Werbung
Werbung
Werbung

"lechts" versus "rinks": Mit Ernst Jandl unterfütterte Anmerkungen zur sommerlich ausgebrochenen Ideologiedebatte.

Obiger Titel ist die letzte Zeile jenes genialen Gedichtes von Ernst Jandl, welches - lautspielerisch - längst zum Klassiker geworden ist: manche meinen / lechts und rinks / kann man nicht / velwechsern, so Jandls poetisches Diktum, das eben mit der Konklusion werch ein illtum! endet.

Man kann angesichts der sommerlichen Debatte um "rechte" und "linke" Politik nicht umhin, die Jandl-Worte ins Gedächtnis zu rufen. Denn allzu viele Aspekte zeigen, wie sehr sich ursprünglich eindeutige ideologische Konnotationen verschieben, sodass lechts und rinks durchaus als Metaphern gegenwärtiger Positionierungen herhalten.

Niemand sollte sich in dieser Diskussion bloß auf die aktuellen Wortmeldungen Erwin Buchingers verlassen. Dem Sozial-minister gelingt es mit einigem Geschick, sich mit Forderungen nach Lohnerhöhung für alle oder nach einem Papa-Monat medial zur Lichtgestalt für eine Gesellschaft sozialer Wärme (torpediert da ein SP-Mann endlich die Wahlversprechen von Gusenbauer & Co wieder in die Tagespolitik?) zu positionieren. Aber den Shooting Star taxfrei zum "Linkslinken" zu stilisieren, greift ebenso zu kurz wie eine "Wiederkehr des Marxismus" zu diagnostizieren, letzteres gleich in globaler Perspektive.

Viel eher wäre das Crossover "linker" und "rechter" Positionen zu beobachten, lechts und rinks sind also längst gang und gäbe: Es ist etwa längst nicht mehr reine Lehre der "Linken", zu beobachten, dass ein Staat, der fast ausschließlich die Erwerbsarbeit für seine Steuereinnahmen heranzieht, Unsummen an Vermögens- und Kapitalwerten links liegen lässt. Oder die Erkenntnis, dass das freie Spiel der Aktienkräfte doch nicht so selbstregulierend ist, wenn russischer oder chinesi-scher Staatskapitalismus nach Europas Familiensilber greift. Auch Andreas Treichl bekennt sich im Furche-Interview (Seite 9) zur gesellschaftlichen Verantwortung für Menschen, die nicht für sich selbst sorgen können; der Spitzenbanker wurde dafür in Prag als "roter Andi" gescholten …

Umgekehrt reihen sich "rote" Politiker in die Befürworter einer raschen Steuerreform ein, während nicht ideologiegefesselte "Schwarze" einer gemeinsamen Schule bis 14 etwas abgewinnen können. Dafür können jene, welche die SPler zeihen, den freien Bürgern immer mehr Staat überstülpen zu wollen, nicht genug Staat haben, wenn es darum geht, Asylwerber und "Fremde" ja nicht in die Nähe kommen zu lassen. Und "linke" Besitzstandswahrer sind die ersten, welche der Abriegelung des heimischen Arbeitsmarktes das Wort reden, anstatt zu begreifen, dass Europa nur dann zusammenwachsen kann, wenn die Gesellschaften durchlässig werde - so schnell wie möglich.

Die Liste der lechten und rinken Beispiele lässt sich fortsetzen. Im dieswöchigen profil wundert sich Herausgeber Christian Rainer, dass ein Wirtschafts-VPler die Caritas gallig als "Linke" apostrophierte. Und Rainer, linker Umtriebe unverdächtig, wagt selbst den Schluss: Die aktuellen Ideologiedebatten bedürften "intellektueller Anstrengungen" und gingen über "die Frage hinaus, ob Gott die christliche Nächstenliebe als linke Unterwanderungsstrategie" erschaffen habe.

Vielleicht hat der profil-Chef da (unbewusst?) den Knackpunkt angesprochen: Es könnte gut sein, dass die Kirche(n) sich in diese Auseinandersetzung einzubringen haben. Aber wenn diese das tun, in der Frage nach der globalen Gerechtigkeit ebenso wie nach sozialem Ausgleich hierzulande, stehen sie allsogleich als "Linke" da, zumal sie vordringlich die "Strukturen der Sünde" anprangern müssten, die zur globalen wie lokalen Ungerechtigkeit führen (den Ausdruck hat vor 20 Jahren Johannes Paul II. zum Schlüsselbegriff seiner Sozialenzyklika Sollicitudo rei socialis gemacht). Vielleicht habe sich die Kirche "zu sehr aus der Politik" zurückgezogen, meint sogar Kardinal Schönborn in seinem neuen Gesprächsbuch mit ORF-Talkerin Barbara Stöckl: "Zu Recht aus der Parteipolitik, zu Unrecht aus der Gesellschaftspolitik." Schönborns Wort in Gottes Ohr. Es könnte nur sein, dass die Kirche dann eben im "linken Eck" landet. Das wäre aber gut so. Und ein weiterer Beweis für Ernst Jandls Diagnose, wie leicht lechts und rinks auch heute zu velwechsern sind. Übrigens: Das Jandl-Gedicht trägt den Titel lichtungen. Auch dieser würde einer Auseinandersetzung im skizzierten Sinn wie angegossen passen.

otto.friedrich@furche.at

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung