"Wir beeinflussen nicht, wir helfen"

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Seit 1. Jänner ist KARIN SCHMIDTBAUER neue Generalsekretärin der "Aktion Leben Österreich". Im furche-Interview spricht die ausgebildete Sozialarbeiterin und Heilpädagogin über ihre Erwartungen an die neue Regierung, die fehlenden flankierenden Maßnahmen bei der Fristenregelung und die hartnäckigen Vorurteile gegenüber ihrer Organisation.

Die Furche: Frau Schmidtbauer, Sie starten Ihre Funktion mit der Forderung nach einer kinderfreundlicheren Gesellschaft - und zeitgleich mit Familienministerin Andrea Kdolsky, die mit Aussagen über "Kinder, die in unangenehmer Weise in mein Leben intervenieren", für Empörung gesorgt hat. Sind Sie auch empört?

Karin Schmidtbauer: Manche Aussagen der Ministerin waren vielleicht nicht glücklich gewählt, aber wir geben jeder Ministerin die berühmten hundert Tage Schonfrist. Grundsätzlich sind wir der Ansicht, dass die Gesellschaft familienfreundlicher werden soll. Trotzdem ist es die freie Entscheidung jedes und jeder Einzelnen, mit oder ohne Kinder zu leben.

Die Furche: Sind Sie mit den geplanten familienpolitischen Maßnahmen der Regierung zufrieden?

Schmidtbauer: Wir haben durchaus positive Ansätze erkennen können, zum Beispiel die Anreize zur Väterbeteiligung in Unternehmen oder beim Kinderbetreuungsgeld. Gleichzeitig gibt es aber auch viele Alleinerzieherinnen, deren Partner sich verabschiedet haben und die hier benachteiligt werden.

Die Furche: Die zuständigen Ministerinnen Kdolsky und Bures haben Verhandlungsbereitschaft signalisiert.

Schmidtbauer: Das ist gut. Prinzipiell halten wir ja das Kinderbetreuungsgeld für einen Meilenstein in der Familienpolitik, weil es den Eltern Wahlfreiheit ermöglichen soll: Will ich meine Kinder selbst betreuen, oder will ich mir diese Leistung zukaufen? Insgesamt muss das Kinderbetreuungsgeld aber flexibler gestaltet werden, weil es unterschiedlichste Bedürfnisse gibt. Was wir auf jeden Fall fordern, ist eine jährliche Anpassung an die Inflation - wie auch bei der Familienbeihilfe. Und daneben muss es ausreichend leistbare Kinderbetreuungseinrichtungen geben.

Die Furche: Wie fällt Ihr Resümee zum Regierungsprogramm bezüglich Ihres zweiten Zieles, einer behindertenfreundlicheren Gesellschaft, aus?

Schmidtbauer: Mit den Ansätzen für Menschen mit Behinderungen sind wir durchaus zufrieden. Besonders positiv ist, dass die Menschenwürde in den Grundrechtskatalog aufgenommen werden soll. Und auch die Ankündigung, dass es einen Ausbau der psychosozialen Beratung im Rahmen der Pränataldiagnostik geben soll, ist erfreulich - aber das muss erst wirklich umgesetzt werden. Die Beratung zur Pränataldiagnostik ist jedenfalls ein Feld, auf dem wir bereits intensiv mit ausgebildeten Expertinnen tätig sind und wo wir eine Bildungsoffensive bei Jugendlichen starten wollen.

Die Furche: Mit der neuen Regierung startet auch eine neue Bioethikkommission. Was erhoffen Sie sich für dieses Gremium im Bundeskanzleramt?

Schmidtbauer: Hier würden wir uns eine ausgewogenere Zusammensetzung wünschen. Menschen mit Behinderungen und auch "Aktion Leben" sollten Sitz und Stimme haben - umso mehr, als es mittlerweile die alternative "Bioethikkommission für die Bundesregierung", zu der sich Behindertenvertreter zusammengeschlossen haben, nicht mehr gibt.

Die Furche: Was es auch nur noch in reduziertem Ausmaß gibt, sind staatliche Förderungen für die Öffentlichkeitsarbeit der "Aktion Leben" ...

Schmidtbauer: Ja, die Fördermittel für unser alljährliches Großplakat, auf das hinauf die Frauen immer unsere Beratungsstelle stürmen, sind vom Sozialminsterium - noch unter alter Führung - drastisch gekürzt worden. Dabei hat der Staat seit Einführung der Fristenregelung eigentlich den Auftrag, die Werbung für Beratung zu fördern. Das ist ein Teil der 1973 beschlossenen flankierenden Maßnahmen.

Die Furche: Ein Teil dieser Maßnahmen wäre auch die Motivforschung bei Schwangerschaftsabbrüchen ...

Schmidtbauer: Es ist schon eine Uraltforderung von "Aktion Leben", die Zahl der Schwangerschaftsabbrüche und die Motive dafür zu erheben. Erst dann weiß man ja, wie man helfen kann. Aber es scheitert offenbar am politischen Willen.

Die Furche: Zum Thema Schwangerschaftsabbruch gibt es nach wie vor Debatten - und problematische Aktionen von radikalen Abtreibungsgegnern. Tatsache ist, dass die "Aktion Leben" von manchen immer noch mit diesen Gruppen in einen Topf geworfen wird ...

