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Ein langweiliger Wahlkampf endet in einer spannenden Wahl. Zu viele Themen blieben ausgeblendet. Doch ob die Kraft für politische Neuerung reicht, wird sich erst zeigen.

Der große Wurf wollte in diesem Wahlkampf niemandem gelingen. Weder personell noch programmatisch. Also flüchtete man - frei nach Norbert Leser - in die dritte Kategorie des Politischen, in das Praktische. Es bot sich einfach an, per Kleinklein die ebenso Denkenden anzusprechen, um solcherart aus Stimmung Stimmen zu machen.

So wurde dem Volke versprochen, den ihm bislang unbekannten Hebesatz einer noch nie selbst berechneten Steuer zu senken, sprich: zu halbieren. Diese Steuer, namentlich die Mehrwertsteuer auf Lebensmittel, beruht zudem auf einer öffentlich unzugänglichen Deckungsbeitragsrechnung, deren Prinzipien kaum einer kennt, geschweige denn verstehen oder beherrschen will, weil ja auch das Arbeitseinkommen nur im Monats-Netto, aber keinesfalls im Jahres-Brutto erfassbar ist. Im Klartext: Keiner weiß, was seine Arbeit gänzlich kostet, was vom Dienstgeber verrechnet, was an den Staat abgeliefert und schließlich ihm selbst bleiben wird. Aber bei der Mehrwertsteuer, da kennen wir uns aus. Und wenn die Steuern sinken, gehen die Preise runter. Da lässt sich nur sagen: Wer 's glaubt, wird reingelegt.

Die Politik betreibt ein verkehrtes Spiel: Anstelle ehrlicher, sachlicher und konsequenter Sozialpolitik, die sich zwischen Grundeinkommen und Existenzsicherung zu entscheiden hätte, überbietet sie sich in Höchstpreisen beim Stimmenkauf.

Die Steuer- und die anderen ausgelobten Geschenke eines der reichsten Staaten dieser Welt an die - was nicht ganz ins Bild passt - darbenden Massen erschienen den zur Nationalratswahl 2008 kandidierenden Parteien nicht als Widerspruch, sondern als Erfolgsrezept. So nahm der an Themen ärmlichste Wahlkampf seinen drögen Verlauf hin zu einer Wahlentscheidung im Kampf um die politische Mitte. Das war verkehrt. Wir hätten den gegenwärtigen politischen Umständen einen spannenden Wahlkampf mit einer weniger schicksalsträchtigen Wahl vorgezogen, aber: Werch ein Illtum, wie uns Ernst Jandl richtig schreibend Unterscheidungen recht zu lesen lehrte.

Trefflich hätte man debattieren können, etwa über den Sozialbericht. Aber davon war nicht die Rede. Vorzüglich, durchaus mit Gewinn, ließen sich die Fragen der Leistungs-, der Besteuerungs- und der Verteilungsgerechtigkeit erörtern. Und zwar mit dem Ziel, den tatsächlich Bedürftigen wirklich zu helfen. Aber nein, auch davon war keine Rede. Und dann, ach Europa: Nicht die Leserbriefe, nicht den Verdruss, nicht die ganze Desinformation, nein, die Vorstellung über das künftige, das neue, das großartige Europa mit einem Österreich in seiner Mitte hätten wir gerne diskutiert. Aber das spielt es nicht. Fast ist man, nochmals Jandls Anleitung zur Umkehrung der die Verhältnisse charakterisierenden Redewendungen strapazierend, geneigt zu sagen: Wer in der Politik keine Visionen hat, der braucht einen Arzt. Denn die an galoppierendem Populismus laborierenden Kandidaten vermochten kaum etwas zu vermitteln, was über ihren und unseren Horizont hinausgereicht hätte.

Angeboten hätte sich ja einiges. Etwa der internationale Bericht, wonach wir mehr an Bildung brauchen, wollten wir so gut bleiben, wie wir heute schon glauben zu sein. Oder jene Analysen, denen zufolge es weniger an Regelungen, aber dafür mehr an Zuwanderung braucht, um die Leistung unserer Wirtschaft dort zu halten, wo wir sie gerne haben, nämlich hoch. Sehr gerne hätten wir gehört, wie man einen ins Groteske entfesselten globalen Kapitalismus in die von Vernunft und Ethik gebotenen Schranken zu weisen gedenkt.

Aber nein. Wir erlebten im Wahlkampf keine Innovation, keine neuen Personen, keine neuen Programme. Auch keine neue Art des öffentlichen Gesprächs, eines neuen Dialogs der Politik und der Bürger. Alles blieb bei ständestaatlicher Klientelpolitik, was vor allem jene bezahlen, die niemandes Büttel sind, also die Unabhängigen, die Leistungsträger, die Eliten. Von denen wenden sich viele von der Politik ab, was die Verhältnisse zynischer und das Öffentliche ärmer an Substanz macht. Aber jetzt sind die Wähler am Wort. Nach und an ihrem Votum wird sich zeigen, ob die politische Kraft für eine Wende zu Neuem reicht. Zu hoffen wäre es.

claus.reitan@furche.at

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