Ehepartners oder ohne Verschulden, etwa wegen Wahnsinn oder Verschollenheit, erfolgen. In diesem Fall stellt die Kirche formell fest, daß die Ehe geschieden ist. Sie gestattet eine Zweit- und Drittehe, die jedoch eher als Notlösung „um Ärgeres zu verhüten” (Athenagoras) angesehen wird.

Als besondere Begelung gilt, daß in keinem Fall (also auch nicht beim Tod aller drei früherer Gatten) eine Viertehe zugelassen ist. Dabei ist aber (jedenfalls in der griechischen Praxis) Folgendes vorgesehen: Wer eine Zweitehe schließt, muß eine kirchliche Buße ablegen. Ein anderer Trauungsritus wird verwendet, insbesondere fällt die Krönung der Brautleue weg. Wer eine zweite Ehe geschlossen hat, darf nicht mehr Kleriker werden.

Eine besondere Regelung existiert nach Suttner in der äthiopischen Kirche. Gläubige, die eine eheähnliche Partnerschaft führen, können diese zu einer unauflöslichen kirchlichen Ehe werden lassen, indem sie an der Eucharistiefeier teilnehmen.

Der augenscheinlichste Unterschied zwischen Ost- und Westkirche liegt in der Zulassung Verheirateter zu Priestern. Dies gilt nicht nur für die orthodoxen Kirchen, sondern auch für die katholischen

Ostkirchen in deren Heimatländern. Ein Verheirateter darf zwar Priester werden, ein Priester darf aber nicht heiraten. Dasselbe gilt für Diakone. Mönche und Bischöfe dagegen müssen zölibatär leben. Bischöfe werden in manchen Kirchen gewählt. Weiters existieren Subdiakone und Lektoren, teilweise auch noch andere niedere Weihen.

Das Amtsverständnis ist ähnlich wie das katholische, die Weihe erfolgt durch Handauflegung während eines epikletischen Gebetes.

Auffallend ist die Verbindung von Taufe, Firmung und erster Kommunion, die zugleich gefeiert werden. Historisch geht das wohl auf die Erwachsenentaufe zurück, wurde aber auch bei der Kindertaufe beibehalten. Die Taufe geschieht durch ganzes oder teilweises Untertauchen im Wasser, anschließend wird die Stirn (teilweise auch andere Körperteile) mit Öl gesalbt, die Firmung. Danaoh erhält der Täufling die Kommunion, im byzantinischen Bitus meist in Form von einigen Tropfen Wein. Der Taufe geht die Absage an den Satan, das Glaubensbekenntnis und zumeist

Einzelne Kirchen haben in jüngster Vergangenheit eine Feier eingeführt, die an die katholische Erstkommunion angelehnt ist.

In der Beichtpraxis gibt es innerhalb der Ostkirchen die größten Unterschiede. Im syrischen Ritus wird die Beichte im Rahmen eines langen Ritus gewöhnlich an der Kirchentür oder an der Tür des Altarraumes abgenommen. Die orthodoxen Kirchen kennen ein kürzeres Ritual, bei dem die Büßer verschiedene Gebete gemeinsam sprechen, danach treten sie einzeln zum Priester, der bei einer Ikone sitzt, bekennen ihre Sünden und erhalten die Absolution, bei den Slawen gewöhnlich in Form eines Wunsches „Gott vergebe dir all deine Sünden.”

Für die Krankensalbung existiert ein Bitus, der fast überall als „Bitus der Lampe” bezeichnet wird. Er besteht aus dem Gebet und Lesung von Büß- und Trosttexten, Weihe des Öls und der Salbung.

Eine Besonderheit ist die ostsyrische Tradition, die heute im wesentlichen im Iran verbreitet ist. Sie kennt keine Buße und keine Krankensalbung, dafür aber unter anderem eine Begräbnisfeier mit sakramentalem Charakter.

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