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Weg und Ausweg

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Synode heißt „Zusammenweg“, ein Treffen von Wegen, die vielfach über eigenes Terrain führen, aber schließlich doch zu einem gemeinsamen Ziel kommen. In der Kirche Christi soll denn auch kein Gelände unbegangen bleiben, weglos oder unerschlossen. Darum gibt es viele Wege, aber nur ein Ziel. — Ihnen allen gemeinsam: die starke Beteiligung der Kirche als solcher, das heißt mit ihrem ganzen Selbstbewußtsein und in ihrer Ganzheit von Priestern und Laien. Das ist das erregend Neue! Die ganze Kirche ist auf dem Weg und weiß darum. Ist eine Synode grundsätzlich Ausdruck des Weg-Charakters der Kirche — sie ist die mystische Verkörperung dessen, der von sich sagt: „Ich bin der Weg“ (Joh. 14, 6), so erst recht jene, die eine der aktuellsten „Bewegungen“ aufgreift: den „Laien in der Kir ch e“. Das integrierende Kirche-Sein des Laien und das diesem Sein entspringende Tun ist mit dem Wesen der Kirche in ihrem dialogischen Aufbau des Gebens und Empfangens gegeben, gründet im „Sein-mit-Christus“, das durch die Taufe grundgelegt ist und im christlichen Selbstvollzug zur Darstellung kommt.

Dennoch sind Zeitmomente zu nennen, die eine neue Aktualität dieses ganzen Fragenkomplexes bedingen.

DIE THEOLOGISCHE NEUBESINNUNG Das Wesen der Kirche wird endgültig wieder seit der Enzyklika Pius' XII. „Mystici Corporis“ (1943) in ihrem Geheimnis- und Ereignischarakter gesehen, als der fortlebende Christus und dessen mystischer Leib. Uralte apostolische Verkündigung gelangt hier zu neuer Frische und zu letzten Konsequenzen. Daraus ergibt sich die für das christliche Leben in seiner Totalität fruchtbare Erkenntnis von der Vollwertigkeit der einzelnen Glieder über alle Verschiedenheit der Stellungen und Ränge hinweg. Die Kirche wird wieder als das Ursakrament erfahren, als Verkörperung des Heiles und der mittlerischen Gegenwart des Herrn. Ohne Zweifel hinkt die Praxis der Verkündigung dieser Wahrheit da und dort noch stark nach, die Botschaft von Jesus dem Christus klingt noch zuwenig vertraut, um sie dem Gläubigen mit seinem oftmals statisch-naturhaften Kirchenbegriff zur freudigen Gewißheit werden zu lassen; um die weite Kreise immer noch herrschende Zwangsvorstellung abzubauen: „Kirche — das sind die Pfarrer ...“ Von der Kirche als „Büro des lieben Gottes“ bis zur Kirche als „Fülle Christi“ (Eph. 1, 23) ist mehr als nur ein einziger Schritt zu tun; hier ist einfach existentiell umzudenken, das heißt, zu einem neuen Selbstbewußtsein durchzustoßen. — Kirche als das wachsende Ursakrament, das sich als Heilszeichen über Zeiten und Räume hinweg ausdehnt und darstellt;, ein lebendiges Ereignis. In das Zeichenwesen des Sakraments gehören Sichtbarkeit und alles Inkar-natorische der Kirche, ihr konkreter Selbstvollzug ebenso wie die unsichtbare Gnadenfülle. Im Vorgang der Ausdehnung dieses Ursakraments Kirche über die Welt — dies will hier nicht nur räumlich verstanden sein — erfolgt auch die wirksame Verkündigung des Heiles an die ganze Welt. Darum kann auch kein Weltbereich ausgeschlossen bleiben von diesem Vorgang in die kommende Herrlichkeit. Im Heilstum der Kirche gehen die Wege dem neuen Himmel und der ; neuen Erde eatgegeru Ein Zug hin zu den „letz-ten“ Ereignissen offenbart sich heute wieder in Kraft und Mächtigkeit, der eine echte Zukunftserwartung ohne falsche Illusion, eine aufgeschlossene Nüchternheit weckt. In diesem christlichen Realsinn liegt ein echtes Bekenntnis zur Welt, die — in Christus grundsätzlich aufgenommen (Eph. 1, 10) — diese neue Existenz erst allmählich zur Darstellung bringen muß. Hier wurzelt dieWeltaufgabedesChristen.

