7096179-1994_46_06.jpg
Digital In Arbeit

Wenn „am Ort“ der Priester fehlt...

19451960198020002020

Prägt der „Blaulichtpfarrer“ das katholische Priesterbild der Zukunft, wenn die Gemeindeleitung zölibatären Männern vorbehalten bleibt?

19451960198020002020

Prägt der „Blaulichtpfarrer“ das katholische Priesterbild der Zukunft, wenn die Gemeindeleitung zölibatären Männern vorbehalten bleibt?

Werbung
Werbung
Werbung

Wo es „am Ort“ keinen Priester mehr gibt, und das ist immerhin schon in einem Viertel der österreichischen Pfarren der Fall (FURCHE 26/1994), stellt sich die Frage der Gemeindeleitung. De facto liegt sie (der Vorsitz bei der Eucharistiefeier ausgenommen) in einer zunehmenden Zahl von Gemeinden in den Händen eines Nicht-Priesters, de iure bleibt aber überall ein Priester, korrekt als „Mo-derator“ und nicht als „Pfarrer“ bezeichnet, Letztverantwortlicher.

So stellte die Österreichische Bischofskonferenz bei ihrer Herbsttagung klar, daß „auf der Grundlage derselben Sendung“ Laien und Priester „im Wesen verschiedene Dienste“ erfüllen. Und die Bischöfe betonten: „Gegenüber vereinzelt auftauchenden Meinungen, daß Laien als ,Pfarrgemeindeleiter“ oder auch als ,Laien-Pfarrer“ im Einsatz wären, sei deshalb eindeutig festgehalten, daß die Leitung einer Pfarrgemeinde vom Bischof nur einem geweihten Priester übertragen werden kann. Der Priester kann nicht ersetzt werden; nur er kann mit der Gemeinde die Eucharistie feiern, die Höhepunkt und Quelle des christlichen Lebens ist; allein der Priester kann das Sakrament der Buße und der Krankensalbung spenden.“

Um eine gründliche Betrachtung des Themas „Priesterlose Gemeinden“ war schon Anfang November der Katholische Akademikerverband Österreichs auf einem Studientag in Wien bemüht. Die Jungtheologen Markus Lehner (Linz) und Jakob Patsch (Innsbruck) wiesen auf mögliche Lösungen hin und stellten sich dann einer lebhaften Diskussion.

Vordergründig sieht Lehner zwei Auswege: entweder Verringerung der Pfarren oder Versuche, die Zahl der Pfarrer zu erhöhen. Im deutschsprachigen Raum spielten aber Extrempositionen keine Rolle - weder löse man Pfarren auf und lege sie mit anderen zusammen noch denke man an Änderungen bei den Zulassungsbedingungen zur Priesterweihe. Was versucht werde, seien „Zen-tralisierungsmodelle“ wie Pfarrverbände, in denen Teams, bestehend aus Priestern und hauptamtlichen Laien, mehrere Gemeinden gemeinsam betreuen, und Modelle der „Pfarrentwicklung“, welche auch kleine Pfarren in ihrer Eigenständigkeit erhalten wollen.

In Oberösterreich geht man schon seit Jahren und seit heuer mit einer eigenen vom Bischof erlassenen Rahmenordnung (die im Einklang mit dem Canon 517 des Kirchenrechtes steht) den Weg von „Pfarr

assistenten“, welche sich um alle pfarrlichen Äufgaben kümmern, nur die Letztverantwortung und natürlich die Leitung der Eucharistiefeier bleibt bei einem Priester. Derzeit üben in der Diözese Linz zwölf Personen, zehn Männer (sieben davon sind Diakone) und zwei Frauen, die Funktion von Pfarrassistenten aus. Sie werden, versichert Markus Lehner, im allgemeinen gut akzeptiert, teilweise ist sogar der Gottesdienstbesuch gestiegen.

PRIESTERDIENST AUSGEHÖHLT?

Für den Tiroler Jakob Patsch, der sich in seiner Argumentation besonders auf Karl Rahner stützt, haben solche „Notlösungen“ keine Zukunft. Für ihn bedeutet die Tätigkeit von „Quasi-Priestern“ - also von Menschen, die ohne Weihe de facto Gemeindeleiter sind - eine „Aushöhlung“ des priesterlichen Dien stes: „Der Priester wird durch eine derartige Praxis auf Sakramentenspendung reduziert und zum Kultfunktionär degradiert.“ Gemäß dem Zweiten Vatikanischen Konzil habe aber der Priester umfassende seelsorgliche Aufgaben, er sei „zur Verkündigung der Frohbotschaft, zum Hirtendienst an den Gläubigen und zur Feier des Gottesdienstes geweiht“, betonte Patsch.

Wortgottesdienste mit Kommunionausteilung könnten, so Patsch, zu einem defizitären Eucharistieverständnis und einer Geringschätzung der Gegenwart Christi im Wort führen. Seine Kritik gilt auch dem Umstand, daß Laien und Diakone (auch in der Krankenseelsorge) ihre seelsorgliche Tätigkeit „nicht zu ihrem eigentlichen Höhepunkt in den sakramtentalen Vollzügen führen“ dürfen, während der Priester auf die „Verwaltung der Sakramente“ fixiert werde. Diese Entwicklung sei für die Laien unbefriedigend, meint Patsch, der auch fragt, wer mit der Perspektive, als Priester mehrere Gemeinden als „Sakramentenspender“ versorgen zu müssen, noch Priester werden will.

Patsch postuliert: „Gerade wenn man die Sakramentenspendung in das gesamte Gemeindeleben integrieren will, wenn man die Sakramente als Höhepunkte und Artikulationen christlichen Gemeindelebens sieht, dann sollte man an der alten Tradition festhalten, Gemeindeleitung und Eucharistievorsitz nicht voneinander zu trennen.“ Die einzig konsequente Lösung besteht für ihn in der Anerkennung von De- facto-Gemeindeleitern männlichen und weiblichen Geschlechtes durch Ordination, also Weihe.

Patsch erstrebt, daß man den Zugang zum priesterlichen Amt auf vielfältigste Weise öffnet und als erste Schritte die Weihe von „viri probat! “ und die Wiedereinführung des Diakonates der Frau setzt. Seiner Meinung, das sei „nur gesamtkirchlich zu entscheiden“, fügte ein Diskussionsteilnehmer den Wunsch an, eine lateinamerikanische Bischofskonferenz sollte hier vorpreschen.

Einig schien man sich darüber, daß ein neues Miteinander von Priestern und Laien nötig ist und nicht nur unter dem Aspekt des Priestermangels gesehen werden sollte. Der Priestermangel biete allerdings eini- f;e Chancen zu einem Umdenken, nsofern sei das Linzer Modell, so engagiert es auch praktiziert werde, „systemstabilisierend“ und verlangsame Veränderungen.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung