Zhao Tingyang - © Foto: Privat

Wird alles gut unter dem chinesischen Himmel?

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Der Entwurf einer Weltordnung durch den chinesischen Philosophen Zhao Tingyang zeigt, dass von China aus ein neues Gesellschaftsparadigma auf dem Weg ist – ohne Demokratie oder Menschenrechte.

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Der Entwurf einer Weltordnung durch den chinesischen Philosophen Zhao Tingyang zeigt, dass von China aus ein neues Gesellschaftsparadigma auf dem Weg ist – ohne Demokratie oder Menschenrechte.

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Die Frage, wer auf der Welt den Ton angibt, ist ein oft verhandeltes Thema in der Geschichte. Welcher kulturelle Raum bestimmt die globale Politik, und von wo kommen die maßgeblichen Impulse, was Fortschritt und Entwicklung betrifft? Jeder, der sich mit Geschichte beschäftigt, weiß um die Wandlungsfähigkeit solcher Zuschreibungen und die vielfältigen Prozesse, die zu Transformationen der jeweils bestehenden „Ordnung“ führen.

Bei der jüngsten Geschichte ist man da oft in einer verhaltenen Beobachterposition: So wurde beispielsweise nach dem endgültigen Zusammenbruch des kommunistischen Experiments vom vielzitierten US-amerikanischen Politikwissenschaftler Francis Fukuyama das „Ende der Geschichte“ aufgrund des angeblichen Sieges der westlichen, liberalen demokratischen Ideen ausgerufen. Etwas vorschnell, wie sich bald zeigte, weil bald im Konflikt mit der islamischen Welt eine neue Frontlinie aufbrach. Diese hat rein wirtschaftshistorisch sehr viel mit der Jahrhundert ressource Öl zu tun, kann aber auch entlang des Gegensatzes zwischen einem primär religiös gegenüber einem säkular definierten Weltverständnis gelesen werden.

Eine Alternative zum Westen?

Doch tut sich dahinter bereits eine neue, ganz andere Konstellation auf, die uns in Zukunft noch viel mehr beschäftigen wird. Der Aufstieg des ostasiatischen Raumes und insbesondere Chinas markiert den Beginn einer massiven globalen Veränderung, deren Ausgang heute noch nicht absehbar ist. Seit den 1980er Jahren dynamisierte ein staatliches Modernisierungsprogramm eine lange Zeit zurückgeworfene Gesellschaft und lässt eine jahrtausendealte Kultur auf der globalen Bühne wiederauferstehen.

Umso wichtiger ist deshalb die Auseinandersetzung mit Stimmen aus diesem Raum, die sich mit den damit verbundenen möglichen Transformationen beschäftigen. In diesem Jahr erschien nun erstmals in deutscher Sprache unter dem Titel „Alles unter dem Himmel“ ein Buch des chinesischen Philosophen Zhao Tingyang (geb. 1961, siehe Bild), der nichts anderes als ein Programm für eine neue „Weltordnung“ vorlegen will und dabei ein Alternativmodell propagiert, das vieles von dem infrage stellt, was wir als selbstverständlich hinnehmen. Zhao lehrt an der chinesischen Akademie der Sozialwissenschaften, die so etwas wie ein akademischer Thinktank der chinesischen Regierung ist. Es ist also auf jeden Fall eine bedeutende Stimme des gegenwärtigen China.

Die neue alte Tianxia-Ordnung

Inhaltlich bemerkenswert ist, dass sich seine Texte nicht primär an der europäischen Philosophie abarbeiten, sondern auf Elemente der chinesischen Tradition zurückgreifen. Zentraler Ausgangspunkt ist für Zhao der chinesische Begriff Tianxia, was wörtlich „unter dem Himmel“ bedeutet und meist als „die Welt“ übersetzt wird, aber auch so etwas wie ein Ordnungsprinzip der Welt beschreibt. Bei seiner Definition dieses Begriffes geht Zhao ausführlich auf dessen Verwendung in Texten der und über die Zhou-Dynastie ein, die früheste historisch einigermaßen greifbare Epoche der chinesischen Geschichte, die traditionell auf die Zeit von 1046 v. Chr. bis 256 v. Chr. datiert ist. Diese Epoche wird stilisiert zu einer Art Idealgesellschaft und gleichzeitig zur Steilvorlage für die von Zhao propagierte neue Ordnung.

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