Wenn die Macht bröckelt ...

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Eine provisorische Regierung führt derzeit die Amtsgeschäfte - doch mit welchem Amtsverständnis? Als Provisorium mit Ablaufdatum, das noch soviel wie möglich für Gesinnungsgenossen und eigene Klientel herausholen will? Rundruf in der "Vakuum-Republik".

Das Rüsten für neue Zeiten beginnt", beschreibt ein früherer Spitzenpolitiker die gegenwärtige Stimmungslage in Österreichs Ministerien. Und das "allmähliche Abbröckeln der Autorität" jener Minister ist eingeläutet, die aller Voraussicht nach ihr Amt abgeben müssen. Ab-, Um-und Aufrüsten in den einzelnen Ministerien - freilich mit unterschiedlicher Intensität, wie der Politik-Insider einschränkt: "Im Landwirtschaftsministerium herrscht sicherlich weiterhin ,business as usual', da wird sich ja kaum was ändern, doch im Sozial-oder Innen-oder Infrastrukturministerium schaut's anders aus."

Pattsituation abwarten

Alles wie gehabt, gilt aber nicht einmal im schwarzen Lebensministerium - "ein bissl nervös" ist man auch dort, ergibt die Nachfrage; Unsicherheiten erzeugen vor allem Befürchtungen, wie die Ressorts neu auf-und zugeteilt werden könnten: Die Umweltagenden weg? Oder gar alles unter ein Konsumentenschutzdach? Ansonsten wird jedoch weitergearbeitet wie bisher, heißt es von Beamtenseite: "Niemand hat nach dem Wahlsonntag den Bleistift fallen lassen!"

Die wörtlich gleiche Formulierung ist auch aus dem Kabinett des orangen Vizekanzlers zu hören. "Es wird mit vollem Elan im Sinne Österreichs weitergearbeitet wie bisher", sagt eine enge Mitarbeiterin von Hubert Gorbach. Das schließt nicht aus, fügt die Fachreferentin hinzu, "dass man Augen und Ohren für das private berufliche Fortkommen offenhält". Und: Auch in Wirtschaft und Industrie würden sich jetzt viele zurückhalten und diese "gewisse Pattsituation, wo viel blockiert ist, einmal abwarten".

An eigene Zukunft denken

Wie in der Öffentlichkeit der Eindruck entstehen konnte, der Vizekanzler und sein Team hätten sich gedanklich schon in die eigene berufliche Zukunft verabschiedet, erklärt Pressesprecher Claus Ferrari-Brunnenfeld: "Wir haben Sachthemen abgearbeitet und uns nicht marktschreierisch am Wahlkampf beteiligt." Mit der Präsentation der Ergebnisse des "Tempo 160"-Projekts will der Verkehrsminister jedoch im Oktober einen letzten wichtigen Akzent in seiner Amtszeit setzen.

An "Staatspraxis" halten

Beim Rücktritt der Bundesregierung vergangene Woche hat Bundespräsident Heinz Fischer die Amtseinsetzungsformel für die bis zur neuen Regierungsbildung mit den Amtsgeschäften betrauten Regierung Schüssel mit dem bedeutsamen Zusatz versehen: Die provisorische Regierung solle sich an die "Staatspraxis" halten und "weitreichende Weichenstellungen mit langfristigen Auswirkungen unterlassen". Gemeint ist damit vor allem die Besetzung von Posten in letzter (Regierungs-)Minute mit politischen Günstlingen.

"Schwarz/Blau/Orange war bei Postenvergaben nicht so korrekt, wie sie es anfangs als Abgrenzung zur vorangegangen Großen Koalition versprochen haben", sagt sogar ein ehemaliger Spitzenfunktionär der Volkspartei im Gespräch mit der Furche. Und weiter: "Die Versuchung ist auch jetzt da, und die Gefahr ist groß, mit schnellen Ernennungen noch Fakten schaffen zu wollen." - Ob und wie dieser Versuchung nachgegeben wird, hänge stark von der Anständigkeit und dem Charakter der betroffenen Minister zusammen. Mit dem mäßigen Abschneiden der Orangen bei der Wahl, meint der ÖVPler, "endet jedenfalls ein Zustand, der unnatürlich war - denn dem BZÖ wurde zuviel zugestanden". Aber an "Reperaturmaßnahmen wird schon gedanklich gewerkt!"

