Wieder das Lächeln lernen

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Zum Abschluss der furche-Länderschwerpunkte zum Mitteleuropäischen Katholikentag analysiert fritz csoklich die Kirchen-Lage in Österreich. Sein Befund: Die Entwicklung verläuft vielschichtig und widersprüchlich.

Mit dem Tod von Kardinal Franz König ist eine sehr bedeutungsvolle Wegstrecke der katholischen Kirche in Österreich beendet worden, die auch für die anderen christlichen Kirchen im Land von großem Einfluss war und ist, ohne dass sich noch abzeichnet, was jetzt folgen wird. Gleichzeitig ist in den letzten Monaten immer klarer geworden, dass der seit Mitte der achtziger Jahre immer rigoroser und unduldsamer gewordene Kurs Roms bei der Ernennung von Bischöfen in Österreich, der mit Namen wie Groër, Krenn und anderen so viel überflüssigen Hader oder Unfrieden heraufbeschworen hat, nun allmählich einer neuen, offensichtlich toleranteren Linie gewichen ist.

Verhältnis Rom-Österreich

Die Ernennung des neuen Erzbischofs von Salzburg und des neuen Bischofs in Innsbruck waren in den letzten Monaten dafür markante Signale, so ist zu hoffen. Der österreichische Katholizismus scheint damit eine Auseinandersetzung durchgestanden zu haben, die höchst unerquicklich, ja sogar gefährlich war, denn es ging da um die prinzipielle Streitfrage, ob die konziliare Öffnung auch weiterhin die Kirche in Österreich bestimmen soll oder nicht.

Diese Auseinandersetzung, die nicht wenigen Laien und Priestern in Österreich ein hohes Maß an Zivilcourage abverlangte, dürfte jetzt im Großen und Ganzen abgeschlossen sein, und es wäre höchst aufschlussreich, wenn in nächster Zeit in einer Publikation die näheren, bis jetzt noch nicht restlos geklärten Umstände und Hintergründe dieser fragwürdigen Interventionen aus Rom dargelegt werden könnten, um ähnliches für die Zukunft auszuschließen. Insgesamt scheint man jedenfalls jetzt auf einen verständnisvolleren Neu-Anfang in den Beziehungen der österreichischen Kirche mit der Kurie in Rom hoffen zu dürfen.

Der Kirche in Österreich ist außerdem mit dem "Mitteleuropäischen Katholikentag" eine Initiative gelungen, die gewiss noch recht unvollkommen war durch die weitgehende Aussparung der Laienmitsprache bei der programmatischen und ideologischen Vorbereitung der Veranstaltung, die aber immerhin etwas beispielgebend Neues und Grenzüberschreitendes im Hinblick auf das zusammenwachsende Europa versucht hat. Die Erfahrungen dieser Veranstaltung werden zweifellos eine befruchtende Wirkung für die Zukunft haben, denn die Kooperation der Kirchen über alle nationalen Grenzen hinweg wird in einem neuen Europa und wahrscheinlich auch in anderen Kontinenten von immer größerer Bedeutung sein. Umso wichtiger wird der Erfahrungsaustausch nach dem "Mitteleuropäischen Katholikentag" zwischen allen beteiligten Kirchen sein, und eine publizistische Nacharbeit wäre daher unbedingt notwendig.

Diese wichtigen Ereignisse der letzten Zeit, bei denen der österreichische Katholizismus eine beachtliche Rolle spielte, fallen nun zeitlich mit einer interessanten Umfrage der Quart zusammen, der Zeitschrift des Forums Kunst-Wissenschaft-Medien der Katholischen Aktion, über die gegenwärtige Lage der Kirche in Österreich, die der aufsehenerregenden Rundfrage der Zeitschrift Wort und Wahrheit unter Katholiken des deutschen Sprachraumes im Oktober 1961, ein Jahr vor Konzilsbeginn, nacheifert. Damals war die Frage, was vom Konzil zu erwarten sei, um den spürbaren Reformstau in der römisch-katholischen Kirche zu beenden, und 200 Befragte äußerten sich zu diesem Fragenkomplex.

Die "Quart"-Umfrage

Diesmal sind 66 Antworten auf die Quart-Umfrage eingegangen, und Peter Pawlowsky, der verdienstvolle Leiter der Abteilung Religion im ORF-Fernsehen in den neunziger Jahren und langjährige Präsentator der Sendung kreuz & quer, stellte in einer ersten Analyse fest, nichts an der Umfrage sei repräsentativ, aber alles in höchstem Grad bedenkenswert. Es sei jedoch noch zu früh, eine Auswertung der Umfrage vorzulegen. Doch einen Satz aus einer Antwort auf die Umfrage habe er sich sofort zu Herzen genommen, schreibt Pawlowsky: "Die Kirche möge das Lächeln wieder lernen."

In der Quart solle daher auch gelächelt werden können, und über dem Ernst der Lage und der Ernsthaftigkeit der Reformvorschläge sollte man nicht vergessen, dass einem das Evangelium zwar die Sorge nicht verbietet, sehr wohl aber die Ängstlichkeit. Quart wolle jedenfalls keine neuen kircheninternen Parteiungen produzieren, die zu Kämpfen mit finsterem Gesicht führen und das einfache, schrittweise Vorwärtsgehen der Kirche durch die Zeiten behindern und verzögern könnten.

