"Wir brauchen keine Bollwerke ..."

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"... sondern Wurzeln", meint Schwester Beatrix Mayrhofer, Direktorin des Gymnasiums Friesgasse der Armen Schulschwestern von Unserer Lieben Frau in Wien XV.

Die Furche: Was unterscheidet die konfessionelle Schule von anderen?

Sr. Beatrix Mayrhofer: In einer konfessionellen Schule gibt es einen "Spirit", aus dem alle schöpfen: Aus dem Geist des Evangeliums tun wir das, was wir tun.

Die Furche: Was motiviert Orden, eine Schule zu betreiben?

Sr. Beatrix: Katholische Schulen haben eine lange Tradition aus der Geschichte Europas heraus; sie sind immer Antwort auf eine Not gewesen - in unserem Fall die extreme Bildungsnot im beginnenden 19. Jahrhundert.

Die Furche: Wie sieht genannter "Spirit" heute aus?

Sr. Beatrix: So wie Jesus die Kinder, die Menschen gesehen hat: diese Haltung soll in der Schule spürbar werden. Schule soll ein Ort sein, wo Menschen etwas von der Liebe Gottes erfahren. Natürlich liegt das Hauptaugenmerk auf der Bildung, aber: Wenn wir das Geschäft der Erziehung nicht sehr behutsam und bewusst betreiben, dann kann die Schule auch hinüberkippen in eine Konkurrenzanstalt, wo junge Menschen Gewalt ausüben und erfahren, wo Menschenverachtung mehr wächst als Menschenwürde.

Die Furche: Sind soziale Probleme wie etwa die Gewalt unter Schülern in Ordensschulen geringer?

Sr. Beatrix: Das würde ich generell nicht so sagen, denn es kommt sehr wesentlich darauf an, welcher Geist in einer Schule herrscht, und es gibt auch im öffentlichen Schulwesen sehr viele Bemühungen, Gewaltprävention zu betreiben. Wir können als konfessionelle Schulen uns die Schüler(innen) zu einem gewissen Grad aussuchen, weil wir ja mit den Eltern einen Aufnahmevertrag abschließen, sodass wir von vornherein Maßstäbe setzen und sagen, was uns wichtig ist. Wenn Eltern ihre Kinder zu uns schicken, dann wissen sie, worauf sie sich einlassen. Und ich sehe Gewaltfreiheit - und dem vorausgehend: Angstfreiheit - als ein wesentliches Merkmal christlicher Schulen.

Die Furche: Hat das aber nicht auch mit den finanziellen Möglichkeiten der Eltern zu tun - Ordensschulen kosten schließlich ein Schulgeld?

Sr. Beatrix: Gewalt zieht sich durch alle Bevölkerungsschichten - ob in subtilerer oder brachialerer Form. Das Finanzielle spielt insofern eine Rolle, als Eltern sich in eine Schule, für die sie zahlen, auch mehr einbringen, sie wirken mehr am Schulgeschehen mit. Von daher ist ein stärkeres Netz vorhanden.

Die Furche: Sie haben die Gründung Ihrer Schulen als Reaktion auf Not charakterisiert. Gelten heute Ordensschulen aber nicht eher als Institutionen elitärer Ausbildung? Spielt die soziale Komponente da noch eine Rolle?

Sr. Beatrix: Bei den Schulen meiner Gemeinschaft im 15. Wiener Gemeindebezirk hoffe ich, dass wir das Elitäre nicht in der Auswahl der Kinder haben, sondern in der Qualität des Angebotes. Man muss sich natürlich denen zuwenden, die in einer bestimmten Not sind - und Armut hat gerade in Wien verschiedene Gesichter. Ich erinnere da an Jesu Gleichnis vom barmherzigen Samariter, wo einer unter die Räuber fällt, und dann kommt einer und versorgt ihn. Ich denke mir: Erziehung muss einerseits dafür sorgen, dass jenen Kindern, die unter die Räuber gefallen sind - und wie viele Räuber an den Kindern gibt es in unserer Zeit! - geholfen wird. Auf der anderen Seite denke ich langfristig: Wir haben dafür zu sorgen, dass Menschen nicht zu Räubern werden. Und dieser Ansatz von Bildung gilt auch für eine Privatschule, die sich eher der elitären Auswahl zuwendet: Man muss gerade als konfessionelle Schule das Gewissen und die (Welt-)Verantwortung aus dem Geist des Evangelium schulen.

