Weltoffen, von Ökumene überzeugt

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Mit dem Tod von Karekin I. verliert auch die katholische Kirche einen der wichtigsten ökumenischen (Gesprächs-)Partner.

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Mit dem Tod von Karekin I. verliert auch die katholische Kirche einen der wichtigsten ökumenischen (Gesprächs-)Partner.

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Es war ein Wettlauf mit dem Tod, der Papst Johannes Paul II. dazu trieb, den Katholikos Karekin I., Oberhaupt von 7,5 Millionen armenisch-apostolischer Christen, noch zu besuchen. Ursprünglich sollte der Papst Anfang Juli nach Armenien reisen. Da sich Karekins Zustand dramatisch verschlechterte, wollte der Papst Mitte Juni an seine Polenreise eine Kurzvisite beim Schwerkranken anhängen; er mußte jedoch selbst aus Krankheitsgründen zurückstecken. So plante dann Kardinal Edward Idris Cassidy, der vatikanische "Ökumene-Minister" am 2. Juli ans Sterbebett Karekins zu eilen, doch der Katholikos erlebte den Besuch nicht mehr: Am 29. Juni erlag das 66jährige armenische Kirchenoberhaupt seinem Krebsleiden.

Das leidenschaftliche Interesse Johannes Paul II. galt Karekin auch deswegen, weil bei den Armeniern und ihrem Oberhaupt die ökumenische Verständigung mit einer Ostkirche, ein Herzensanliegen des römischen Papstes, am weitesten gediehen war. Die armenisch-apostolische Kirche hatte sich 451 nach dem Konzil von Chalcedon von der allgemeinen Kirche getrennt. Erst nach dem II. Vatikanum wurde der Dialog zwischen Rom und den Armeniern wiederaufgenommen. Österreich spielte dabei eine wichtige Rolle: Bei den von der Stiftung "Pro Oriente" in Wien-Lainz veranstalteten Dialogrunden konnte in den siebziger Jahren eine Überwindung der wesentlichsten theologischen Differenzen erreicht werden.

Karekin hatte an dieser Entwicklung wesentlichen Anteil; er ist der "Schöpfer" der ökumenischen Bewegung innerhalb der armenischen Kirche. Zum II. Vatikanum fuhr er als Beobachter, 1975-83 war er Vizevorsitzender des Weltkirchenrates. 1983 wurde Karekin zum Katholikos von Kilikien im Libanon gewählt; 1995 kürte ihn die Synode zum Oberhaupt aller armenisch-apostolischen Christen, Karekin residierte seit damals im armenischen Etschmiadzin.

Höhepunkt der kurzen Amtszeit Karekins war im Dezmber 1996 sein Besuch bei Johannes Paul II. in Rom. Dort unterzeichnete er mit dem Papst eine gemeinsame Erklärung, in der frühere theologische Streitigkeiten bedauert werden und beide Seiten einander den "gemeinsamen Glauben und die Nachfolge im Apostolischen Amt" bescheinigen. Mit keiner Ostkirche konnte Rom bis dato eine derart weitgehende Übereinstimmung erreichen.

Karekins ökumenischer Einsatz blieb in seiner Kirche aber nicht unumstritten. Gegen die gemeinsame Erklärung mit Rom nahmen einige armenische Bischöfe Stellung, eine "anti-ökumenische" Bewegung, wie sie zur Zeit viele orthodoxe Kirchen erleben, entstand dadurch jedoch nicht. Auch bei der II. Europäischen Ökumenischen Versammlung in Graz 1997 war Karekin - im Gegensatz zu manchem Vertreter der orthodoxen Hierarchien - ein weltoffener und liebenswürdiger Gesprächspartner. Lächelnd scherzte er dort auf einem Pressegespräch über Fortschritte in der Ökumene: Immerhin sei es kein Problem mehr, daß ein armenischer Katholikos eine Pressekonferenz gemeinsam mit vier Frauen bestreite. Bei derselben Grazer Versammlung weigerte sich hingegen der russisch-orthodoxe Patriarch Aleksij II., bei einem Empfang mit Frauen an einem Tisch zu sitzen ...

Ein Österreich-Besuch Karekins kam nicht mehr zustande. Am 8. Juli wird er in Etschmiadzin zu Grabe getragen, frühestens in einem halben Jahr kann ein Nachfolger gewählt weren. Von diesem wird es stark abhängen, ob das beeindruckende ökumenische Engagement, wie es Karekin I. zeitlebens verfolgte, seine Fortsetzung findet.

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