Am Anfang war die Hysterie, dann die Abwiegelung, schließlich eine leichte Kurskorrektur. In der Reihenfolge: Um Gottes willen, der gläserne Patient. Aber es ist doch eh alles anonym. Und hie und da ein paar grob aggregierte Daten, die täten wir schon brauchen.
Nein - ich will eine flächendeckende Datenerhebung. Keine 400 Ärzte, sondern alle Ärzte, alle Spitäler. Niemand weiß (im Sinne einer einigermaßen systematischen medizinischen Erhebung), was Ärzte in ihrer Praxis treiben. Simples Benchmarking, wie anderswo üblich, wäre aufschlussreich. Denn auch Ärzte sehen nur das, was sie sehen können - da wäre es auffallend, wenn der eine die Diagnose X doppelt so oft fällt wie der andere. Da die (angebliche) Qualitätskontrolle der Ärztekammer offenbar nicht funktioniert, wäre es naheliegend, wenigstens statistische Auffälligkeiten zu hinterfragen. Man muss ja nicht immer (wie im jüngsten Wiener Fall) auf die Toten warten.
Freilich wäre das die Aufgabe einer offiziellen (offiziösen) Stelle: Alle Daten, Diagnosen, Krankengeschichten, Verschreibungen, Ergebnisse sammeln - und in solider Form auch weitergeben. Denn auch Pharmafirmen könnten an einigermaßen systematischen Befunden Interesse haben, wie ihre Medikamente wirken; ob und warum Behandlungen abgebrochen werden; ob die Ärzte die Medikamente richtig verwenden - das könnte ja für die Weiterentwicklung der Medikamente Folgen haben.
Die individuellen "Spionierereien“ laufen ganz anders, viel direkter. So etwa der Anreiz, den amerikanische Konzerne setzen: Wenn die Angestellten ihre wesentlichen Gesundheitsdaten ärztlich bestätigen lassen, bekommen sie bei der Betriebskrankenversicherung einen 50-$-Rabatt. Da braucht es keine spezielle Software.
Der Autor ist Professor für Soziologie an der Universität Graz
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