Die Furche: In Österreich nehmen die Katholiken ab, es kommen andere Religionen dazu, der Islam oder Konfessionslose. Kann die konfessionelle Schule dieser Realität gerecht werden?

Sr. Beatrix: Sie kann - weil Jesus alle Kinder ohne Unterschied liebt. Wir sind offen für Kinder aller Konfessionen und Religionen - im großen Sinn des Katholischen, das ja das Weltumfassende ist. Gerade aus dem Geist des Evangeliums kommt die Freiheit zur Begegnung mit den Menschen der verschiedensten Kulturen und Nationen und Religionen: Weil Jesus die Menschen liebt, darum dürfen wir als christliche Lehrerinnen und Lehrer im Dienst der Erziehung stehen, und zwar ohne Unterschied, woher die Kinder kommen und welcher Gemeinschaft sie entstammen, und sie so fördern, dass sie das werden, wozu sie berufen sind.

Die Furche: Gibt es da aber auch ein Moment der Evangelisierung?

Sr. Beatrix: Ja natürlich: Es gibt das intensive Bemühen, den Kindern, die aus katholischen Traditionen zu kommen, zu helfen, den katholischen Glauben wirklich kennenzulernen und als katholische Christen zu wachsen. Und wir haben andererseits die Offenheit für die Möglichkeit der Kinder anderer Konfessionen, die Wertschätzung ihrer eigenen Religion zu lernen.

Die Furche: Ihr Ansatz sieht also die christliche Schule nicht als Bollwerk eines zerbröckelnden Abendlandes - etwa gegen den Islam.

Sr. Beatrix: Wir brauchen keine Bollwerke, wir brauchen Wurzeln, um in die Zukunft wachsen zu können. Wir müssen unsere Wurzeln stärken, unser Bewusstsein, woraus wir leben, woher wir kommen, was uns die Kraft gibt. Wer solche starken Wurzeln hat, der kann auch stark stehen und argumentieren. Wir brauchen keine Bollwerke, wir haben genug Krieg in der Welt. Wir brauchen Menschen, die für ihre Überzeugung gradestehen, und weil sie fest stehen auch offen sind nach allen Seiten.

Die Furche: Es ist kein Geheimnis, dass die Ordensgemeinschaften, die die Schulen tragen, Nachwuchsprobleme haben: Wird es die Ordensschule in ein paar Jahren überhaupt noch geben?

Sr. Beatrix: Ein Direktor einer Ordensschule hat vor nicht allzu langer Zeit gemeint: Jahrelang haben die Orden um Nachwuchs gebetet, es wird vielleicht der Moment kommen, wo sie merken, dass wir, die Laien, dieser Nachwuchs sind. Unsere Hoffnung, unsere Zuversicht, unsere Vision ist: Die katholische Bildungsaufgabe ist ein so wichtiges Anliegen, dass Menschen, die aus dem Geist des Evangeliums leben, dieses Anliegen für sich übernehmen.

Die Furche: Auch bei den Ordensschulen finanziert der Staat die Lehrer. Wie fühlen Sie sich ins Schulsystem Österreichs eingebettet?

Sr. Beatrix: Das stehen zwei Wünsche nebeneinander, die parallel und manchmal sogar konträr laufen: Als konfessionelle Privatschulen sind wir sehr darauf bedacht, unsere Freiheiten zu bewahren, um wirklich unseren Geist umsetzen zu können. Auf der anderen Seite sind wir natürlich dringend auf die Lehrersubvention angewiesen, wir könnten die Schulen unmöglich führen, wenn die Lehrer nicht vom Staat bezahlt würden. Wir wünschen uns da mehr Unterstützung. Als Grundanliegen wünschen wir uns, dass in der Bildungslandschaft und-politik mehr wahrgenommen wird, was konfessionelle Privatschulen für die Gesellschaft leisten. Manchmal haben wir das Gefühl, dass es Kräfte in unserer Gesellschaft gibt, die ganz erklärt gegen die Privatschulen eintreten. Und wir wünschen uns mehr Sensibilität für die Konsequenzen, die Gesetzesbeschlüsse für eine katholische Privatschule haben.

Das Gespräch führte Otto Friedrich.

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