Von daher wächst das neue Laienbewußtsein, verbunden allerdings auch mit der Gefahr, die theologische Basis zu schmal anzulegen oder dem Weg eine ungenügende Fundierung zu geben.

Wie weit die Grazer Synode dieser Gefahr in ihren Vorarbeiten wirksam entgegentreten konnte, läßt sich im Augenblick wohl noch nicht feststellen. Der erste Teil des im Entwurf vorliegenden Synod alstatuts ist den „Theologischen Grundlagen“ gewidmet. Jenes uralte „Welt ist um der Kirche willen“ (Pastor Hermae, Vis. II, c. 4) oder anders gesagt: „Schöpfung als Heilsgeschehen“, liegt der ganzen theologischen Fundierung als Motiv vor, sonst wäre die innerweltliche Stellung von Kirche und Heil etwas rein Akzidentelles, das dem Menschen auch in der Erlösungsordnung niemals zum alleinigen Heilsgrund werden könnte. — Es wird eben aus diesen wiederentdeckten und in die „Theologischen Grundlagen“ der Synode aufgenommenen Verkündigungsinhalten für den Seelsorger die Aufgabe erwachsen, mehr denn je davon zu sprechen und in allen Weltbereichen den Glanz Christi aufzuweisen; eine Notwendigkeit, die ohne Zweifel zuerst den Verkünder der Frohe Botschaff betrifft. DieSynode wird dafür eine Sammlung der Wege sein und eine neue Aussendung der Wegbereiter. Sie erweist sich hier als das „Z u s a m m e n“ der Wege und zugleich als der unerläßliche A u s - W e g. Dies läßt sich allein schon der gründlichen Vorbereitung entnehmen. Die Fülle der Fragen wurde in zahlreichen Arbeitskreisen erarbeitet, in Aussprachen und Diskussionen, bei Pastoralkonferenzen und in regelmäßig zur Beratung zusammentretenden Kommissionen vertieft und dem religiösen Denken fruchtbar eingegliedert.

DIE PRAXIS

Die rechte Sicht von der in der Zeit erfolgenden Integration der Kirche wirkt sich nachdrücklich auch auf das Weltverständnis des Christen aus. Dieses Verstehen ist kein theoretisches, sondern ein höchst wirkliches Vermögen und Können, besser ein Bestehen der Welt und deren christliche Überwindung. Hier ist die Frage nach der christlichen Praxis verwurzelt. Diesen Wurzelgrund darf sie nicht verlassen. Kein anderer Grund besteht außer Christus (l. Kor. 3. 11.) Im Bemühen um die Welt (der alte „Kampf ums Dasein“!), das heißt um echte Bewältigung der uns aufgegebenen Seinsfrage, liegt auch die Erschließung des Heilsgrundes. Welt ist nicht ein naturhafter Bereich, isoliert neben der Übernatur. Durch Christus ist alles aufgenommen in die Heilsordnung, alles berührt von der Gnade; es gibt keine Nur-Natur. Durch Christus ist Arbeit mit Gebet im katholischen „und“ verbunden. — Um nur ein — leider viel zu selten zitiertes — Beispiel zu nennen: „Sie (die Frau) wird aber das Heil erlangen als Mutter ihrer Kinder, wenn sie im Glauben, in Liebe und Heiligung mit edler Zucht verharrt“ (1. Tim. 2, 15). Lebensaufgabe und Heilsaufgabe stimmen überein.

So wird das Thema „Der Laie in der Kirche“ zu einem Programm für die neue Welt. Zunächst wiederum ist das Programm dem österreichischen Katholiken gestellt, wo eine überstarke barocke Frömmigkeit Christus als Herrn und Haupt der Schöpfung und der Kirche ungenügend zur Kenntnis genommen und dafür den triumphierenden Himmelsgott auf den Thron über dem Altar (!) erhoben hatte. - Ein Christus redivivus ist Grundstein des modernen Kirchenbaues — nicht nur im rein architektonischen Sinn. Dieser Mittler, das ist der Mensch Jesus Christus (1. Tim. 2, 5), ist der Sammelpunkt aller echten Frömmigkeit. In Österreich sind dafür aber auch beste Voraussetzungen gegeben, wenn wir nur an die mit unserer Heimat untrennbar verbundene liturgische Bewegung denken. Hier setzt die Grazer Synode mutig fort und bedeutet keinen Abschluß, sondern Anfang und Ausweg.

