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Wieder mehr Latein?

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Am 24. Februar laufenden Jahres erschien im Osservatore Romano die am 22. des gleichen Monats erlassene apostolische Verordnung zur Förderung des Lateinstudiums. Einleitend werden die Vorzüge der Sprache La-tiums geschildert, die nun seit längster Zeit die Sprache der Kirche ist und deren Einheit bekundet. Die Kirche hat seinerzeit, so heißt es da, neben der griechischen und lateinischen Sprache auch ehrwürdige orientalische Sprachen in ihren Dienst genommen, weil sie für die Entwicklung und Erziehung der Menschheit von hoher Bedeutung waren; diese Sprachen leben im Gottesdienst zum Teil noch bis heute. Unter diesen Sprachen stehe das Lateinische voran, dessen Studium und Gebrauch man heute bedauerlicherweise vernachlässigt. Deshalb werden Bischöfe und Ordensobere angewiesen, darauf zu achten, daß nicht Neuerungssüchtige gegen den Gebrauch des Lateins in den theologischen Vorlesungen oder in der Liturgie schrieben, dabei mit vorschnellem Urteil den Wunsch des Apostolischen Stuhls in dieser Sache einschränkten oder falsch interpretierten.

Mit diesen Äußerungen sind allerdings weittragende Entscheidungen gefallen. Man spricht heute viel von der Einführung der Volkssprachen in die römische Liturgie. Man konnte sich dafür auf die älteste Praxis der römischen Kirche selbst berufen. Die verbreitete Vorstellung nämlich, daß in Rom von Anfang an lateinisch gesprochen worden sei, ist irrig. In Rom sprach man griechisch; das Großstadtproletariat stammte aus dem Osten und hatte die griechische Gemeinsprache mitgebracht. Paulus schreibt seine Briefe griechisch (I).

Der Gottesdienst der Kirche Roms war von Anfang an also in griechischer Sprache gehalten worden. Griechisch war die sakrale Sprache, die sich noch zweihundert Jahre behauptete, als längst Latein, die Sprache des römischen Imperium, sich zur Gänze durchgesetzt hatte, was Ende des zweiten, Anfang des dritten nachchristlichen Jahrhunderts geschehen ist. Aber erst die Kirche des fünften Jahrhunderts hat Latein in die Liturgie eingeführt. Der Grund für diese

umwälzende Neuerung war sichtlich der, daß die herkömmliche heilige Sprache zur Fremdsprache geworden war. Man hat allerdings bei der Ausbildung der lateinischen Sakralsprache auf altrömische Tradition zurückgreifen können, was die Sache erleichterte, aber man hatte, was den Gottesdienst betrifft, entschieden: Sakralsprache ja, Fremdsprache nein! Diese frühe Entscheidung der römischen Kirche konnte man bisher für die Einführung der Nationalsprachen in die römische Liturgie mit Recht geltend machen. Und man könnte noch jenes vorhin zitierte Argument der Constitutio anfügen: Was nämlich von den genannten orientalischen Sprachen gilt (gemeint sind etwa Koptisch, Syrisch, Kirchenslawisch), gilt keineswegs in geringerem Maß von der deutschen, englischen oder französischen Sprache. Oder wollte jemand behaupten, daß diese Idiome weniger als die ersteren zum Fortschritt und zur Erziehung der Menschheit beigetragen hätten und beitragen konnten?

Aber diese und andere Argumente, die die liturgische Bewegung aufgenommen und entwickelt hatte, lagen, wie man sieht, nicht im Sinne Roms. .Mit der,., vorliegenden . Entscheidung sind langjährige berechtigte Hoffnun-gen zu begraben.

Viel erfreulicher ist der Anstoß, den Gebrauch des Lateins als Sprache der Wissenschaft wieder zu aktivieren. Grund dafür ist, wie es heißt, die hohe Fähigkeit der jahrhundertelangen theologischen Fachsprache, in dieser Materie präzise Aussagen zu gewährleisten und zudem den leeren Redeschwall abzuschneiden: Es wird also verfügt, daß die Theologieprofessoren ihre Vorlesungen in lateinischer Sprache zu halten und Lehrbücher in lateinischer Sprache zugrunde zu legen haben. Sollten manche davon wegen ihrer Unkenntnis des Lateins zum lateinischen Vortrag nicht imstande sein, dann sind sie durch solche Leute zu ersetzen, die dazu in der Lage sind. Man wird also bald wieder in den theologischen Hörsälen auch in Österreich die Sprache Latiums hören können!

Die Constitutio geht mit der konkreten Förderung der lateinischen Studien noch weiter. Die Studienkongregation wird angewiesen, ein Institut zu gründen, das sich der Pflege des lebendigen Lateins widmen soll und unter anderem auch ein den modernen Anforderungen entsprechendes lateinisches Lexikon zu erstellen hat. Hier sollen in zahlreichen Vorlesungen über die einzelnen Stadien der lateinischen Sprachentwicklung sowie über den lebendigen klassischen Sprachgebrauch die Lehrer geschult werden, die dann in den Seminarien für den Lateinunterricht der Kleriker verantwortlich sein werden.

Gleichzeitig wird der Studienkongregation der Auftrag erteilt, einen Lehrplan für die lateinische Sprache aufzustellen, der in den kirchlichen Anstalten verpflichtend sein wird. Diesen Plan dürfen die Bischofskonferenzen zwar anders verteilen, nie aber ihn wesentlich einschränken oder abändern. Jedenfalls dürfen sie sich nicht anmaßen, etwaige Änderungsvorschläge ohne Zustimmung der Studienkongre-gation durchzusetzen.

Ob es dem inhaltsschweren Dokument gelingt, die Uhr zurückzudrehen und dem Latein wieder seine alte Stellung in der theologischen Wissenschaft zurückzuerobern?

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