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Weihediakonat — so oder anders?

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Die Wiener Pastoralzeitschrift „Der Seelsorger” ließ 1958 ein mit apostolischer Wärme geschriebenes Sonderheft erscheinen mit dem Titel: „Geschult, geformt, geweiht.” Darin bringt ein weitschauender Laie, Karl Böhmerle, „Anregungen zur Diskussion über das Weihediakonat”. Da die heilige Kirche zu diesem sicher sehr zeitgemäßen Anliegen noch nicht Stellung genommen hat, kann der Kritiker nur nach seiner persönlichen Ueberzeugung sich darüber äußern.

Richtig gesehen ist von Böhmerle die Lage der Kirche in Oesterreich (S. 3), wenn auch die Feststellung, daß nur 20 Prozent der Katholiken von der Kanzel aus noch angesprochen werden, wohl für viele Bezirke, aber doch nicht für alle gilt. Richtig sind sicher auch die Darlegungen über die konkreten Aufgaben und vorhandenen Möglichkeiten des Laienapostolats in den Pfarrgemeinden (S. 5 bis 8). Sehr zu begrüßen ist es, daß eine planmäßige theologische Schulung und aszetische Formung als unabdingbare Voraussetzungen für ein tiefergehendes Wirken des Laien in der Katholischen Aktion erkannt und dringend gewünscht werden (S. 8 bis 11, 18 bis 20), besonders für den geweihten Hilfsseelsorger (S. 23), wobei aber die für den nicht hauptberuflichen Diakon geforderte Doppelausbildung recht problematisch zu sein scheint (S. 25). Doch unbestreitbar bleibt, daß nur von einem vertieften Glaubenserkennen und -erleben ein vertieftes Glaubensstreben zu hoffen ist. Es darf eben nie übersehen werden, daß die Nachfolge Christi im Leben und Wirken auf einer übernatürlichen cbene liegt und darum nach Christi Vorbild wohl auch erarbeitet, aber vor allem erbetet und eropfert werden muß (S. 25).

Richtig gesehen werden auch die Bedeutung des Gemeinschaftslebens der Seminaristen für den späteren geistigen und geistlichen Halt des Hilfsseelsorgers (S. 25), der Wert des Filialdiakons, besonders in den Missionsländern (S. 22), und die Schwierigkeit der notwendigen „Umformung” des Laien im Mannesalter (S. 25). Hinsichtlich der Stellung des hauptberuflichen und nebenberuflichen Diakons wäre noch zu bedenken, daß nicht für beide die gleiche Ausbildung und Formung genügen könnte (S. 24). Unbegründet dürfte die Sorge sein, daß das Weihediakonat zu einer „Klerikalisierung” der Katholischen Aktion führen könnte (S. 25). Nicht ganz überzeugend wirkt die Begründung der Hoffnung, daß der geweihte Arbeiterdiakon weniger Krisengefahren ausgesetzt sein würde als der Arbeiterpriester (S. 22). Gut begründet wird endlich auch der Wunsch nach Wiedererweckung der niederen Weihen und nach Einführung eines beruflichen Weihediakonats, das allerdings zölibatfrei gedacht ist (S. 11 bis 18). Dabei fällt aber auf, daß das Subdiakonat nicht genannt wird, obschon es eigentlich das geschichtlich gewordene Verbindungsglied zwischen den niederen kirchlichen und den höheren sakramentalen Weihen des Ordo darstellt Die Seelsorgehelfer sollen die niederen Weihen empfangen (S. 15 bis 17). Als ihre Aufgaben werden vor allem genannt der Mesnerdienst, die geistliche Krankenbetreuung, der Vorlese- und Vorbeterdienst sowie der Dienst der Akolythen oder Ministranten. Könnte nicht auch der Organistendienst irgendwie eingereiht werden? Da sich die genannten Aufgaben selten scharf werden trennen lassen, könnte wohl auch die Reduzierung der vier niederen Weihen auf eine einzige in Erwägung gezogen werden? Es wäre eben die Weihe der Seelsorgehelfer. Könnten nicht sinnvoll dem zölibatfreien Subdiakonat die sicher wesentlich höhere Stufe des Kirchendienstes, „der Dienst am Wort”, also die Laienkatecheten und -theologen, zugewiesen werden?

Ein wohlüberlegtes Abwägen der Gründe pro und kontra wird notwendig sein, ehe man sich für ein Weihediakonat ohne Zölibat wird entschließen können. Der erfahrene Priesterbildner dürfte wohl nicht ganz einverstanden sein mit der Hoffnung, die der Autor auf solche Diakone setzt, wenn sie nur deshalb dem Priestertum fernbleiben und sich für das Diakonat entscheiden, weil sie nicht den Mut und die Kraft zum Zplibat aufbringen. Denn solche jungen Männer, die den Ruf zum Priestertum in sich fühlen, aber nicht ehelos bleiben können, werden gewöhnlich genau geprüft werden müssen, ob sie sich physisch oder psychisch ganz glücklich entwickelt haben und ganz einwandfreie Voraussetzungen für ein zölibatfreies Diakonat mitbringen. Wenn sie sich aber für dieses deshalb entscheiden, weil sie nicht ehelos leben wollen, bleibt zu fürchten, daß sie der geistigen Seite des Zölibats so fernstehen, daß das „Divisus est” des heiligen Paulus (1 Kor 7, 3 3) kaum jene dauernde Hingabefähigkeit an die Sache Christi erhoffen läßt, die für ein hauptberufliches Diakonat unerläßlich zu sein scheint. Daß eine solche Besorgnis unbegründet ist, könnte wohl nur durch eine längere gegenteilige Erfahrung bewiesen werden.

Viel eher dürfte die Kirche sich entschließen zu einem zölibatfreien. Subdiakonat, als zur Einführung des verheirateten Diakons, weil dieser durch tie Weihe schon am sakramentalen Charakter des Ordo teilnimmt und ihm auch der Dienst an der Eucharistie übertragen werden soll. Für ein eheloses Diakonat könnten aber in Frage kommen der im Pfarrhaus wohnende, mehr „innerkirchliche”, für das Priestertum nicht genügend ausgebildete hauptberufliche Hilfsseelsorger und der Priesterkandidat, der sich nach vier- bis fünfjähriger theologischer Ausbildung zwei bis drei Jahre als Diakon unter der Leitung eines Pfarrers in der Verbindung mit der Welt erproben könnte, um dann nach Abschluß eines letzten Studienjahres zum Priester geweiht zu werden. Neben Katechese und außerliturgischen religiösen Unterweisungen, Kinder- und Jugendführung, Mithilfe in der Pfarrkanzlei und bei karitativen Aufgaben könnten einem solchen Diakon, wenn er Priesterkandidat ist, auch Predigt, Taufe, Kommunionausteilung und eucharistischer Segen als Aufgabenkreis zugewiesen werden. Ob einem solchen Diakon die Kirche eine erleichterte (rechtliche) Reductio ad statum subdiaconatus, das nicht ehelos wäre, ermöglichen könnte und wollte, läßt sich schwer voraussehen und -sagen. Sicher könnte so ein nicht genügend geprüftes Hineingedrängtwerden einzelner Priesterkandidaten in einen unabänderlichen Beruf mit all seinen folgenschweren Auswirkungen für ihn und das Gottesreich leichter hintangehalten werden. Für ein eheloses Diakonat dürfte auch noch sprechen das beinahe zweitausendjährige Bestreben der Kirche, den „Klerikern” durch Befehlung oder Empfehlung einer zeitgemäßen vita Communis mit der Sorge für ein hochwertiges klerikales Leben auch ein hochwertiges klerikales Wirken zu sichern. Beiden Gruppen von Hilfsseelsorgern, den verheirateten Subdiakonen und noch mehr den ehelosen Diakonen müßte auch ein Teil des priesterlichen Pflichtgebetes zugewiesen werden.

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