Verdienstvoll zitiert die Quart in diesem Zusammenhang Otto Schulmeister, der im Zusammenhang mit der seinerzeitigen Umfrage von Wort und Wahrheit zu Beginn der sechziger Jahre geschrieben hatte: "Die Aufdeckung und Diskussion einer Kirchenkrise ist nicht nur die unerlässliche Voraussetzung ihrer Überwindung, sondern sie bewahrt die Kirche vor der gefährlichen Versuchung der Selbstgerechtigkeit und Selbstgefälligkeit zu verfallen, theologisch gesprochen, der Unbußfertigkeit."

Spitzenthema Frau

Die jetzt vorliegenden Ergebnisse der Quart-Umfrage lassen erkennen, dass bei der Formulierung der Antworten wenig Selbstgerechtigkeit und noch weniger Selbstgefälligkeit mit im Spiel waren. Denen, die die Mühen einer Antwort auf sich nahmen, war es hingegen offensichtlich um einen eindringlichen Befund über die Lage der Kirche in Österreich zu tun, der tatsächlich in sehr interessanter Weise gelungen ist. Denn gleich 70mal ist da von der Rolle der Frau in der Kirche die Rede - das ist der Spitzenplatz bei der Reihung der Themen. Danach wird mit 57 Nennungen mehr Transparenz und Mitsprache in der Kirche urgiert, dicht gefolgt von 56 Nennungen, die sich für mehr Dialogbereitschaft in der Kirche sowie zwischen Kirche und Welt aussprechen. Danach wird die Anerkennung von mehr Vielfalt und mehr Demokratisierung der Kirche verlangt, ohne dass damit die simple Übertragung politischer Modelle auf die Ordnung der Kirche gemeint wird, wie Pawlowsky erläuternd kommentiert.

Wieder einmal erhebt im Block der Antworten Erhard Busek, der kritische und intellektuelle Kopf im österreichischen Katholizismus, seine Stimme, um in klassischer Knappheit einige Fehlentwicklungen der katholischen Kirche in Österreich und darüber hinaus im (west)europäischen Raum aufzuzeigen: "Für Europa kann ich nur feststellen, dass die Kirche die Sprache der Zeit noch immer nicht gefunden hat." Ähnliche, aber konkretere Töne schlägt die Journalistin Barbara Coudenhove-Kalergi an: "Wenn es aber der Kirche nicht gelingt, die christliche Botschaft so zu verkünden, dass moderne Menschen sie akzeptieren können, ist sie in Gefahr, zu einem Museumsstück zu werden ... Die Kirche muss ihre Positionen zur Stellung der Frau, zur Sexualität, zu Ehe, Familie und Partnerschaft neu überdenken und grundlegend ändern. Sie muss neue Lebensformen für ihre Priester finden ..."

Option für die Volkskirche

In eine ganz andere, nicht minder wesentliche Richtung lenkt der bekannte Politologe der Universität Graz, Wolfgang Mantl, die Debatte, wenn er meint: "Wenn die Kirche nicht in sektenhafte Resistenz (Typus Katakombe') oder in fundamentalistische Revolte (Typus Kreuzzug') verfallen will, muss sie sich als Volkskirche erneuern, als eine Kirche mit allen und für alle." Dabei bereite der Glaubensverlust eine besondere Sorge, so Mantl: "Der Mitgliederschwund der Kirche ist ein äußeres Zeichen dafür, so sank die Zahl der Katholiken in Wien bei der Volkszählung 2001 auf 49,2 Prozent und stieg die Zahl der Abständigen' (ohne Bekenntnis oder ohne Angabe) auf 37,9 Prozent." Es gebe aber auch immer wieder "Hoffnungssignale: So liest seit einiger Zeit der bekannte französische Schauspieler Gérard Depardieu, Sohn eines Analphabeten aus Zentralfrankreich, Schulabgänger mit 13 Jahren, auf Anraten des gegenwärtigen Papstes die Confessiones' (Bekenntnisse') von Augustinus, und zwar mit unerhörtem Massenandrang: in Notre Dame in Paris, und im Sommer 2003 auch im Amphitheater von Carnuntum. Der Geist weht, wo er will, auch über das bloße Herkommen und die institutionelle Routine hinaus!"

Diese wenigen Zitate aus den Ergebnissen der Umfrage können naturgemäß kein auch nur annähernd vollständiges Bild vermitteln. Sie geben aber eine Vorstellung davon, wie vielschichtig und auch widersprüchlich die religiöse Entwicklung in Österreich zur Zeit verläuft, die alle eindimensionalen Erwartungen und Befürchtungen über den Haufen wirft.

Der Autor war bis 1994 Chefredakteur der "Kleinen Zeitung", danach bis 2000 Präsident der Kath. Aktion der Diözese Graz-Seckau.

"Quart" im Internet: www.quart.at.tf

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