Zur Relativierung bereit?

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Nicht nur ein Verstehens-Dialog zwischen den Religionen und Weltanschauungen ist notwendig. Auch ein Konfliktbereinigungs-und Annäherungs-Dialog muss geführt werden.

Die Empörung, die ein vom Papst unbedacht verwendetes und inhaltlich völlig negatives Zitat über den Propheten Mohammed in der islamischen Welt ausgelöst hat, zeigt schlaglichtartig auf, wie es um den Dialog der Religionen wirklich steht. Meistens wird damit nur ein Dialog gemeint, der den anderen zu verstehen sucht, ihn selbst zu Wort kommen lässt und bereit ist, eigene Vorurteile zu korrigieren. Ein solcher "Verstehens-Dialog" ist eine Vorbedingung für gegenseitige Toleranz und daher auch für ein Zusammenleben von Menschen, die verschiedenen Religionen angehören. Allerdings müssten die Religionsgemeinschaften in der Welt von heute auch das Gespräch mit Vertretern anderer Weltanschauungen suchen, vor allem mit Atheisten.

Keine Scheinharmonie

Schon diese Form des Dialogs ist schwierig, wenn man nicht um einer Scheinharmonie willen heiklen Themen ausweicht. Aber es wäre eine große Täuschung, anzunehmen, dass ein solches Verstehen der anderen gleichsam von selbst zu einem gegenseitigen Einvernehmen und konfliktfreien Miteinander führen wird. Es kann Ängste auslösen oder verstärken und eine größere Entfremdung bewirken. In diesem Verstehensdialog oder auf andere Weise kann sich zeigen, dass in wichtigen Fragen, die für das Zusammenleben relevant sind (Menschenrechte, Unverletzlichkeit des Lebens, soziale Gerechtigkeit und so weiter), grundsätzliche Differenzen bestehen. Dann ist ein Dialog zur Konfliktbereinigung und zu einer Annäherung der Standpunkte nötig, der viel schwieriger ist als der bloße Verstehensdialog.

Eine solche Konfliktbereinigung kann nicht mehr voraussetzen, dass die "gleiche Augenhöhe" im Dialog verlangen würde, alle Standpunkte als gleich gültig anzusehen, so dass es gleichgültig wäre, welchen man vertritt. Dann könnte man sich das Gespräch ersparen, die Konflikte wären unlösbar. Vielmehr wird jede Seite zunächst davon ausgehen, dass der gegensätzliche Standpunkt wenigstens zum größeren Teil unrichtig ist. Das darf jedoch nicht dazu führen, sich als Person für besser oder erhabener zu halten. Die fundamentale Gleichheit der Menschen besteht nicht in einer Gleichwertigkeit ihrer Ansichten und Handlungen, sondern in ihrer Würde, unabhängig von Stand, Bildung, Leistungsfähigkeit, Religion oder Weltanschauung, ohne dass diese als gleichwertig angesehen werden müssen und können.

Wenn man einen solchen Dialog zur gewaltfreien Konfliktbereinigung und Annäherung der gegensätzlichen Standpunkte versucht, ohne faule Kompromisse zu schließen, wird man bald merken, dass man dabei Voraussetzungen machen muss, die diesen Weg zu einer Lösung beinahe als utopisch erscheinen lassen: Er setzt nämlich auf beiden Seiten nicht nur die Fähigkeit und Bereitschaft voraus, einander ohne Hinterhältigkeit zu begegnen und die Wahrheit zu sagen (das gilt bereits für einen Verstehensdialog, der nicht nur Höflichkeiten austauscht), sondern darüber hinaus noch den Willen zu einem Zusammenleben, ohne die andere Seite zu übervorteilen, sowie die Anerkennung der Tatsache, dass die eigene Sichtweise immer geschichtlich bedingt und begrenzt, daher anfällig für Irrtümer ist.

