Wiedergeburt - auf Chinesisch?

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Wie mutlos sind wir geworden, die Wirtschaftsmacht China an die Menschenrechte zu erinnern! Und wie weit ist inzwischen jede Tibet-Lösung entschwunden!

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Wie mutlos sind wir geworden, die Wirtschaftsmacht China an die Menschenrechte zu erinnern! Und wie weit ist inzwischen jede Tibet-Lösung entschwunden!

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Er gilt, allem Leid zum Trotz, als fröhlichster Religionsführer und Exil-König: der 14. Dalai Lama. Seit Jahrzehnten fasziniert er mit umwerfender Heiterkeit seine weltweite Anhängerschar. Gilt doch "Politik" generell als recht humorlose Profession - und das Drama Tibets als eine der großen Tragödien unserer Gegenwart.

Selten zuvor aber dürfte der Dalai Lama sosehr gelacht haben, wie in diesen Tagen. Denn ausgerechnet das KP-Regime in Peking besteht jetzt auf seiner Wiedergeburt, wann immer das heuer 80-jährige Oberhaupt des tibetischen Buddhismus sterben sollte.

Die Vorgeschichte dazu geht bis in den Herbst 1979 zurück. Damals war ich als junger Journalist dem Dalai Lama, Wiedergeburt des "Buddhas der Barmherzigkeit", im Schweizer Tibet-Kloster Rikon erstmals begegnet - der Beginn einer jahrzehntelangen Nähe. In jenem Gespräch zweifelte er zum ersten Mal öffentlich, ob seine Wiedergeburt unter Chinas Gewaltherrschaft überhaupt noch möglich und nützlich sei. "Unsere Religion kann auch ohne Klöster, Mönche und Dalai Lamas weiterleben", sagte er damals.

Damit begann ein jahrzehntelanges Tauziehen: Die 1995 vom Dalai Lama "erkannte" Wiedergeburt des Pantschen Lama (Tibets zweithöchster Geistlichkeit) ließ Peking prompt verschwinden und "entdeckte" dafür in einem anderen Buben "die wirkliche Reinkarnation". Ihn überwacht es seit zwanzig Jahren.

Was bewies: Unter Chinas Allmacht ist auch jeder künftige Dalai Lama nur ein Vasall. Also sprach der schlaue Dalai Lama jüngst: "Kann sein, dass ich gar nicht wiedergeboren werden will." Dafür hat er jetzt die Wut der Führung geerntet. Denn auch über Religion und Reinkarnation entscheidet dort das Politbüro!

Wachsende Frustration

Vielleicht hilft diese Groteske, unseren Blick endlich wieder auf das Drama Tibets (ca. fünfmal so groß wie Deutschland) zu lenken: auf die 1,2 Millionen Toten der chinesischen Besetzung. Auf die 6000 zerstörten Klöster. Auf die Flüchtlinge in aller Welt. Auf zuletzt 136(!) Selbstverbrennungen - Fanal der Verzweiflung. Auf die andauernde Gesprächsverweigerung Pekings. Weiß Pekings Führung eigentlich, dass sie nie wieder eine so gewaltlose Führung Tibets finden wird wie jetzt?

Für mich unvergesslich war auch jene Nacht im November 1972, als Chinas Premier Tschu En-lai drei Stunden lang mit einer kleinen Schar von Österreichern beisammen saß. Seine Detailkenntnis des Südtirol-Vertrags faszinierte uns; er war damals offenkundig ein Denkmodell für Tibet.

Ich spüre eine wachsende Frustration - dreifach:

Wie wenig empört uns heute das Schicksal dieses Volkes!

Wie mutlos sind wir auch geworden, die Wirtschaftsmacht China an die Menschenrechte zu erinnern!

Und wie weit ist inzwischen jede Tibet-Lösung entschwunden!

Nicht ausgeschlossen, dass alle drei Frustrationen miteinander zu tun haben.

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