Wo einmal der Osten war

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Urlaube kommen in Mode, aber Kunst und Kultur gilt es noch zu entdecken. Kunst aus Mittelosteuropa - ein weißer Fleck in unserer Wahrnehmung. Das Dossier stellt die Kunstsammlung der Erste Bank-Gruppe vor, die sich dieser Kunst systematisch widmet, und porträtiert den slowakischen Künstler Roman Ondák - als Auftakt zu weiteren Künstlerporträts. Redaktion: Cornelius Hell in Zusammenarbeit mit der Erste Bank

Osteuropa" war schon immer falsch: dass Prag westlich von Wien liegt, hat sich herumgesprochen. Die Bezeichnung "postkommunistische Länder" bestimmt eine ganze Region von einer Vergangenheit her, die mittlerweile zwei Jahrzehnte zurückliegt. "Reformstaaten" ist despektierlich gegenüber Ländern, die im fünften Jahr ihrer EU-Mitgliedschaft schon viele Reformen erfolgreich hinter sich haben - vielleicht sollte man eher das EU-Gründungsmitglied Italien als "Reformstaat" bezeichnen, solange es der Mafia und des Mülls in Neapel nicht Herr wird.

In letzter Zeit ist CEE in Mode gekommen (Central and Eastern Europe) oder MOEL (Mittelosteuropäische Länder), weil man ja auch auf Deutsch gut abkürzen kann. Diese adretten Kürzel wirken klinisch rein, objektiv und deskriptiv, doch auch dahinter kann sich Aus- und Eingrenzung verstecken, wenn sie für den Ex-Ostblock zu stehen kommen, von dessen von uns diagnostizierten Gemeinsamkeiten wir, der Ex-Westen, uns abgrenzen.

Der Eros des Ostens

Für die Furche war dieser Raum schon immer interessant: Im Kommunismus, als Texte von Dissidenten wie Václav Havel eigens für diese Zeitung übersetzt wurden, in der Nach-Wende-Zeit, als Reise- und Gesellschaftsreportagen einen freien Blick ermöglichten. Und bis heute legen wir großes Augenmerk auf Autorinnen und Autoren aus diesem Raum, weil sie Geschichten aufgreifen, die in diesem Raum auf der Straße zu liegen scheinen, und sie mit literarischen Methoden gestalten, die den unseren so ähnlich und doch erkennbar anders sind.

Autorinnen und Autoren aus dem mittelosteuropäischen Raum gehören mittlerweile zum kulturellen Allgemeingut - nicht nur Nobelpreisträger wie Wisawa Szymborska oder Imre Kertész. Auch Komponisten wie Arvo Pärt, György Ligeti oder György Kurtág sind aus unseren Konzertprogrammen nicht mehr wegzudenken, und wer will, kann leicht auch weniger bekannte Musiker aus kleinen Ländern wie Litauen oder Slowenien entdecken. In der bildenden Kunst jedoch findet man selbst unter Experten nur wenige, die sich zumindest in den Nachbarländern gut auskennen; keine Rede davon, dass man deren Künstler zuhauf in den Wiener Galerien entdecken könnte.

Wer die Risiken und Mühen der Literaturübersetzung kennt, mag denken, die bildende Kunst hätte es beim Übertritt in andere Sprachräume leichter. Doch tatsächlich hat sie es oft schon im eigenen Land schwerer. Um überleben zu können, sind bildende Künstler angewiesen auf Ausstellungsräume, eine funktionierende Galerienszene und nicht zuletzt auf eine potente Käuferschicht. Ohne diese Voraussetzungen in der Heimat ist es schwer, in anderen Ländern Fuß zu fassen. Zumal der Ex-Westen, gelinde gesagt, auch nicht besonders neugierig war. Österreich, der große Gewinner der EU-Osterweiterung, zeigt immer wieder, dass es schon auf die Menschen aus den Nachbarländern nicht besonders neugierig ist. Wie könnte es sich da für deren Kunst interessieren.

Ein Fenster in die Kunstszene

Die Furche will daher ein Fenster öffnen in die Kunst der mittelosteuropäischen Länder. Sie hat dazu einen starken Partner gefunden, der in diesem Raum seit etlichen Jahren intensive Erfahrung gesammelt hat: die Erste Bank-Gruppe mit ihrer Kunstsammlung "Kontakt". Die Länder, in denen die Bank tätig ist, liegen innerhalb und außerhalb der EU. Gerade Serbien und Kroatien haben eine besonders starke Kunstszene. Die EU-Außengrenzen sind eben keine Kulturgrenzen.

Die Furche wird Künstlerinnen und Künstler aus der Sammlung "Kontakt" mit ihren Werken porträtieren, aber auch die Kunst- und Galerienszene wichtiger Städte vorstellen. Das vorliegende Dossier schließt mit einem Porträt des slowakischen Künstlers Roman Ondák, sechs weitere solcher Porträts aus unterschiedlichen Ländern werden noch in diesem Jahr folgen.

Impulse aus und für Österreich

Ungarische Wellness-Oasen, die Küste Kroatiens oder der Städteurlaub in Prag kommen langsam in Mode, aber mit den Details aus Geschichte, Kunst und Kultur dieser Länder ist man in Österreich noch immer recht schnell überfordert. Und nicht einmal die Fachleute sind fähig, eine Kunstgeschichte dieser Region zu schreiben - für die Österreich wesentliche Impulse gegeben hat und auch selbst bekommen könnte. Unter widrigen Umständen sind in den engeren und weiteren Nachbarländern wunderbare Künstlerinnen und Künstler hervorgetreten. Erst in den letzten Jahren konnten sie sich zunehmend internationalen Respekt verschaffen - vor allem, wenn sie - wie der Slowake Július Koller oder der Pole Edward Krasi´nski - schon tot sind. In den kommenden Monaten werden Sie in der Furche lesen und sehen, was uns entgeht, wenn wir diese Kunstszene ausblenden.

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