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Wege zur Erleuchtung

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M. Eliade ist als Autor religionswissenschaftlicher Werke bereits bekannt („Schamanismus und archaische Ekstasentechnik“, „Das Heilige“ u. a.). Mit diesem neuen Buche gibt er eine umfassende Darstellung des „Yoga“ und zugehöriger asketischer Techniken Indiens. — Mit Recht zweifelt der Autor, ob wir Europäer uns die Praktiken des Yoga aneignen können — soviel derzeit auch darüber geschrieben und gepriesen wird. Brücken vom Yoga zum europäischen Denken gibt es allerdings mehrere: beide befassen sich mit dem existentiellen Menschen, mit dem durch Zeitlichkeit und Geschichtlichkeit gesegneten und beladenen Wesen. Immer wieder stellt sich auf der Welt die Frage, wie wir i n dieser Zeit Lebenden in Zeit und Geschichte nicht nur nicht untergehen, sondern eine Form der Läuterung finden können. Was wir europäisch und christlich als geschichtliches Befinden erfahren, ist für den „Orientalen“, Maya: kosmische Illusion. Pie.Be-dingthjfejstfsfej,Ellenz muß, auft.^^äfr, ?.#•-genommen, zugleich aber das bleibende ffiesen des Menschen g*leln werden. Yoga versucht! im den.verschiedensten Techniken „Unsterblichkeit und Freiheit“. Die Übungen betreffen den ganzen Menschen: Körper, Psyche und Geist werden zu befreien versucht. Solche Freiheit scheint das Gegenteil von Leben zu sein: Unbewegtheit des Körpers, Rhythmisierung und Anhalten des Atems, Bewegungslosigkeit des Denkens und „Anhalten“, sogar „Rückkehr“ des Samens. Eliade nennt dieses Ziel ausdrücklich eine Verwandtschaft mit dem Toten und mit dem Gott; beide leben in solcher Freiheit von irdischem, zeitlich-historischem Lebenstrieb.

Wir sind geneigt, solche Praktiken als „Selbsterlösung“ abzulehnen. Wir wittern die „Gnosis“ hinter solchen religiösen Übungen. Wollten wir bei Yoga stehenbleiben, entkämen wir nicht dem Gnostizismus. Wenn wir Yoga als religionspsychologische Erfahrung langer Zeiten, vieler Völker, verschiedenster Ausprägung verstehen, haben wir ein sehr offenes System für die Konzentration vor uns. Was in unserer christlichen Religionspraxis nicht mehr bewußt ist, weil es nicht mehr in seiner allgemein-religiösen Struktur verstanden wird, ist als „Yoga“ in bewußter, gepflegter Übung geblieben. Zum Beispiel sind viele Formen des monastischen Gebetes und der klösterlichen Gepflogenheiten ähnlich und manchmal bis auf Details gleich dem, was der. Yogin zu seiner Konzentration tut. Es ist, als hätten wir über dem Offenbarungsinhalt vergessen, wie Menschen als Menschen und Geschöpfe überhaupt beten, das heißt sich sammeln auf die göttliche Gegenwart. Anderseits ist der religiöse Inhalt beim Yoga so gering und vage (mindestens für unsere christliche Vorstellung), daß wir meinen, religiöse Techniken ohne göttliche, transzendente Ziele vor uns zu haben, wenn wir Eliades Werk lesen.

Da kommt uns als Beispiel das Buch des Jesuiten Enomiya-Lassalle zu Hilfe, um die Überwindung des Gnostizismus. um Möglichkeiten, sogar Notwendigkeiten zu begreifen, uns mit den religionspsychologischen Erfahrungen des Orients zu beschäftigen.

„Zen“ Ist nicht „Yoga“. Zen ist eine Form, durch Meditation zur inneren „Erleuchtung“ zu kommen, die, in Japan betrieben, die Kultur und „Seele“ Japans bestimmend beeinflußt hat. Enomiya-Lassalle beschreibt, wie er selbst an solchen Meditationsübungen bei den größten Meistern Japans teil genommen hat und welche psychisch-moralischen, aber auch religiöse Werte er daraus zog. Die Anleitungen, die hier gegeben werden, sind vorsichtig nachzuahmen: es gehört der Mut dazu, sie dem Charakter und der Lebensgewohnheit des einzelnen anzupassen. Wer es mit einiger asketischer Anstrengung und mit Klugheit hier versucht, wird „mit der Zeit“ zu dem gelangen, was wir in der Mystik unter „Gebet der erworbenen Beschauung“ oder „Gebet der Ruhe“ meinen — vorausgesetzt, daß der Übende die Inhalte aus seinem Glauben setzt, wo der Japaner seine eigenen religiösen Anschauungen hat. So zeigt es sich, daß die psychischen Formen brauchbar sind, weil sie allgemein-menschlich sind, und daß die Inhalte solcher Übungen variieren, weil sie konfessionell sind. Im Religiösen gibt es Gemeinsamkeiten, während das Konfessionelle trennt.

Wenn wir mit solcher Bereitschaft zum Mittun, zum inneren Gebet, diese beiden Bücher, lesen, wer;-. Ien3 J*;.-^ht nur feinen Schaden, richte^fon£ dem dazu beitragen, daß wir Christen aus der über-etont moralischen Religiosität wieder in eine gans-heitliche gelangen: in einen Kontakt mit dem „Gott und Vater Jesu Christi“, wobei es wirklich um Gott und nicht um uns Menschen und unsere Seligkeit geht: die zu sehr anthropozentrische Haltung soll in die theozentrische übergehen.

Der religionshistorisch Interessierte wird in beiden Büchern auf seine Rechnung kommen. Besonders das Buch von M. Eliade ist eine Fundgrube und ein Beispiel wissenschaftlicher Höchstleistung. Die Erweite rung unseres Denkens durch Mit- und Nachdenken dessen, was andere Zeiten und Völker in anderen Kontinenten gedacht haben, wird uns in einet welt-, .pffenen; Gegenwart nur nützlich sein. Erfahrungen, ^an der ^ penschlichen Seele, mcjgen sie auch in anderen Begriffsgewänjiern auftreten, könnten mit unseren “eigeiien konfrontiert, ' ^sicf/tÄf' und gesichert werden. Nicht allein das Gewohnte ist wahr. Ob alt, ob neu, ob fremd oder gewohnt — im Religiösen sind jene Formen richtig und wahr, die uns zu Gott führen, die uns Freiheit zu Gott vermitteln; Die Freiheit i n Gott, die Freiheit des Geistes ist dann Gnade, Gabe Gottes.

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