Wer war David - und wer Goliath?

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Die Furche-Herausgeber

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Angstvoll saßen wir damals in einem Bunker von Tel Aviv. Es ging um Israels Existenz - und um unser eigenes Überleben. Hunderttausende arabische Soldaten standen an den Grenzen. Bereit, wie es hieß, "die Juden ins Meer zu werfen“. Dann aber kam der Jubelschrei: Israel hatte die Armeen seiner Nachbarn vernichtet. Zu Tausenden zerschmolzen ägyptische Soldaten unter glühender Sonne.

Genau 45 Jahre sind seit dem "Sechstagekrieg“ vom Juni 1967 vergangen, der den Nahen Ostens total verändert hat. Israel verdreifachte sein Territorium und stellte seine biblische Größe wieder her, einschließlich der alten Metropole Jerusalem.

Stolz und Bewunderung

Damals wurde der Mythos von "David und Goliath“ geboren - das kleine Israel hatte den arabischen Riesen besiegt und sich mit dem Sinai, Gaza, Westjordanland und Golan ein riesiges Glacis geschaffen. Damaskus, Kairo und Amman lagen jetzt in Sichtweite - dass Israel sie nicht eroberte, hatte nur mit seiner Angst vor der Kontrolle über viele Millionen Araber zu tun. Am Stolz über Davids Sieg von 1967 wärmten sich nicht nur Juden in aller Welt. Der ganze Westen zeigte seine Freude und Bewunderung.

Jetzt aber, 45 Jahre danach, gerät der Mythos ins Wanken. Alte Sitzungsprotokolle und vertrauliche Zitate israelischer Generäle enthüllen: Israelis und Amerikaner wussten damals genau, dass die Araber gar nicht zum Krieg bereit und fähig waren. Dass Israels Führung gar keine existenzielle Bedrohung fürchtete, wohl aber eine historische Chance sah, die Armeen der Nachbarn ein für allemal auszuschalten - und den Sowjets eine politische Niederlage zuzufügen.

Die Liste derer, die nun als Zeugen zitiert werden, umfasst das "Who is who“ des Judenstaates - spätere Staatspräsidenten, Ministerpräsidenten, Generalstabschefs … Darunter Israels Premier Menachem Begin: "Es war allein unsere Entscheidung, sie anzugreifen.“

Warum sind diese Enthüllungen wichtig? Nicht nur, weil es mit der Legende vom Angriff der Araber aufräumt. Sondern auch, weil es damals weitsichtige israelische Generäle gab, die in diesem Krieg den notwendigen Auftakt zu einem dauerhaften Nahostfrieden sahen. Erstmals würde Israel den Palästinensern Aug in Aug gegenüberstehen - und nicht mehr auf dem Umweg über Arabiens Machthaber. Erstmals konnte Israel auch das eben erkämpfte Land gegen echten Frieden den eingesessenen arabischen Bewohnern übergeben.

Versäumte Stunde des Friedens

Die eroberten Gebiete zu behalten, das sei gegen Israels Interessen, meinten die Generäle. Denn jede Besetzung provoziere Unterdrückung und Widerstand - gefährde den jüdischen Charakter Israels, die nationale Sicherheit und die Demokratie.

Die Geschichte gibt ihrer Sorge Recht: 45 Jahre später ist Israel zwar ungeteilt, aber zutiefst gespalten. Angst und Hass regieren und provozieren Gewalt. Jüdische Siedlungen tief in arabischem Land erzwingen Zäune, Minenfelder und diskriminierende Gesetze.

Der Sieg von 1967 wurde so zur versäumten Stunde des Friedens. Mit Verlierern auf beiden Seiten.

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