Weltliche Kirchenzeiten

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Öffentlichen Druck und Desinformation im Vorfeld des Konklaves beklagt das vatikanische Staatssekretariat: "Während in der Vergangenheit sogenannte Mächte, z.B. Staaten, die Wahl eines Papstes zu beeinflussen suchten, so versucht man heute dies durch öffentliche Meinung zu erreichen“, so das Kommuniqué wörtlich. Der Druck trüge dem geistlichen Aspekt des kirchlichen Ereignisses nicht Rechnung.

Keine Frage: Die Öffentlichkeit spielte wahrscheinlich kaum je eine solche Rolle wie in dieser Sedisvakanz. Zu viel ist in den letzten Jahren geschehen. Auch (und gerade) das Kardinalskollegium, das hinter verschlossenen Türen und in größtmöglicher Freiheit von äußeren Einflüssen seine Wahl treffen soll, bleibt dem zumindest mittelbar ausgesetzt.

Wahrhaftigkeit und Transparenz

Für den gläubigen Katholiken ist die geistliche Dimension der Papstwahl wesentlich. Damit ist vor allem das, was mit dem sprachlichen Bild "Wirken des Heiligen Geistes“ umschrieben ist, gemeint. Und der weht nach dem Zeugnis des Neuen Testaments, "wo er will“.

Auch wenn man also getrost auf die geistliche Dimension des Wahlvorgangs, der zum neuen Papst führen wird, vertraut, entbindet das den "irdischen“ Arm der Kirchenleitung keineswegs davon, Wahrhaftigkeit und Transparenz walten zu lassen. Doch das öffentliche Bild der in den Führungsetagen der katholischen Weltkirche scheint gerade davon wenig geprägt. Dass aber die Wahrheit "frei machen“ wird, ist ein jesuanischer Auftrag. Und hatte nicht Johannes Paul II., bekanntlich ein Seliger der katholischen Kirche, von der Kirche als "gläsernem Haus“ gesprochen? Auch davon kann zurzeit keine Rede sein. Ob die Kardinäle wollen oder nicht, die öffentliche Kritik an diesen Vorgängen wird - und muss - das Konklave sehr wohl beeinflussen.

Man darf das katholische Fußvolk nicht für dumm verkaufen und so tun, als ob mit der Verurteilung des päpstlichen Ex-Kammerdieners etwa die VatiLeaks-Affäre geklärt sei. Man muss auch darauf hinweisen, dass große Lobbys eines strikt konservativen Kirchenkurses desavouiert sind. Die mächtige italienische Bewegung "Communione e liberazione“ wird da der Verstrickung in Finanzskandale geziehen und die in Mexiko gegründeten "Legionäre Christi“, die sich zeitweilig zur weltweit größten Priesternachwuchsreserve und zu einem der finanziell potentesten Netzwerke der Kirche gemausert hatten, wurden durch den bewiesenen langjährigen sexuellen Missbrauch ihres Gründers in eine weltlichen Abgrund gezogen.

Katharsis auch an Kirchenspitze?

Das Missbrauchs-Thema lässt das Konklave bis heute nicht los. Ein britischer Kardinal wird nicht anreisen, weil er sich diesbezüglichen Vorwürfen stellen muss, ein - als Erzbischof mittlerweile emeritierter - amerikanischer Kardinal wurde erst vor wenigen Wochen von seinem Nachfolger aller öffentlichen kirchlichen Funktionen enthoben (ein bis dato unerhörter Vorgang), weil er jahrelang Missbrauchstäter geschützt habe. Vorwürfe in diesem Themenkreis belasten auch einen belgischen Konklaveteilnehmer ebenso wie den irischen Kardinal, der vor kurzem durch die Ernennung eines Koadjutors, vom Papst diesbezüglich "gemaßregelt“ wurde.

Man soll hier zwar weder pauschal noch undifferenziert urteilen, aber klar ist: An der Kirchenspitze müsste Katharsis angesagt sein. Ob das nun durch einen Insider als Papst, der die vatikanischen Couloirs gut kennt, besser zu managen ist oder gerade durch einen Mann von ganz außerhalb, ist eine der Fragen, die dem Konklave überantwortet sind.

In ihrer weltlichen und skandalgeschüttelten Dimension ist die katholische Kirchenspitze in der Moderne angekommen. Sie wird diese Probleme aber nicht mit Methoden aus der Feudalzeit oder dem Absolutismus lösen können. Bei aller geistlichen Dimension stehen dem nächsten Pontifikat schwierige "weltliche“ Zeiten bevor.

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