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Weiterhin ehelose Priester?

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Wie steht es heute um die Zölibatsfrage? Sie wurde während des II. Vatikanischen Konzils offen gestellt und ist nach dem Konzil nicht mehr zur Ruhe gekommen. Der Ruf nach der Freigabe der Diskussion über den Zölibat wird immer lauter. Bis jetzt wurde ja diese Diskussion nicht offiziell, sondern nur am Rande der anderen Diskussionen über die Erneuerung der Kirche geführt. In den amtlichen Äußerungen hält die Kirche jedoch am Zölibatsgesetz unerschütterlich fest.

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Wie steht es heute um die Zölibatsfrage? Sie wurde während des II. Vatikanischen Konzils offen gestellt und ist nach dem Konzil nicht mehr zur Ruhe gekommen. Der Ruf nach der Freigabe der Diskussion über den Zölibat wird immer lauter. Bis jetzt wurde ja diese Diskussion nicht offiziell, sondern nur am Rande der anderen Diskussionen über die Erneuerung der Kirche geführt. In den amtlichen Äußerungen hält die Kirche jedoch am Zölibatsgesetz unerschütterlich fest.

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In manchen Läradeirn wurden Mei-nungsbefragiuinigen unter den Priestern angestellt, um den Prozentsatz derer zu ermitteln, die eine Änderung ■des Zölibatsgesetzes wünschen. Die Diskussionen, die anfänglich in aggressiver und emotionaler Weise geführt wurden und eher dazu geeignet waren, die allgemeine Stimmung gegen das kirchliche Zölibatsgesetz anzuheizen, werden langsam sachlicher. Wir verweisen auf den Bericht der Zeitschrift „Oonoilium“, 5. Jahrgang, Heft 3 (S. 222 bis 259), der einen Überblick über den gegenwärtigen Stand der Zölibatsdiskussion bringt, und aiuf einen Artikel der „Orientierung“, 39. Jahrgang, Nr. 9 und 10 (S. 110 ff. und S. 115 ff.), in dem Waldemar Mdlinski in sehr sachlicher Weise das Problem „Zölibat als Charisma und Institution“ behandelt.

Der Zölibat und die gesajntkirchliche Situation

Das Zöllbatsproblem ist für die Gesamtkirche nur von sekundärer Bedeutung, denn für sie bleibt nach wie vor dem Konzil die Erneuerung der Kirche an Haupt und Gliedern im Geiste des Evangeliums das eigentliche Ziel. Die Grundthemen der kirchlichen Erneuerung ergeben sich aus dem vertieften Kirehenlhild des Zweiten Vatikanischen Konzils. Es sind dies die Frage der innerkirchlichen Strukturen, die sich aus dem tieferen Verständnis der Stellung des Laien ergeben, und die Vielheit der Fragen, die sich aus der Verwirklichung des ökumenismus steilen. Wenn das auch Konsequenzen für den Priester hat, so ist doch das Zölibatsproblem in diesem Zusammenhang ein sehr untergeordnetes. Für den einzelnen Priester kann es aber ein sehr zentrales Problem werden.

Bedacht muß auch werden, daß der durch das Zölibatsgesetz bestehende Zustand nicht einfach durch gesetzliche Maßnahmen geändert werden kann, wenngleich die Änderung des Gesetzes die Grundlage für eine neue Entwicklung bildet. So wie die allgemeine Zölibatsverpflichtung nur durch eine lange Entwicklung entstanden ist, kann auch eine Ände-

rung nur in einer langsamen Entwicklung erwartet werden. (Zur Geschichte des Zölibats vergleiche man Georg Denzler, „Zur Geschichte des Zölibats“. Stimmen der Zeit, Juni 1969.)

Auch heute noch Tabuisierung der Zölibatsfrage?

Das Zweite Vatikanische Konzil hat sich zwar eindeutig für die Beibehaltung des Zölibatsgesetzes aussprechen (Dekret „Uber Dienst und Leben der Priester“, Nr. 16). In der Enzyklika „Über den priesterlichen Zölibat“, vom 24. Juni 1967, hat Papst Paul VI. eingehend die Argumente

für die Beibehaltung des Zölibates zusammengetragen. Man hat zwar die Breite und manigelede Einheit des Textes dieser Enzyklika etwas beklagt, das trifft aber nicht auf die Argumentation selbst zu. Anderseits hat das Zweite Vatikanische Konzil die Weiihestuife des Diakonates wiederum als selbständiges Amt in der

Kirche hergestellt und auch verheirateten Männern den Zugang zu diesem Amt geöffnet. (Konstitution „Uber die Kirche“, Nr. 29, Dekret „Über die Ostkirche“, Nr. 17, Dekret „Über die Missionstätigkeit der Kirche“, Nr 16.) Ferner hat man Schritte getan, um die Laisierung der Priester, die ihr Amt niederlegen wollen, zu erleichtern. Diese Maßnahmen sind nicht unbedeutend. Wenn man dazunimmt, daß auch in der Priestererziehung der gesamtmenschliche Reifeprozeß viel stärker als bisher Berücksichtigung finden soll, dann kann man gewiß nicht sagen, daß die Kirche das Zölibats-probtlam einfach als Tabu betrachtet und jede Inifragestellung von vorneherein abschneiden will. Sind doch mit diesen Maßnahmen schon Wege beschritten zu einer Weiterentwicklung, die durchaus bedeutungsvoll sind.

