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Wider alle Stachel

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Massenmorde der fundamentalistischen Islamisten, Diktatur islamischer Regierungen und Mißachtung der Menschenrechte, was man so aus der islamischen Welt an Nachrichten bekommt, ist nicht gerade erhebend. Andererseits gibt es Publizisten, die jede Kritik an der islamischen Welt als Ethno- oder Eurozentrismus oder gar Rest kolonialistischer Überheblichkeit verurteilen. Siegfried Kohlhammer hat sich in seinem Buch „Die Feinde und die Freunde des Islam” Texte der einen wie der anderen Seite vorgenommen, um Klarheit zu schaffen.

Er hat wenig Sympathie für jene, die er „Verteidiger des Islam” nennt. Er zitiert Beiträge aus der „Zeit” von Autoren wie Helmut Schmidt, Willy Wimmer und anderen, aus den „Süddeutschen Nachrichten” von Elisabeth Endres und anderen sowie aus dem Werk „Feindbild Islam”, herausgegeben von Andrea Lueg.

„Ein möglicherweise als Reaktion auf das Morden entstehendes Feindbild in den westlichen Köpfen scheint den Gesinnungswächtern bedrohlicher als das Morden selbst,” stellt er fest. Im deutschen Sprachgebiet finde diese Haltung Gehör bei jenen, die in Fortführung des Schuldgefühls wegen der Naziverbrechen unter einem Gefühl der „Kollektivschuld an Kreuzzügen, Kolonialismus, ,neokolonialer Ausbeutung' und antiarabischem Rassismus” leiden.

„Mit der Warnung vor dem Feindbild Islam”, so der Autor, „bekundet man öffentlich, daß man an den bösartigen Umtrieben und Vorurteilen seines Kollektivs nicht beteiligt ist”. Dazu kommt, scheint' mir, daß die immer noch ratlose Linke dringend Themen braucht, bei denen sie sich moralisch rechtgeben kann. Im an-gloamerikanischen Sprachraum nimmt der Autor den politischen Verteidiger der islamischen Welt, den nach den USA emigrierten palästinensischen Christen Edward Said, der als Nachfolger von Frantz Fanon auftritt, ausgiebig unter Beschuß. Said habe dort den Bückhalt der Tugendwächter. An die Stelle der Naziverbrechen als Grundlage des Kollek-tivschuldsyndroms treten seiner Mei-' nung in den USA die Massaker an den Indianern und der weiterhin andauernde Rassismus.

Kohlhammer lockt wider alle Stachel der „political correctness”. Er hat recht in vielen Einzelheiten, besonders in bezug auf „die auffällige Dürftigkeit der Belege für die Existenz eines Feindbildes Islam”. Doch schießt er mit seinem Ärger über die Tugendwächter übers Ziel. Er macht aus einer Kritik an Autoren eine emotive Pauschalkritik am Islam. Das mag im Licht der täglichen Informationen verständlich erscheinen, doch kritisiert er die Freunde des Islam ja wegen ihrer Unfähigkeit, objektiv zu analysieren.

Das Endkapitel, in dem er auf die Texte hinweist, in denen als Grund der gegenwärtigen Misere der arabisch-islamischen Staaten die Aneignung der Beichtümer aus arbeitslosem Oleinkommen durch die Stammeseliten definiert wird, bringt die Aussage des Buches wieder ins Lot. So aufschlußreich Kohlhammers Buch auch ist, man muß es mit Vorbehalt lesen.

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