Schmidtbauer: Ich kann mich noch gut an die ersten Reaktionen erinnern, als ich erzählt habe, dass ich bei Aktion Leben tätig sein werde. Sofort hat es geheißen: Diese Bet-Aktionen am Fleischmarkt kann man doch nicht unterstützten! Mit solchen Vorurteilen und Fehlurteilen habe ich nicht gerechnet. Dabei wäre alles so klar: Wir bieten professionelle Beratung und praktische Hilfe an und wollen die Frauen dabei in keiner Weise beeinflussen, sondern ihnen einfach helfen, sich zu entscheiden.

Die Furche: Auch von der anderen Seite kommen Vorwürfe: So wird in der extrem konservativen Internetzeitung "Kathnet" kritisiert, Aktion Leben würde sich in der Morallehre "deutlich gegen die Kirche" positionieren und auf Ihrer Homepage mehrere Links anführen, die "jede Form der Verhütung anpreisen bis hin zur Abtreibung" ...

Schmidtbauer: Dass man uns vorwirft, Frauen zur Abtreibung zu überreden, ist ungeheuerlich. Wir haben schon unsere Juristen eingeschaltet, um rechtliche Schritte gegen Kathnet zu überlegen.

Die Furche: Inwiefern sehen Sie sich selbst als kirchliche Institution?

Schmidtbauer: Wir pflegen ein sehr respektvolles Miteinander mit der Kirche. Prinzipiell sind wir aber ein unabhängiger, überkonfessioneller Verein. Was uns manche vorwerfen ist, dass wir für Empfängnisverhütung eintreten. Wer Schwangerschaftsabbrüche vermeiden will, muss aber für Empfängnisverhütung sein. Darauf bestehen wir und das weiß auch die Bischofskonferenz. Hier einen Widerspruch zu konstruieren, ist lächerlich.

Das Gespräch führte Doris Helmberger.

Dass ihr neuer Job nicht immer leicht sein würde, hat Karin Schmidtbauer noch vor Dienstantritt erfahren: "Diese Bet-Aktionen am Fleischmarkt kann man doch nicht unterstützen!", hieß es in ihrem Umfeld, als sie verkündete, per 1. Jänner von Gertraude Steindl das Amt der Generalsekretärin von "Aktion Leben Österreich" zu übernehmen. Dabei hat Österreichs "stärkste Lebensbewegung" mit der Praxis radikaler Abtreibungsgegner so gar nichts am Hut. Ihr geht es - ebenso wie der neuen Frau an ihrer Spitze - vielmehr um kompetente, professionelle Beratung, konkrete Hilfe und Information zu allen Bereichen des Lebensschutzes. "Ich habe schon zu meiner Zeit als Jungscharführerin die wirklich guten Broschüren der ,Aktion Leben geschätzt", erinnert sie sich. Schmidtbauer selbst war bisher 15 Jahre lang im Behindertenbereich engagiert und zuletzt Landesleiterin von "Rettet das Kind-Burgenland". Nach ihrer Grundausbildung als diplomierte Sozialarbeiterin hat sie nebenberuflich Erziehungswissenschaften, Sonder-und Heilpädagogik an der Universität Wien studiert und den Masterlehrgang "Sozialmanagement" an der Donau-Universität Krems abgeschlossen. Gemeinsam mit ihrem Mann, ihren zwei Kindern und zwei ausgebildeten Therapiehunden, die sie erfolgreich in der Arbeit mit Kindern und Menschen mit Behinderungen einsetzt, lebt sie im nördlichen Burgenland.

Für das Leben, gegen Vorurteile

Dass ihr neuer Job nicht immer leicht sein würde, hat Karin Schmidtbauer noch vor Dienstantritt erfahren: "Diese Bet-Aktionen am Fleischmarkt kann man doch nicht unterstützen!", hieß es in ihrem Umfeld, als sie verkündete, per 1. Jänner von Gertraude Steindl das Amt der Generalsekretärin von "Aktion Leben Österreich" zu übernehmen. Dabei hat Österreichs "stärkste Lebensbewegung" mit der Praxis radikaler Abtreibungsgegner so gar nichts am Hut. Ihr geht es - ebenso wie der neuen Frau an ihrer Spitze - vielmehr um kompetente, professionelle Beratung, konkrete Hilfe und Information zu allen Bereichen des Lebensschutzes. "Ich habe schon zu meiner Zeit als Jungscharführerin die wirklich guten Broschüren der ,Aktion Leben geschätzt", erinnert sie sich. Schmidtbauer selbst war bisher 15 Jahre lang im Behindertenbereich engagiert und zuletzt Landesleiterin von "Rettet das Kind-Burgenland". Nach ihrer Grundausbildung als diplomierte Sozialarbeiterin hat sie nebenberuflich Erziehungswissenschaften, Sonder-und Heilpädagogik an der Universität Wien studiert und den Masterlehrgang "Sozialmanagement" an der Donau-Universität Krems abgeschlossen. Gemeinsam mit ihrem Mann, ihren zwei Kindern und zwei ausgebildeten Therapiehunden, die sie erfolgreich in der Arbeit mit Kindern und Menschen mit Behinderungen einsetzt, lebt sie im nördlichen Burgenland.

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