Fruchtbare und unfruchtbare Diskussion über den Zölibat

Nun aber noch einmal zur Diskussion über den Zölibat des Priesters! Un-

brauchbar scheint uns für diese Diskussion jede einseitige Polemik gegen den Zölibat sowie auch jeder Versuch, auf plebLSzitäreim Weg eine Änderung des Zölibates zu erreichen. Dieser Weg kann keine Klärung des Problems bringen. Auch die einseitige Berufung auif die Schrift, aus der der Zölibat nicht begründet, noch das

Gegenteil bewiesen werden kann, ist unzureichend für eine fruchtbare Diskussion. Man muß schon in der Fragestellung tiefer gehen, wie es Molinski in dem bereits zitierten Artikel tut, wenn er drei Fragen stellt:

• Inwiefern ist zölibatäres Leben heute sinnvoll? Das ist die Frage nach dem Sinn der Jungfräulichkeit.

• Inwiefern ist das jungfräuliche Leben wesensgemäßer Ausdruck des priesterlichen Lebens?

• Auf welche Weise ist das zöliba-täre Leben angesichts der bestehenden gesellschaftlichen Verhältnisse und auf Grund der dargelegten Interpretation der evangelischen Räte und der Gelübde institutionell zu verankern?

Es müssen also alle Argumente für wie auch gegen die Beibehaltung der allgemeinen Zölibatsverpflichtungen

genau geprüft und gegeneinander abgewogen werden. Auch zwischen dem bonum privatum des einzelnen Priesters muß ein gerechter Ausgleich gefunden werden. Die verschiedenen Aspekte der Zölibatsfrage: der theologische, der anthropologische und der soziologische, dürfen nicht getrennt, sondern müs-

sen miteinander gesehen werden. Ein genaues Studium dieser Fragen kann sowohl zu einem vertieften Verständnis des Priestertams und der priesterlichen Lebensweise wie auch zur Lösung der Zölibatsfrage beitragen.

Es ist durchaus zu begrüßen, daß die Zölilbatsfrage theologisch neu gestellt wird. In der Erziehung der Priesterkandidaten zum Zölibat wurden %isher fast ausschließlich nur jene '^Verhaltensweisen betont, die zur Bewahrung des Zölibates helfen sollten — non sotos cum sola usw.

Der Zölibat wurde also durch Verbote und verbotsähnlichie Ratschläge geschützt. Kaum aber wurde über die positive Sinnhaftigkeit des Priesterzölibates im Zusammenhang mit dem Ideal der christlichen Ehe ausreichend gesprochen. Dies mag dort genügt haben, wo ein tief religiöser Geist das Ideal der Jungfräulichkeit hoch geschätzt hat. In unserer Umwelt ist aber dieser Geist wohl fast zur Gänze verlorengegangen. Daher ist es zu begrüßen, wenn Molinski in dem oben zitierten Artikel eheliche und ehelose Keuschheit gegenüberstellt und auch betont, daß auf Grund der allgemeinen Verpflichtung, nach christlicher Heiligkeit zu streben, beide Wege zu diesem Ziele führen. Der einzelne Mensch muß sich also für den einen oder anderen Weg bewußt entscheiden. Dazu muß er aber die innere Sinnhaftigkeit des zu wählenden Weges erfaßt haben. Da der Priester in besonderer Weise verpflichtet ist, nach christlicher Vollendung zu streben, anderseits aber diese sowohl in der Ehe wie auch im Stand der Jungfräulichkeit erlangt werden kann, sieht Molinski keine Schwierigkeit in der Auflockerung des Zölibats-gesetzes.

Die Diskussion darüber ist wohl lange nicht zu Ende, sie wird aber sowohl zu einem vertieften Verständnis eines ehelosen Priestertums wie auch au einer klaren Antwort für jene führen, die die algemeine Zölibatsverpflichtung des Weltpriesters in Frage stellen. So könnte man der Diskussion über den Zölibat einen positiven Sinn geben und über sie zu einem vertieften Verständnis der priesterlichen Existenz gelangen. Es ist zu hoffen, daß die Auseinandersetzungen über das Zölibatsgesetz diesen positiven Verlauf nehmen werden.

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