Postenschacher wie eh & je

"Es wird um jeden Posten geschachert werden wie eh und je", macht sich Hans Sallmutter gegenüber der Furche keine Illusionen darüber, wie auch zukünftige Koalitionen versuchen werden, ihren jeweiligen Einfluss durch Postenvergaben an Vertrauensleute abzusichern. Der ehemalige Chef der Gewerkschaft der Privatangestellten findet für die schwarz-blau-orangen Umfärbungen nur eine kurze Formel: "Unglaublich brutal!" 2001 wurde Sallmutter als Präsident des Hauptverbands der Sozialversicherungsträger gesetzlich aus dem Amt gejagt - die Aufhebung der Regelung durch den Verfassungsgerichtshof hatte nicht viel mehr Wert als den einer persönlichen Genugtuung.

Sallmutter berichtet von ihm bekannten Beamten des Innenministeriums, die "als Rote im umgefärbten schwarzen Ressort jeden Tag Angst hatten, in die Arbeit zu gehen". Im Sozialministerium, vermutet der Gewerkschafter, sei "alles weg", was einmal SPÖ war; und die "letzten Genossen verhalten sich so stromlinienförmig, dass kein Unterschied mehr zu erkennen ist". Mit der Berufsmoral des Berufsbeamtentums sei es da nicht weit her, kritisiert das auch in der Pension nicht sanfter gewordene Raubein: "Ich hätte mir da schon erwartet, dass man mit dieser beruflichen Absicherung ein bissl mutiger ist."

Sowohl im Ton als auch in der Sache steht Wolfgang Schallenberg in deutlichem Kontrast zu Hans Sallmutter: Der frühere Generalsekretär im Außenministerium hat in seiner Diplomatenlaufbahn unter 14 Außenministern gedient - "immer loyal", wie der Botschafter i.R. betont. Und diese Einstellung gelte nicht nur für ihn als parteifreien Beamten, sondern auch für parteigebundene Kollegen: "In der Außenpolitik kann man keine Bocksprünge machen." Schallenberg sieht den "Apparat" auch von politischen Umwälzungen in dieser "provisorischen Zeit" nicht betroffen: "Man arbeitet normal weiter - das sichert Kontinuität und ist ein großer Vorteil für Österreich."

Graue und weiße Elefanten

Kontinuität herrscht auch bei der politischen Einfärbung eines Ministeriums - zu diesem Ergebnis ist der Politikwissenschafter Wolfgang C. Müller, Professor am Mannheimer Zentrum für Europäische Sozialforschung, gekommen. Die Untersuchung der Ergebnisse bei Personalvertretungswahlen in österreichischen Ministerien zeigte, dass sich bei neuer politischer Führung die Beamtenschaft eines Ministeriums innerhalb von fünf Jahren lediglich um ein Prozent in ihrer politischen Ausrichtung ändert.

Ist die Durchdringung der Verwaltung mit Günstlingen demnach ein langwieriger Prozess, so hat doch jeder Minister in seinem engsten Umfeld erhebliche "Organisationsmacht": Zum einen werden Leitungsfunktionen heute nur mehr auf fünf Jahre vergeben, zum anderen können Minister neue Gruppen bilden und diese strategisch so zwischen Abteilungen und Sektionen ansiedeln, dass alle interessanten und wichtigen Abteilungen den vom Minister ernannten Gruppenleitern unterstehen.

Und die vom Vorgänger ernannten Spitzenbeamten werden zu "weißen Elefanten" degradiert? Nicht immer, meint Politologe Hubert Sickinger vom Institut für Konfliktforschung in Wien: "Meistens entstehen Elefanten mit mehr oder weniger weißen Flecken - je nachdem wie sehr entmachtet die Sektionschefs und Abteilungsleiter werden." Und so wie beim Regierungswechsel 2000 rechnet Sickinger auch dieses Mal damit, dass es zu keiner reibungslosen Übergabe von Ministerien kommt, denn "politische Verlierer sind sehr oft schlechte Verlierer".

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