Was der Zufall alles vermag: Zeitgleich mit den Schlagzeilen "Wie links ist Kern?" wird jetzt im Wiener Museumsquartier die Ausstellung "What is left?" eröffnet. Ein Nachdenken in Bildern, was von den einstigen Utopien und linken Bewegungen gültig geblieben ist.
Was aber ist heute noch links, was "bürgerlich" und was rechts? Wo schimmert bei unseren Parteien noch die alte Erkennbarkeit durch: das Sozialdemokratische (Solidarität, Gerechtigkeit, auch "Eintreten für Integration und Zuwanderung")? Das Christlich-Soziale ("dem christlich-humanistischen Menschenbild verpflichtet")? Und das Liberal-Freiheitliche?
Woran orientiert sich das politische Handeln heute, im Zeichen globaler Märkte, Konflikte und Ängste? Gibt es für uns, die Wähler, überhaupt noch weltanschauliche Haltegriffe inmitten von überfordernder Komplexität, Polemik und Sachzwang?
Und: Hilft uns der Abschied vom unseligen "Lager"-Denken bei der Gestaltung der Zukunft? Oder ist es genau umgekehrt -und ein alles beherrschender Populismus plus Emotionalisierung überwuchert (fast) jede politische Ethik von einst. Die Vereinigten Staaten liefern dafür soeben ein beklemmendes Beispiel.
"Politik ist nur noch ein Wehen im Wind", hat Heinrich Neisser, einst Spitzen-Parlamentarier und Uni-Professor, kürzlich erklärt - und dabei durchaus ins Inland geschaut.
Tatsächlich entsinne ich mich kaum einer Phase heimischer Nachkriegspolitik, in der unser System - Parteien, Überzeugungen, Werte, auch unser nationales und europäisches Selbstverständnis - so sehr ins Trudeln geraten wäre wie jetzt. Ächzend reibt sich unser etabliertes Politik-Repertoire allzu oft ideen- und mutlos an den Bedürfnissen der Alltagswirklichkeit.
Ratlosigkeit und Peinlichkeiten
Es stimmt schon: Österreich ist ein Land in Frieden und Wohlstand, sozial engagiert und noch immer mit Anstand regiert und verwaltet. Und doch verstärkt sich nahezu täglich das Gefühl wachsender politischer Fehleranfälligkeit, starker Ratlosigkeit und mancher Peinlichkeit. Ein Verlust von alten Gewissheiten ist spürbar - und immer wieder der Versuch, Machtansprüche von gestern noch einmal auszureizen. Was bleibt, sind Baustellen jeder Dimension: in Migrations- und Asylfragen, natürlich. Bei der Suche nach einer möglichst "populären" Außenpolitik. Befremdend auch die Idee, das Thema CETA weitgehend exklusiv von SP-Parteimitgliedern vorentscheiden zu lassen. Oder die jüngsten, schlimmen Ränke hinter ORF-Polstertüren.
Was davon ist "links", was "rechts" - und was "Mitte"? Und was nur Populismus, Parteitaktik und Medien-PR?
Im Rennen um die breitestmögliche Volksgunst liegen Niederösterreichs Freiheitliche derzeit klar in Führung: Ernsthaft fordern sie jetzt von "Gutmenschen" eine Sonderabgabe - als Beitrag zur Finanzierung unserer Asylkosten. Ein Anruf in St. Pölten hat mir betätigt: Es ist kein Scherz.
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