Dies zeigt sich auch im zweiten Teil des Synodalstatuts, der überschrieben ist: „W i r k-bereiche des Laien.“ Eine Theologie der irdischen Wirklichkeiten ist erst im Kommen. Wir müssen reden lernen über die Welt und uns dabei klarwerden in einer von der bodenverhafteten Erfahrung des Alltags gelösten und diese transzendierenden Sprache, reden mit Gott, das heißt beten durch und für die Welt. Im vorsichtigen Vernehmen der Welt und im andächtigen Hinhören auf den Anspruch Gottes, der durch die Welt in Christus ergeht, wird sich das neue Beten und Glauben formen.

Noch sind auch dem mutigsten Ausschreiten unübersteigbare Grenzen gesetzt, die sich vor allem in der liturgisch-sakramentalen Daseinsbezeugung geltend machen, insbesondere im Verhältnis des Laien zur Eucharistie in Opfer und Opfennahl. Die Teilnahme ist in diesem Lebenszentrum der Kirche über erste Neuanfänge kaum hinausgekommen. Aus dem „Hören“ des Wortes ist bestenfalls nur ein „Mitlesen“ geworden, die Sakramentalität des kultischen Wortes jedenfalls noch nicht genügend herausgestellt und die Gegenwart des Herrn in der Weise des vom Liturgen unmittelbar verkündeten Wortes zugunsten der Monopolstellung der eucharistischen Gegenwart ziemlich unwirksam bedacht. In diesem Punkt wird sich die Synode mit all ihren Hoffnungen nicht zuletzt dem kommenden Ökumenischen Konzil überantworten.

Der dritte Teil des Synodalstatuts nimmt Stellung zum organisierten Apostolat und zu den besonderen Diensten des Laien in der Kirche. — Nicht nur hier geht die erregende Nähe der aufgeworfenen Fragen zur Situation und Problematik der getrennten Glaubensbrüder auf. Dies liegt nicht nur in der Äußerlichkeit der Funktionen (Laienführer in der Katholischen Aktion, Seelsorgehelfer und Seelsorgehelferinnen in der Pastoration). Die prinzipiellen Erwägungen dieses dritten Teiles können zum Ansatz für ein ökumenisches Gespräch werden, für ein Gespräch „über den Zaun“, der sich auf lange Strecken widersinnig aufgestellt hat. — Liegt hier nicht ein grbßartiges, göttliches Angebot vor, die brüderliche Struktur der Kirche herauszustellen, die bei uns landläufigen Vorstellungen von der „Aussonderung“ des Priesterstandes in die Grenzen der Rechtgläubigkeit zu verweisen, die neutestamentliche Auffassung der priesterlichen „Dienste“ unserem Volk wiederzugeben, so daß nunmehr der Dienst des Laien nicht mehr nur als Notlösung oder unterwertige Leistung aufgefaßt werden dürfte... ? In einem viel weiteren Maße als sonst wird man sich hier den Einfluß des fruchtbaren ökumenischen Gesprächs wünschen, wo es um die „amtliche“, das heißt im Namen und aus dem Wesen der Kirche kommende Beauftragung der Laien geht.

DER AUFTRAG DES WEGES

Wer den Mut hat, die Bewegtheit in ihrer ganzen Unmittelbarkeit aufzugreifen und zum Thema zu stellen, muß selbst des Weges kundig und mitten auf dem Wege sein. Eine Synode einberufen, wird immer Wegbereitung sein. Nicht nur darin liegt das Außergewöhnliche, daß ihr auch eine Repräsentanz von Laien zugehört. Daß aber durch die Laien „Welt in Christus“ unmittelbar teilnimmt und vertreten ist, zeigt ein neues Welt-Verständnis der Kirche, und zwar in einem durch religiösen Fortschritt sonst gerade nicht auffällig geprägten Land.

Bedarf es da nicht eines besonderen Sinnes für aktuelle Wege? Was immer an Fragen von ereignishafter Größe bei dieser Zusammenkunft der Diözese Graz-Seckau aufgegriffen und der Verwirklichung zugeführt werden mag: Die Synode selbst ist das Ereignis.

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