In einem Zusammentreffen muslimischer Gemeinden mit Vertretern staatlicher Behörden Anfang dieser Woche in Düsseldorf beklagten die muslimischen Vertreter die steigende Islamfeindlichkeit in Deutschland. Zitiert wurden unter anderem Daten aus dem Religionsmonitor 2013, nach denen sich jeder zweite Deutsche vom Islam bedroht fühlt. Eine Mehrheit der Deutschen betrachtet den Islam als demokratie- und frauenfeindlich, bedrohlich und intolerant. Daten aus Österreich zeichnen ein ähnliches Bild. Nun aber stellt sich die Frage, ob die Angst vieler Europäer vor dem Islam als Ausdruck von Islamfeindlichkeit einzustufen ist oder ob es sich nicht eher um verzerrte Bilder über den Islam und die Muslime in den Köpfen vieler Menschen handelt?
Es ist keine Frage, dass die Medien eher die negativen als die positiven Bilder transportieren. Es geht allerdings nicht darum, nach einem Schuldigen zu suchen, sondern darum, etwas konstruktiv zu verändern. Ein Opferdiskurs bringt zwei Gefahren mit sich: Zum einen verleitet er zur Passivität. Man bemitleidet sich und wartet, bis sich etwas von außen verändert. Zum anderen verbirgt sich hier die Gefahr der Entstehung von angespannten Fronten, denn in der Wahrnehmung des Opfers ist sein Gegenüber sein Peiniger. Und gerade solche Fronten begünstigen die Rekrutierung in fundamentalistischen und extremistischen Milieus auf beiden Seiten. Die Sympathien mancher Jugendlicher mit dem IS ist nur Ausdruck dieser Sehnsucht, seine Peiniger zu besiegen.
Wenn wir Muslime meinen, dass die Politik und die Medien negative Bilder über den Islam pauschalieren, dann haben wir die Möglichkeit, in einem demokratischen System mit demokratischen Mitteln uns in diese Institutionen einzubringen, um einen Aufklärungsdiskurs zu etablieren. Darin sollten die Bemühungen münden. Dann sind wir Aufklärer und keine Opfer.
Der Autor leitet das Zentrum für Islamische Theologie an der Uni Münster
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