Winke mit dem Zaunpfahl

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Das Lauffeuer, das sich in den Tagen des neuen Jahres endgültig über Deutschland verbreitet, heißt PEGIDA ("Patriotische Europäer gegen die Islamisierung des Abendlandes") oder allerlei davon abgewandelte Akronyme. Es bringt positiv konnotierte Wörter wie "Patriot","Europa","Abendland" gegen negativ besetzte wie "Islam" in Stellung. Zehntausende sind mit den Parolen auf die Straße zu bringen, und das politische wie intellektuelle Deutschland versucht auszumachen, wie rechts(extrem) die neue Bewegung ist.

Hierzulande wird mit PEGIDA-Parolen ja schon lang Politik gemacht. "Daham statt Islam" ist dem Reimeschmied der Rechtspopulisten da schon vor Jahren eingefallen. Herr und Frau Österreicher sind das, was sich in deutschen Landen tut, also längst gewohnt. Die Vorgänge sind dennoch als Weckruf wahrgenommen worden - und zwar nicht in jener Weise, wie es sich manche heimischen Kulturkämpfer, die nun schnell aus den Löchern kriechen, wünschen. Denn trotz aller Diskussionen hat die deutsche Politik klar zu erkennen gegeben, was sie von PEGIDA &Co hält. Derartige Positionierung scheint hierzulande unvorstellbar. Das politboulevardmediale Geflecht spielt diffuser Angstmache und Fokussierung auf ein praktisches Feindbild in die Hände. Man kann -Angela Merkel sei Dank - zumindest bis jetzt sehen, dass die Politik dem Lockruf allzu einfacher Rezepte und simpler Welterklärungen nicht nachgeben muss. Hoffentlich bleibt das so.

Die Kirchen als Akteure ohne Wenn und Aber

Ein Akteur wider die neue, nicht ungefährliche Wut, die sich da auch via Straße breitmacht, ist besonders hervorzuheben: die Kirchen und deren Repräsentanten. Dass der neue Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland, Bischof Heinrich Bedford-Strohm, gegen die PEGIDA-Umtriebe zu Felde ziehen würde, überraschte zwar kaum. Aber dass der gewiss sehr konservative Erzbischof von Bamberg, Ludwig Schick, oder der gewiss nicht progressive Kölner Kardinal Rainer Maria Woelki so eindeutig Stellung bezogen haben und nicht zuletzt den Islam vor einer negativen Vereinnahmung durch die populistischen Kreise in Schutz genommen haben, ist eindrucksvoll.

In Österreich gehören die Kirchen seit jeher zu den unermüdlichen Mahnerinnen wider populistische Versuchungen. Es waren vor 22 Jahren kirchliche Organisationen, die wesentlich zum "Lichtermeer", der ersten Großveranstaltung gegen die Anti-Ausländer-Agitation eines Jörg Haider, beigetragen haben.

"Patrioten" treten für Menschenwürde für alle ein

Und wer die Weihnachts-und Neujahrsansprachen etwa von Kardinal Schönborn mit ihrem Ceterum censeo für einen menschenwürdigen Umgang mit Flüchtlingen hörte, freut sich über die Anwaltschaft für die Schwächsten, von der die Kirchenspitze um kein Jota abweicht. Man darf auch die "guten" Begriffe nicht den Klauen der Populisten überlassen. Patriot zu sein heißt da, sich für ein menschenwürdiges Leben für alle einzusetzen. Und "Abendland" ist kein Kampfausdruck, sondern ein anderes Wort für eine Kultur der Menschlichkeit und des Rechts. Das Abendland wird nicht dadurch gerettet, dass man es gegen den Islam verteidigt.

Sondern es geht darum, die Seele wiederzufinden -wie etwa der Papst kürzlich vor dem Europaparlament den Diognetbrief aus dem 2. Jahrhundert zitierte, nach dem die Christen in der Welt das seien, "was die Seele im Leib ist". Franziskus setzte hinzu: "Die Aufgabe der Seele ist es, den Leib aufrecht zu erhalten, sein Gewissen und sein geschichtliches Gedächtnis zu sein." Solche -christliche -Aufgabe hat dieser Papst Europa ins Stammbuch geschrieben -und nicht, dass es sich vor dem Islam abzuschotten habe. Weil Franziskus ein Mann der Zeichen ist, hat er, unter Umgehung vieler anderer Anwärter, den italienischen "Flüchtlingsbischof" Franceso Montenegro zum Kardinal erhoben. Ein Wink mit dem Zaunpfahl für Europa, gewiss.

otto.friedrich@furche.at

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