Anfällig für Irrtümer

Gerade diese Forderung, mit eigenen Irrtümern zu rechnen, macht es für die Religionen so schwer, einen solchen Dialog zur gegenseitigen Annäherung zu führen. Denn sie neigen von Natur aus dazu, die Absolutheit Gottes auch der eigenen Religion zuzuschreiben, vor allem, wenn sie sich auf göttliche Offenbarung berufen. In einem Zirkelschluss wird dann die Tatsache und das richtige Verständnis dieser Offenbarung damit begründet, dass es sich um eine Offenbarung Gottes handelt, der sich nicht irren kann; ohne zu bedenken, dass es immer Menschen sind, die glauben, solche Botschaften Gottes empfangen zu haben, und die sie immer unter ihren Verstehensvoraussetzungen aufnehmen (vgl. zu dieser Problematik in der Ringparabel Furche 1/2006, Seite 11). Es ist also ein Aufgeben jedes fundamentalistisch begründeten Absolutheitsanspruchs von Religionen und Weltanschauungen erforderlich, das heißt eine prinzipielle Bereitschaft zur Relativierung der eigenen Auffassung oder Lehre, die keinesfalls Relativismus bedeutet. Dieser würde jede Suche nach einer gemeinsamen Lösung aufheben.

Die Bereitschaft zur Korrektur der eigenen Ansicht und das gemeinsame Ringen um die bessere Antwort setzen ihrerseits die Fähigkeit des Menschen voraus, die Wahrheit auch in schwierigen Fragen von Weltanschauungen und Religionen und ihren Konsequenzen für das Zusammenleben zu erkennen, ohne es bloß nach dem eigenen Vorteil oder dem der eigenen Gruppe, des eigenen Volkes und so weiter auszurichten; und zwar eine Wahrheit, die für alle Menschen gemeinsam gilt und prinzipiell von allen erkannt werden kann. Wenn Menschen das eigene Dasein und das vorgegebene menschliche Miteinander für das Produkt eines sinnlosen Zufalls halten, werden sie kaum Hoffnung haben, dass es einen solchen gemeinsamen Maßstab gibt und sie ihn finden können. Zumindest ein Vorschuss an Vertrauen in die Sinnhaftigkeit des mitmenschlichen Lebens und damit auf die Möglichkeit seines Gelingens ist also Voraussetzung für eine Annäherung gegensätzlicher Standpunkte.

Das bedeutet noch keinen Glauben an Gott als sinngebenden Daseinsgrund, aber sehr wohl ein Offenhalten der Gottesfrage; oder anders gesagt, dass niemand die Stelle Gottes einnehmen und selbst die Maßstäbe von Gut und Böse bestimmen will, wodurch er sich über die anderen stellt. Es erfordert den guten Willen, nach bestem Wissen und Gewissen, also mit dem mitgegebenen Gespür für das Wahre und Gute (dem vorrationalen Ur-Gewissen vor den Gewissensurteilen, die auch irrig sein können), zu erkennen, worin die Lösung der Konflikte bei gutem Willen aller Beteiligten - sowohl der Gläubigen als auch der Atheisten - bestehen könnte.

Polytheismus nicht besser

An dieser Stelle ist der heute propagierten Ansicht zu widersprechen, dass der Monotheismus als solcher zur Gewalttätigkeit führe (Jan Assmann) und dass der Polytheismus die bessere Grundlage für das menschliche Zusammenleben sei (Odo Marquard). Wenn Einzelne oder Völker im Namen ihres je eigenen Gottes gegeneinander stehen, wird das viel eher zur Gewalt führen, als wenn sich alle miteinander demselben Gott verantwortlich fühlen. Allerdings hängt es nochmals vom Gottesbild der jeweiligen monotheistischen Religion ab, ob der Glaube an diesen einen Gott zum Frieden führt. Wenn dieser Gott so gedacht und geglaubt wird, dass er das eigene Volk oder die eigene Religionsgemeinschaft bevorzugt und die Anders-oder Ungläubigen in ihrer menschlichen Würde nicht ebenso bejaht wie die Angehörigen der eigenen Religion, dann ist eine solche Religion keine Basis für ein friedvolles Miteinander. Mit dieser Frage nach dem Gottesbild und wie man zu diesem ohne Fundamentalismus kommen kann, müsste ein Dialog zur Konfliktbereinigung und Annäherung der Religionen untereinander und mit dem Atheismus beginnen. Überzeugen wird dabei nur das Beispiel der eigenen Praxis.

Der Autor ist Dozent für Pastoraltheologie an der Universität Innsbruck.

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