Werbung
Werbung
Werbung

Grundsätzliche Überlegungen im Vorfeld der US-Reise von Papst Benedikt XVI.

Wenn Papst Benedikt XVI. und US-Präsident George W. Bush dieser Tage in Washington zusammentreffen, so nimmt sich das aus durchschnittlicher europäischer Perspektive wohl als eine Art Konglomerat des Bösen aus. Und als aufgrund der Prominenz des Ereignisses besonders willkommener Anlass zur Vergewisserung der eigenen moralischen Überlegenheit und Identitätsfindung ex negativo: Die zwei stehen für das, was wir jedenfalls nicht sein wollen.

In der Tat, die beiden Männer haben einiges gemeinsam: Sie gelten uns Europäern als hoffnungslos reaktionär, irgendwelchen seltsamen, bisweilen auch gefährlichen "Idealen" oder "Werten" anhängend, doktrinär, unbeugsam - mithin die Inkarnation des Gegenmodells zu unserer aufgeklärten, liberalen, offenen, pluralistischen europäischen Gesellschaftsordnung. Diese Sichtweise bezieht sich freilich mitnichten nur auf die gegenwärtigen Amsträger, sondern ganz generell auf die Institutionen, die sie vertreten: Ein weitgehend geschichtslos gewordenes Europa, das seine geistigen - auch jüdisch-christlichen - Wurzeln kaum noch zu benennen wagt, wenn es sie nicht überhaupt vergessen hat, definiert sich solcherart vorzugsweise als Nicht-Amerika. Oder salopp gesagt: Ratzinger & Bush, das schauen wir uns erste Reihe fußfrei an. Wir sind die Guten!

Sind wir das? Natürlich hat Bush wie kein anderer Präsident vor ihm dazu beigetragen, die Kluft zwischen den USA und Europa zu vertiefen. Nicht nur um den Irak-Krieg geht es, auch um sein aus dem Bekehrungserlebnis gespeistes "missionarisches" Verständnis von Politik, um die Allianz mit der fundamentalistisch-religiösen Rechten (auch wenn die laut dem US-Religionssoziologen Peter L. Berger bereits bröckelt; siehe Furche Nr. 14, Seite 9), um die auch nach europäisch-konservativen Maßstäben weit rechts stehende Gesellschafts- und Wirtschaftspolitik.

Natürlich lässt sich fragen, ob manche Positionierung Benedikts gegenüber den anderen Religionen - vor allem die letztlich aus einem Zugeständnis an die Traditionalisten resultierende Neuformulierung einer Karfreitagsbitte für den alten Ritus - die Irritationen wert war, die sie hervorgerufen hat (selbst wenn man das theologisch alles plausibel argumentieren kann).

Aber um das geht es gar nicht, so genau wollen es die Kritiker meist gar nicht wissen. Was die Europäer verstört, ist, dass sie es hier mit zwei "Supermächten" - und zwar den letzten verbliebenen, einer politischen und einer geistig-religiösen - zu tun haben. Dieser Anspruch, der mit beiden verbunden wird und den beide stellen - auch wenn ihn vor allem natürlich die katholische Kirche selbst nicht so formuliert - ist im wesentlichen unabhängig von den handelnden Personen an der Spitze. In den USA werden wir demnächst erleben, dass Bushs Nachfolger gewiss manches besser, sicher aber nicht alles anders machen wird - wie es auch bei seinen Vorgängern, ob Demokraten oder Republikanern, der Fall war. Und auf dem Stuhl Petri mag in einigen Jahren wieder ein Mann ganz anderen Zuschnitts, vielleicht sogar aus einem anderen Kontinent, sitzen. Der Stachel im europäischen Fleisch wird dennoch bleiben.

Denn für das europäische Mainstream-Verständnis bedeutet es eine Zumutung, dass es Institutionen gibt, für die bestimmte Dinge nicht verhandelbar sind, die sagen, was sie für "gut" und was für "schlecht" oder "böse" halten - und die diesen ihren eigenen Standpunkt auch offensiv in Worte und Tate umsetzen, anstatt im Sinne eines falsch verstandenen Dialogs von vornherein auf jeden Wahrheitsanspruch zu verzichten.

Aber muss in einer liberalen Gesellschaft nicht prinzipiell alles verhandelbar sein? Schon - aber das Missverständnis besteht darin zu meinen, dass eine liberale Gesellschaft aus lauter Liberalen zu bestehen hat, wie das Jan Ross einmal formuliert hat. Und man darf wohl ergänzend fragen, ob sie überhaupt nur aus Liberalen bestehen kann.

Was immer der Papst mit Bush besprechen wird und was er auf den anderen Stationen seiner sechstägigen Reise auch sagen wird: Europa wäre gut beraten, genau hinzuhören, wenn der römische Pontifex jenes Land besucht, das sich letztlich den besten Traditionen des eigenen Erbes verdankt.

rudolf.mitloehner@furche.at

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung