Wegzeichen in die Zukunft

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Zum Dossier. Einerseits scheinen die Nachwuchszahlen beängstigend niedrig. Andererseits sind Orden - als "Experten" für Schulen, Krankenhäuser und spirituelle Angebote - nicht aus der Gesellschaft wegzudenken. Das Furche-Dossier versucht, einige Perspektiven für die Orden darzustellen - nicht zuletzt als "Energiespender" für die Seele.

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Zum Dossier. Einerseits scheinen die Nachwuchszahlen beängstigend niedrig. Andererseits sind Orden - als "Experten" für Schulen, Krankenhäuser und spirituelle Angebote - nicht aus der Gesellschaft wegzudenken. Das Furche-Dossier versucht, einige Perspektiven für die Orden darzustellen - nicht zuletzt als "Energiespender" für die Seele.

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Im Jahr 1994 fand in Rom eine Bischofssynode über das "geweihte Leben1 und seine Sendung in Kirche und Welt" statt. Im Schlußkapitel des nachsynodalen Schreibens finden wir zwei Fragen, die auch heute aktuell sind.

Die erste Frage: "Wozu diese Verschwendung?"

Es ist dies die Frage, die Judas stellt, als Maria die Füße Jesu mit kostbarem Nardenöl salbt (Joh 12,3). "Wozu soll das geweihte Leben gut sein?

Warum lassen sich Menschen auf diese Lebensform ein, wo es doch im Bereich der Nächstenliebe und selbst der Evangelisierung so viele dringende Notwendigkeiten gibt, auf die man auch antworten kann, ohne die besonderen Verpflichtungen des geweihten Lebens zu übernehmen? Ist das geweihte Leben nicht vielleicht etwas wie eine ,Verschwendung' menschlicher Kräfte, die, würde man einem Wirksamkeitskriterium folgen, für ein größeres Gut zum Vorteil der Menschheit und der Kirche nutzbar wären?" (104)2 Lohnt sich überhaupt dieser Verzicht auf Ehe und Familie und auf viele andere Werte persönlicher Lebensgestaltung. Diese Fragen stellt sich auch heute so mancher, wenn eine Frau oder ein Mann aus dem Bekanntenkreis in ein Kloster geht.

Die zweite Frage, die schon die heilige Theresia von Avila stellte, lautet: "Was würde aus der Welt, wenn es die Ordensleute nicht gäbe?"

Auf diese Frage gibt das postsynodale Schreiben eine fürs erste fast unverständliche Antwort: "Jenseits der oberflächlichen Zweckeinschätzung ist das geweihte Leben gerade in seinem Übermaß an Unentgeltlichkeit und Liebe von Bedeutung, und das umso mehr in einer Welt, die in Gefahr läuft, im Strudel des Vergänglichen zu ersticken." (105) Maria verschwendet das kostbare Nardenöl, weil sie ohne jedes Verdienst - unentgeltlich - die Liebe Jesu erfahren hat und diese erfahrene Liebe in Freiheit erwidert. "Von diesem verschwendeten Leben verbreitet sich ein Duft, der das ganze Haus erfüllt." (104) Die Kirche und die Welt braucht diese Zeichen radikaler, "unvernünftiger" Liebe. "Das Leben der Kirche und der Gesellschaft hat Menschen nötig, die fähig sind, sich ganz Gott und aus Liebe zu Gott den anderen zu widmen." (105) Geweihtes Leben lebt von der Liebe Mit diesen Worten ist zweifellos der tiefere Lebensgrund des "geweihten Lebens" angesprochen. Dies zeigt sich auch darin, daß in der Ordensliteratur oft die Worte des Propheten Jeremia zitiert werden: "Du hast mich betört, o Herr, und ich ließ mich betören." (Jer 20,7) Von Gott "betört", sich für alle möglichen Dienste am Menschen gebrauchen zu lassen, ist ein Grundphänomen authentischen Ordenslebens durch die christlichen Jahrhunderte. Es gibt auch gegenwärtig Aufbrüche im Rahmen der Orden, wo diese Torheit augenscheinlich sichtbar wird.

Das geweihte Leben lebt - man kann dieses abgegriffene, oft unverstandene und mißverstandene Wort kaum gebrauchen - von der Liebe: Von der Liebe Gottes zum Menschen und der Liebe des Menschen zu Gott; und von der Liebe der Menschen untereinander, die der Gottesliebe entspringt.

Daß eine solche Lebensform in einer Zeit der Gotteskrise, der Zweckorientiertheit und dem Streben nach augenblicklicher Nützlichkeit radikal in Frage gestellt und schwer lebbar ist, das ist offensichtlich.

Hat diese Lebensform des geweihten Lebens eine Zukunft?

