"Zurück zum Internationalismus"

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Jack Carter, ältester Sohn des früheren US-Präsidenten, im Furche-Gespräch: über seine Kandidatur für einen der beiden Senatssitze des Bundesstaats Nevada, die Fehler der Bush-Regierung, Versäumnisse der Demokraten, Unterschiede zu seinem Vater und seinen VW-Käfer.

Die Furche: Sie kandidieren in Ihrer Wahlheimat Nevada gegen einen Amtsinhaber, der schwer zu schlagen ist. