Weihnachten geschieht nicht irgendwo

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Das Wort ward Fleisch", Gott inkarnierte sich in Jesus von Nazareth. So glauben wir Christen. Er wurde konkret, anschaulich, berührbar, verletzlich, sterblich. Er wurde Mensch, ein Mensch, ein bestimmter Mensch. Also Jude, aufgewachsen und erzogen in seinem Volk, geprägt von seinem Glauben in seiner Zeit.

Er wurde also nicht Mensch im allgemeinen, nicht Menschheit. Auch nicht göttlicher Mensch. Christen bekennen ihn als Gottes Sohn, als wahren Gott und wahren Menschen, ungeteilt und unvermischt, eben nicht als göttlichen Menschen. Die sperrigen altkirchlichen Dogmen halten sehr genau die konkrete Menschlichkeit dieses Jesu fest, versuchen zu verhindern, daß dieser konkrete Mensch in göttliche Höhen abgedrängt wird. Das ist ihnen auf Dauer nicht gelungen, ein göttlicher Mensch ist den Frommen immer noch lieber. Er stört weniger. Und man braucht dann nicht an das Jude-Sein dieses Jesus zu denken.

In ihm gesellte sich Gott den Menschen zu. Auch nicht allgemein, wiederum konkret. Er wurde im Stall geboren und nicht im Palast, auch nicht in einer Kathedrale. Die gute Gesellschaft hatte keinen Platz für ihn in ihrer Welt. Er hielt sich zu den Sündern und Zöllnern. Er wurde als Fresser und Weinsäufer bezeichnet und hatte keinen festen Wohnsitz. Als Kind war er Flüchtling. Er wurde als Gotteslästerer verurteilt. So solidarisierte er sich mit allen Verdammten dieser Erde, den Armen, den Flüchtlingen und Verfolgten.

Die doppelte Konkretheit bringt in die Christologie eine eigenartige Spannung. Der sich allen Leidenden Solidarisierende sprengt die historische Konkretheit des Juden Jesu. Afrikaner sehen in ihm ihren afrikanischen Bruder, zurecht. Diese Spannung muß aber ausgehalten werden und theologisch reflektiert. Die Universalität der Zuwendung Gottes zu den Menschen darf die historische und gesellschaftliche Konkretheit nicht zum verflüchigen bringen, und umgekehrt. Die Theologie, ja selbst Weihnachten ist nun einmal eine sehr anstrengende Sache, nichts für die Vereinfacher.

Daran sollte man denken, auch bei Kerzenschein und Tannenreisigduft.

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