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"Viele Hoffnungen ändern sich ja im Lauf unseres Lebens; was aber bleibt, das ist ein vages Sehnsuchtsgefühl, verbunden mit der Aussicht auf 'Geschenke' aller Art."

Jetzt war es also das letzte Mal: 20 Jahre lang habe ich Freunden und Bekannten einen Weihnachtsbrief geschrieben. Als Versuch, die Botschaft des Festes in den Kontext unseres Zeitgeistes zu stellen. War bemüht, nicht in ausgetretenen Spuren zu wandeln, nicht religiös zu überfordern -und nicht in Süßlichkeit zu versinken. Mehr und mehr habe ich dabei die Schwierigkeit gespürt, Brücken zwischen dem Traum von Weihnachten und der gelebten Realität zu finden -aber auch, wie aufwendig und zeitraubend es geworden ist, mehr als 200 Briefe auf den Weg zu bringen. Für digitale Massensendungen bin ich zu altmodisch.

Mein jüngster Brief kreist um den Advent, um das Warten -und um die Frage, was wir eigentlich erwarten. Viele Hoffnungen ändern sich ja im Lauf unseres Lebens; was aber bleibt, das ist ein vages Sehnsuchtsgefühl, verbunden mit der Aussicht auf "Geschenke": gegenständliche, emotionelle und religiöse.

Dabei richtet sich der Blick meist nach außen: auf das Kind in der Krippe. Auf unsere Familien und Freunde. Auf gute Menschen. Auf Schicksale. Auf mehr Vernunft bei Mächtigen. Auf den Sieg der Herzen über Interessen

Unterwegs über den Athos sind mir zuletzt die Gedanken zweier Inder zugefallen: Mahatma Gandhi und Rabindranath Tagore. Beide waren gläubige Hindus -und doch Bewunderer von Jesus, dessen Geburt wir jetzt feiern. Was beide hinterlassen haben, das hat meine Hoffnung auf Geschenke ziemlich beschämt.

So schreibt der Asket und Pazifist Gandhi: "Verwechseln wir die Lehre Jesu nicht mit dem, was in der westlichen Zivilisation als 'Christentum' gilt. Es ist kein Christentum -es ist die Verneinung der Bergpredigt. Denn Jesus sagte:'Ihr könnt nicht Gott und dem Mammon dienen.' Und er wusste, dass sich die 'Kultur des Geistes' der 'Kultur des Herzens' unterwerfen muss!"

Der Glanz unverdienter Feste

Beim Dichter und Philosophen Tagore habe ich gelesen: "Niemand sollte Weihnachten an einem bestimmten Tag des Kalenders festmachen. Denn hineingeboren in unser Leben wird Jesus erst an dem Tag, an dem wir mit ehrlicher Liebe einen Menschen 'unseren Bruder' oder 'unsere Schwester' nennen - ganz unabhängig davon, wann das geschieht."

Und bitter fügt Tagore hinzu: "Jetzt aber werden an einem besonderen Tag in allen Ländern und Kirchen die Loblieder auf seine Geburt gesungen. Außerhalb dieser Kirchen aber ist die Erde vom Blut derer getränkt, die von Brüdern umgebracht wurden "

Seit ich das gelesen habe, frage ich mich:

Welches Fest -und Geschenk -haben wir uns wirklich verdient -jede und jeder von uns?

Was haben wir beigetragen, dass es in und um uns besser, schöner und "heiler" wird?

Aber auch: Ist nicht gerade dies der Glanz und Ansporn großer Feste -dass sie letztlich unverdient sind -und also die wahren Geschenke?

Ihnen allen wünsche ich ein gesegnetes, auch nachdenkliches Fest!

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