Wo Caritas ist, dort ist Gott

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Um Caritas und Seelsorge ging es bei diesmaligen Österreichischen Pastoraltagung: Ein breites Feld voll offener Fragen.

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Um Caritas und Seelsorge ging es bei diesmaligen Österreichischen Pastoraltagung: Ein breites Feld voll offener Fragen.

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Für Caritasbischof Alois Kothgasser ähneln einander die Caritas und der Esel an der Krippe: Lasten tragen, laut schreien können, nahe beim Zentrum sein. Wie verknüpft sind Caritas und Seelsorge? Wie steht es um diakonische Pastoral? Fragen, die auf der Österreichischen Pastoraltagung, die vom 28. bis 30. Dezember erstmals in Salzburg stattfand, diskutiert wurden.

Während Kirche durch Negativschlagzeilen präsent ist, bewahrt sich die Caritas ihren "guten Klang" in den Ohren der Menschen. Prälat Balthasar Sieberer, als Vorsitzender des Österreichischen Pastoralinstituts für die Tagung verantwortlich, verwies in seiner Eröffnungsrede auf die Gefahr, daß die Caritas in der Öffentlichkeit als eigenständige Institution und nicht mehr als ein Standbein der Kirche angesehen wird: "Die Kirche möchte sich doch an der Caritas ein Beispiel nehmen!" zitierte Sieberer eine gängige Meinung.

Etwa 300 Teilnehmer waren der Einladung zu einer der wichtigsten Bildungs- und Diskussionsveranstaltung der katholischen Kirche Österreichs gefolgt. Im gleichen Saal des Bildungshauses St. Virgil, in dem Ende Oktober die Delegiertenversammlung zum "Dialog für Österreich" stattgefunden hatte, wurde auch jetzt wieder vorgetragen und diskutiert.

Vereinzelt entdeckte man noch von damals her bekannte Gesichter, diesmal war bloß kein Journalistentroß zur Stelle. Dagegen schaute strahlend schönes Winterwetter durch die großen Fenster in den St. Virgil-Saal. Weißer Dampf nebelte aus den Lüftungsrohren und konnte als "weißer Rauch" - traditionelles Zeichen für die gelungene Entscheidung - oder als "viel heiße Luft" interpretiert werden.

Dementsprechend gingen Einschätzungen über den Erfolg der Tagung auseinander. Für Gustl Schwarzmann, Leiter des Bildungshauses Wörgl, war die Veranstaltung eine "Caritas-Tagung" und damit hinter dem geblieben, was er sich erhofft hatte - Antwort auf die Frage: "Wie kommen wir zu einer diakonischen Pastoral?" Der Beifall aus dem Auditorium ließ darauf schließen, daß seine Meinung kein Ausreißer im common sense war. Auch Sebastian Schneider vom Österreichischen Pastoralseminar schlug in die gleiche Kerbe: "Der Anstoß für eine Wende hin zur diakonischen Pastoral ist auf dieser Tagung nicht gelungen."

Veranstalter Sieberer konterte, indem er auf die partnerschaftliche Ausrichtung der Pastoraltagungen verwies: So wie in den vergangenen Jahren Themen rund um Kinder- und Jugendpastoral den Ablauf bestimmten, so sei dieses Treffen eben von der Caritas geprägt. Er sei nicht unzufrieden und riet den Teilnehmern, immer dort "Pastoral" einzusetzen, wo im Laufe der Tage von "Caritas" die Rede war.

Ob weißer Rauch oder heiße Luft - viel Übersetzungsarbeit bleibt auf alle Fälle, um den Begriff "diakonische Pastoral" mit Inhalt zu füllen. Eine vom Würzburger Pastoraltheologen Rolf Zerfaß vorgetragene These (vgl. nachstehendes Interview) verriet den keineswegs geringen Anspruch dieser theologischen Richtung: "Diakonische Pastoral bringt uns wieder in die Balance und unsere Pastoral wieder auf den Kurs Gottes mit der Welt." Für Zerfaß ist Gott nicht nur im "religiös ausgeschilderten Raum" auffindbar, er berief sich auf ein Wort des Aktionskünstlers Joseph Beuys: "Die Mysterien finden im Hauptbahnhof statt."

Blick auf Lücke vor Ort Von den Möglichkeiten und Grenzen der Pfarrcaritas erzählte Johanna Strasser-Lötsch, in der Diözese Linz an der Entwicklung des Leitbildes für Pfarrcaritas beteiligt. Die spirituelle Kraft der Pfarrcaritas ist für sie, das "Wahrnehmen des je persönlichen Gesichtes, auch wenn dieses Gesicht von Runzeln und Falten, Enttäuschungen, Fehlern und Aggressionen gezeichnet ist." Caritas-Präsident Franz Küberl stellte in seinem Referat die Frage, ob nicht den Diakonen in den Pfarren eine "akzentuiertere Aufgabe" zugewiesen werden sollte und sie "als gemeinsame Identität karitative Koordinationsfunktionen wahrnehmen könnten".

In Richtung eines "klaren Blicks auf die Lücke vor Ort" ging eine Option des Linzer Caritaswissenschaftlers Markus Lehner: Caritas solle neben der globalen Kompetenz vor allem als "local player" in Erscheinung treten, und Sozialarbeit - getragen von Pfarren oder freien Initiativen - stärken. Interessanterweise sieht Lehner den Unterschied zwischen Visionen und Optionen in der Quantität: Visionen könne man viele haben, Optionen nur wenige, sonst "verdampfen sie ins Unverbindliche". Und der Kabarettist Christian Wallner brachte bei der Tagung die Frage nach diakonischer Pastoral so zum Ausdruck: "Das Herz eines 70jährigen hat 70 Milliarden Mal geschlagen - Wofür?"

Hinweis: Das Buch zur Pastoraltagung 1998 ist über das Österr. Pastoralinstitut, Stephansplatz 3/3, 1010 Wien, erhältlich.

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