„Wir haben den Ball vor das Tor gebracht“
Priesterweihe verheirateter Männer nicht ausgeschlossen, Tür zum Frauendiakonat nicht zugeschlagen: Was hat die Amazonien-Bischofssynode gebracht? Der Befreiungstheologe Paulo Suess, 81, analysiert.
Priesterweihe verheirateter Männer nicht ausgeschlossen, Tür zum Frauendiakonat nicht zugeschlagen: Was hat die Amazonien-Bischofssynode gebracht? Der Befreiungstheologe Paulo Suess, 81, analysiert.
Seit 1966 lebt und lehrt der Deutsche Paulo Suess, Schüler von Johann Baptist Metz, in Brasilien. Er zählt zu den einflussreichsten Theologen des Landes und arbeitete am Vorbereitungsdokument zur Amazoniensynode mit. Bei der Synode in Rom nahm er als theologischer Berater teil.
DIE FURCHE: Wie würden Sie das Ergebnis der Amazoniensynode charakterisieren?
Paulo Suess: Die Synode hat die Türen offengelassen. Es waren erste Schritte aus verschlossenen Türen heraus. Die muss man nun weitergehen.
DIE FURCHE: Sind Sie mit dem Ergebnis der Synode zufrieden?
Suess: Jein. Es ist das, was möglich war unter der Beteiligung aller Synodenväter.
DIE FURCHE: Es gab ja schon Kritik am Vorbereitungsdokument der Synode, an dem Sie mitgearbeitet haben.
Suess: Die Kritik kam aus einem Sektor, der mit der Synode überhaupt nicht einverstanden war. Beim Schlussdokument, wo über jedes Kapitel extra abgestimmt wurde, haben zwei Bischöfe immer mit Nein gestimmt. Ein Text wie das Vorbereitungsdokument ist ja immer ergänzungsbedürftig. Seine Funktion ist ja nicht die, eine Enzyklopädie zu sein. Aber wir haben überall die Möglichkeit gelassen, dass die Synode einen Schritt weiter geht und das Tor schießt. Wir haben den Ball vor das Tor gebracht.
DIE FURCHE: Haben die Bischöfe nun das Tor geschossen?
Suess: Sie haben einige Tore geschossen und andere Bälle dann doch nicht vor das Tor gebracht.
DIE FURCHE: Wo haben sie Tore geschossen?
Suess: In der Ökologie, in der Verteidigung der Indigenen, da war man sehr deutlich. Auch bei der anderen Bevölkerung Amazoniens gab es ganz klare Aussagen. Bei den innerkirchlichen Fragen gingen die Meinungen auseinander. Damit das Schlussdokument dann abstimmungsfähig war, wurde es gekürzt, da wurden dann manche Dinge sehr offen dargestellt. Da sagte der Papst dann auch, dass Kapitel über die Frauen sei dünn. Und das stimmt auch – da ist jetzt nur mehr ein Kapitel, wo vorher fünf waren. Weil es sonst nicht durchgegangen wäre, wurde es nun so formuliert. Aber dass über das Diakonat für Frauen weiter diskutiert werden kann, ist ein Fortschritt. Denn zuvor hatte es ja geheißen: Johannes Paul II. hat endgültig gesagt, dazu gibt es nichts mehr zu diskutieren. Immerhin wird jetzt eine neue Kommission gebildet, die das erneut studieren soll. Im Grunde genommen ist das aber nur ein Versuch, Zeit zu gewinnen.
DIE FURCHE: Wenn Sie die Synode benoten müssten …
Suess: … dann würde ich ihr einen Zweier geben.
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