Zielsetzungen der Religionen in Europa

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Als erstes Ergebnis der Initiative der "Weltkonferenz der Religionen für den Freiden" wurde nach dem Wiener Symposion von Vertretern der beteiligten Religionsgemeinschaften im November 1998 nachstehend dokumetierte Resolution über die Rolle der Religionen in Europa proklamiert.

Der Ruf nach der "Seele Europas" darf nicht ungehört bleiben oder verstummen. Vertreter der drei Religionen, die Europas Antlitz in besonderer Weise gezeichnet haben und auch heute prägen, sind aus den Ländern vorhergehender, gegenwärtiger und nachfolgender Präsidentschaft in der Europäischen Union zusammengekommen und erklären, daß sie sich in der je eigenen Gemeinschaft für folgende Zielsetzungen nach Kräften einsetzen werden: 1. Die Religionen stehen im Dienste Gottes und der Menschen. Sie müssen die Herausforderungen der heutigen historischen und politischen Situation(en) des Kontinents annehmen. Dies betrifft vor allem die genuine Toleranz und konstruktive Kooperation im Bereich von Versöhnung und Frieden, von Recht und Würde eines jeden Menschen.

2. Jenseits von überheblicher Schuldzuweisung gegeneinander und gegen andere sollen die Religionen aus den Höhen und Tiefen der bewegten, oft leidvollen Geschichte Europas lernen und Pluralismus und Demokratie ernst nehmen. Die von blutigen Verfolgungen (vielfach durch blinden religiösen Eifer betrieben), von schrecklichen Revolutionen und Weltkriegen verursachten Leiden dürfen auf dem Wege zur Versöhnung nie verdrängt werden. Sie bleiben uns allen Mahnung, daß nur Wahrheit und im Gewissen verantwortetes Handeln zu echter Freiheit führen können.

3. Die Religionen sollen ihre Kräfte in die Gestaltung eines neuen Europas einbringen. Diese erwachsen aus den mystischen Erfahrungen, ethischen Werten, der "sinnstiftenden" Botschaft und dem sozialen Gewissen der Religionen und dem großen, dort geborgenen persönlichen und gemeinschaftlichen Motivationspotential. All das hat die europäische Identität geprägt und in Kult, sakraler Kunst und Kultur kostbare Früchte getragen.

4. Die Religionen sollen Anwälte eines für alle glückenden menschlichen Lebens sein und ihre Stimme im gegenwärtigen Europa vor allem dort erheben, wo dieses Leben durch kurzsichtige Horizontverengung, egoistischen Konsumismus und einseitige Wirtschaftsorientierung gefährdet ist.

5. Im Zuge einer Besinnung auf die Wurzeln dieses Kontinents ist besonders auf den Mittelmeerraum hinzuweisen, der in der Geschichte für Begegnungen der Religionen und Kulturen besonders bedeutsam war und es in Zukunft wohl auch sein wird.

6. Im Blick auf die negativen Auswirkungen eines weltweiten europäischen Kolonialismus sollen die Religionen die globalen Auswirkungen eines Zusammenschlusses der Länder Europas nicht aus dem Blick verlieren. Die gerechte Verteilung der Güter unter allen Menschen und Völkern, der ehrfürchtige Umgang mit dem Lebensraum der ganzen Erde und die maßvolle Gestaltung der Möglichkeiten von Wissenschaft und Technik müssen in die Zielsetzungen eines Vereinten Europas aufgenommen werden.

Rabbiner Albert Friedlander, England, Ehrenpräsident der Weltkonferenz der Religionen für den Frieden (WCRP) Rektor Petrus Bsteh, Kontaktstelle für Weltreligionen der Österreichischen Bischofskonferenz, Leiter von WCRP Österreich Nadeem Elyas, Präsident des Zentralrates der Muslime in Deutschland

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