Weltreligion Fußball?

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Millionen haben am vergangenen Sonntag das Finale der Fußballeuropameisterschaft verfolgt. Wahrscheinlich saßen mehr Menschen vor dem Fernseher als morgens in der Kirche. Der Fußball, so behauptet jedenfalls der Sportphilosoph Gunter Gebauer, sei die einzige wirkliche Weltreligion.

Vergleiche zwischen Religion und Sport sind nicht aus der Luft gegriffen, nicht nur weil das Ballspiel bei den Azteken eine religiöse Funktion hatte (und mit der Opferung der Verlierer endete). Wo wird heute noch mit solcher Inbrunst gesungen wie im Fußballstadion? Die Schlachtrufe der Fans haben geradezu liturgische Qualität. Fußballspieler werden als Idole vergöttert, und ihre Fans sind eine verschworene Gemeinde. Die Reisen zu den Spielen und Turnieren sind die modernen Wallfahrten, und rund um die Stadien blüht der Devotionalienhandel.

Parallelen liegen also auf der Hand. Dennoch bleibt die Frage, ob Fußball wirklich Religion ist, Religionsersatz oder doch nur die schönste Nebensache der Welt. Was wäre denn die religiöse Botschaft des Fußball, seine Erlösungslehre? Sepp Herberger, eine deutsche Trainerlegende, hat das Geheimnis des Spiels auf die lapidare Formel gebracht: Der Ball ist rund, und ein Spiel dauert 90 Minuten. Klingt so die Heilslehre einer neuen Religion?

Die Stars auf dem grünen Rasen bieten Identifikationsmöglichkeiten, lassen uns an ihren Siegen und Niederlagen teilhaben, stiften Identität und verhelfen ihren Fans zu einem sonst vielleicht mangelhaft entwickelten Selbstwertgefühl. Im Stadion können Aggressionen ausgelebt und kanalisiert - freilich auch geschürt werden. Eine überzeugende Botschaft gegen die Gesetze unserer Alltagswelt und ihrer Heillosigkeit aber verkündigt der Fußball nicht. Er lässt uns vielmehr in den Spiegel unserer Leistungsgesellschaft und ihrer Spielregeln schauen. Auch auf dem Rasen geht es vor allem um eines: um das große Geld.

Ulrich H. J. Körtner ist Professor für Systematische Theologie H.B. an der Evangelisch-Theologischen Fakultät der Universität Wien.

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