Widerstand eines Mutigen

Werbung
Werbung
Werbung

Kardinal-König-Preisträger Anton Srholec wurde jetzt auch für den Bruno-Kreisky-Preis nominiert. Zum 85. Geburtstag des slowakischen Salesianers.

Am vergangenen Freitag stand er wieder einmal an seinem Schicksalsfluss, der March: Gemeinsam mit Österreichs Außenminister Sebastian Kurz, mit dessen slowakischem Amtskollegen Miroslav Lajˇcák und dem ungarischen Botschafter in Österreich Vince Szalay-Bobrovniczky gedachte Anton Srholec des Falls des Eisernen Vorhangs vor 25 Jahren. Das "Tor der Freiheit“ in Devín unweit der Mündung der March in die Donau war vor einigen Jahren auf seine Anregung hin errichtet worden.

Das Schicksal der rund 400 Menschen, die bei ihrem Fluchtversuch ums Leben gekommen sind und deren Namen in den Marmorblock eingemeißelt sind, ist dem heutigen Vorsitzenden der Konföderation der politischen Häftlinge in der Slowakei erspart geblieben. Doch gescheitert ist auch sein Fluchtversuch, den er mit einer Gruppe junger Männer am 13. April 1951 unternahm - Hochwasser vereitelte das Erreichen des westlichen Ufers. Statt in Italien zu studieren, fand sich der 23-Jährige, der 1946 in den Orden der Salesianer Don Boscos eingetreten war, im berüchtigten Gefängnis von Leopoldov wieder.

Im Untergrund

Es folgten acht Jahre Fronarbeit im Uranbergwerk von Jáchymov, wo Anton Srholec eine elementare Erfahrung von Untergrundkirche machte: "Ich habe noch die vorkonziliare Kirche erlebt, wo alles lateinisch und streng war. Das haben mir die Kommunisten im Gefängnis schnell ausgetrieben, und nachher konnte ich dazu nie mehr zurückkehren. Ich habe gesehen, dass die Kirche die Menschen sind und dass diese einen Menschen brauchen, der ihnen beisteht im Guten wie im Schlechten und sie nicht verurteilt, sondern mit ihnen lebt.“

Auch nach der Freilassung 1960 durfte der Salesianer nicht ins Priesterseminar eintreten. Als Bauarbeiter und als "manueller Arbeiter“ in den Ostrauer Hochöfen ließ man ihn gnadenhalber Staatsprüfungen in englischer und deutscher Sprache ablegen. Und erst als der "Prager Frühling“ eigentlich schon wieder verblüht war, durfte er zeitlich befristet nach Italien ausreisen. In zwei Semestern legte er an der Ordenshochschule in Turin alle vorgeschriebenen Prüfungen ab und wurde am 17. Mai 1970 von Papst Paul VI. in Rom zum Priester geweiht.

Hatte der mittlerweile 41-Jährige einst aus der Slowakei flüchten wollen, um Theologie studieren zu können, so kehrte er jetzt aus freiem Entschluss zurück. Wie zu erwarten, legte ihm das Regime sofort wieder Prügel vor die Füße: Offiziell nur als Mesner angestellt, durfte Srholec in der Pressburger Blumenthal-Kirche zwar auch predigen, doch auf Grund des großen Zulaufs vor allem junger Leute wurde er 1975 in entlegene Landpfarren versetzt. Die letzte, Záhorská Ves, lag wieder an der March, dort, wo Österreich zum Greifen nah ist. Und als das Regime schon in Agonie lag, wurde Don Antonio 1985 die Ausübung des Priesteramts vollends verboten. Bei den 1100-Jahrfeiern der Slawenapostel Zyrill und Method hatte er als Leiter des Nachtgebets in Velehrad dazu beigetragen, die Vereinnahmung des Jubiläums durch den Staat zu unterlaufen.

Die Samtene Revolution von 1989 habe er als "Wiedergeburt“ erlebt, so Anton Srholec beim Festakt in Theben am vergangenen Freitag. Dass der "Sturz des grausamen totalitären Regimes ohne einen einzigen Schuss“ erfolgte, sei ein "Himmelswunder“ gewesen, eben deshalb müsse man dieses aber auch schützen. Seine kirchlichen Vorgesetzten - konkret der noch mit Zustimmung der Kommunisten inthronisierte Erzbischof von Bratislava-Trnava, Ján Sokol - sahen das aber nicht so. Sie ließen den 60-Jährigen ohne Wimpernzucken in dem Augenblick in Pension gehen, in dem er am meisten gebraucht worden wäre.

K. u. K. Preisträger

Während sich die Bischöfe des Landes mit Vorliebe dem Lamentieren hingeben und sich in den Augen breiter Bevölkerungsschichten als Kämpfer gegen die Menschenrechte profilieren, gründete Anton Srholec kurz entschlossen ein Obdachlosenheim, das er bis heute leitet. Der steirische Direktor und lange Jahre gesamtösterreichische Präsident der Caritas, Franz Küberl, der das Personenkomitee für die Nominierung des Salesianers für den Kreisky-Menschenrechtspreis leitet, erkennt die Leitlinie des Ordensmannes in dessen umfassendem Verständnis von Freiheit. Nie gehe es ihm bloß um die Freiheit der Kultausübung, sondern immer auch um die Würde des Menschen.

Eben deshalb fand und findet Srholec auch offene Worte zugunsten des von Rom ohne Angabe von Gründen abgesetzten Erzbischofs von Trnava, Róbert Bezák, und klopfte kürzlich mit Befürwortern von dessen Rehabilitierung an die Tür der Pressburger Nuntiatur. Dass sie vorerst verschlossen blieb, bekümmert Anton Srholec nicht, denn die Öffnung der Kirche ist für ihn nur eine Frage der Zeit.

Jene vier Familien aus Öster-reich, die zugunsten Róbert Bezáks Unterschriften gesammelt haben, sind auch federführend bei der Nominierung des Kardinal-König-Preisträgers Anton Srholec für den Kreisky-Preis. Ihm selber liegt nichts daran, sozusagen K. u. K. Preisträger zu werden, aber Franz Küberl bringt es auf den Punkt: "Die katholische Kirche der Slowakei braucht ihn wie einen Bissen Brot.“

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung