Weltgeschichte in Kuba

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Was ist anders geworden seit jenem Tag zu Jahresbeginn, als ein alter gebrechlicher Mann in der Sixtinischen Kapelle gestützt werden mußte, um nicht zusammenzubrechen? "In - sagen wir - ein, zwei Jahren", formulierte vor wenigen Tagen ein bekannter deutscher Theologe im Gespräch, "ist dieser Pontifikat zu Ende." Die biographischen Prognosen geben Johannes Paul II. nur noch eine kurze Zeitspanne.

Hinfälligkeit war für den Papst kein Grund dafür, nicht noch einmal eine historische Reise anzutreten: Kuba wurde binnen kurzem vom exotischen Inselstaat mit einem "veralteten" marxistischen Regime zu einem Blickpunkt der Welt - besucht und gewürdigt von dem Mann, der als große Gestalt hinter dem Fall des Kommunismus gilt. Johannes Paul II. mit Fidel Castro: ein letzter politischer Anachronismus des 20. Jahrhunderts?

Nicht nur ein physisches Lebenszeichen war dieser Papstbesuch. Auch die geschichtliche Dimension war anders als bei früheren Reisen des Papstes ins damals kommunistische Osteuropa. Denn der Marxismus von 1998 ist unbedeutend, vergleicht man ihn mit 1979, als Johannes Paul II. erstmals als Papst Polen besuchte. Das mag jene Kubaner, die unter den Menschenrechtsverletzungen ihres Regimes leiden, wenig trösten. Der Papst prangerte denn auch diese Situation an - und fand ebenso harte Worte gegen den desolaten Zustand vieler kubanischer Familien und die große Zahl an Abtreibungen.

Aber Kuba ist arm und leidet auch an der wirtschaftlichen Isolierung durch die USA: Nie hat Johannes Paul II. sich gescheut, materielle Not sowie deren Ursachen anzuprangern. Mindestens ebenso rigoros wie in der Sexualmoral bringt er die soziale Frage aufs Tapet - so geschehen auch in Havanna.

Daß die Reise aber auch zur Begegnung zweier alter Männer geriet, die für gegensätzliche Glaubenssysteme - die einander gleichzeitig berühren und abstoßen - stehen, hat eine besondere geschichtliche Dimension: Deren Bedeutung ist zur Zeit noch nicht abzuschätzen.

Der polnische Papst erwies sich einmal mehr als Handelnder der Weltgeschichte - und ließ für den Moment jene kirchlichen Probleme vergessen, wegen derer er im reichen Europa weniger angesehen ist.

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