Die Zukunft der Orden hängt sicher nicht von den Theologen und Strategen der Pastoral ab. Das Ordensleben wurde auch nicht von den Theologen erfunden. Es ist in der Kirche aufgebrochen! Es war einfach da. Die Theologen haben sich zu allen Zeiten schwer getan, es zu begründen und in das Ganze der Kirche einzuordnen.

Manche haben diese Lebensform als die Idealform des Christseins auf Kosten der übrigen Christen überhöht; andere haben das Ordensleben radikal in Frage gestellt, weil ohnehin alle Christen zur Heiligkeit und Vollkommenheit der Liebe berufen sind.

Die Zukunft der Orden und aller Institute des geweihten Lebens hängt vom Wirken des Heiligen Geistes ab und von der Fähigkeit von Christen, sich diesem Wirken zu erschließen. Das heißt nicht, daß alle bestehenden Orden und deren Werke Zukunft haben. Es gibt auch das Sterben von Orden, nicht deswegen, weil ihre Mitglieder so geistlos wären, sondern auch deswegen, weil das Leben von Gemeinschaften zu Ende gehen kann, wie das Leben des einzelnen zu Ende geht.

Drei Wegzeichen Wie immer die Zukunft ausschaut: ein neuer Aufbruch oder ein menschen- und christenwürdiges Sterben. Für alle Gemeinschaften, gibt es drei Wegzeichen.

Wir finden diese Wegzeichen in den Titelüberschriften der drei Kapitel des zitierten Schreibens "Vita consecrata".

Die Aufschrift des ersten Wegzeichens lautet: "Confessio Trinitatis" - "Bekenntnis der Dreifaltigkeit".

Am Ursprung des Ordenslebens steht eine verborgene "Initiative des dreifaltigen Gottes". Orden, die einen neuen Aufbruch wollen, aber auch solche, die ihren Weg menschen- und christenwürdig zu Ende gehen möchten, müssen sich für das Wirken des dreifaltigen Gottes offenhalten. Dies ist in einer Zeit der Gotteskrise keine leichte Aufgabe.

Die Verbundenheit mit dem dreifaltigen Gott ist eine ständige Quelle dieser Lebensform. Sie befähigt auch Gesprächspartner für jene zu sein, die auf der Suche nach Gott sind.

Die Aufschrift des zweiten Wegzeichens lautet: "Signum fraternitatis" - "Zeichen der Geschwisterlichkeit" Wir leben in einer Welt, die vielfach gespalten ist und unter Beziehungskrisen leidet. Gerade in dieser Welt, vertraut die Kirche "den Gemeinschaften des geweihten Lebens die besondere Aufgabe an, die Spiritualität der Gemeinschaft vor allem innerhalb der eigenen Gemeinschaft und dann in der kirchlichen Gemeinschaft und über deren Grenzen hinaus dadurch zu stärken, daß sie vor allem dort, wo die heutige Welt von Rassenhaß oder mörderischen Wahn zerrissen ist, den Dialog der Liebe eröffnet bzw. immer wieder aufnimmt." (51) Die Probleme des Zusammenlebens im alltäglichen Leben; aber auch auf internationaler Ebene, von Gott her zu bewältigen und in zeichenhafter Weise in der Kirche und Gesellschaft Gemeinschaft zu leben, ist ein Weg, der in die Zukunft führt.

Die Aufschrift des dritten Wegzeichens lautet: "Servitium Caritatis" - "Dienst der Liebe".

Die Dienste, die von den Orden tatsächlich in aller Welt geleistet werden, sind sehr vielfältig: Option für die Armen, die Sorge um die Kranken, Präsenz in der Welt der Erziehung, Verkündigung des Evangeliums in christlichen und nichtchristlichen Ländern etc.

Durch all diese Dienste soll die Liebe Gottes in der Welt sichtbar werden. Dies kann auch durch eine überalterte Gemeinschaft, wo Schwestern oder Brüder zusammenleben, die ihr ganzes Leben in den Dienst ihrer Mitmenschen gestellt haben, in überzeugender Weise geschehen.

Wegzeichen haben es in sich, daß sie nur die Richtung weisen: den Weg aber, der zu begehen ist, den beschreiben sie nicht. Trotzdem kann man sich auf sie verlassen, auch wenn der Weg steil und steinig wird.

Wer ihnen folgt, darf hoffen.

Der Autor, Redemptoristenpater, ist Bischofsvikar für die Orden in der Erzdiözese Wien.

Anmerkungen: 1) Im Beitrag ist oft die Rede von "Instituten des geweihten Lebens". Das ist der offizielle Begriff, der die verschiedenen Gemeinschaften (Orden, Kongregationen, Säkularinstitute) zusammenfaßt.

2.) Die Zahlen beziehen sich auf die Kapitel im zitierten päpstlichen Schreiben "Vita consecrata".

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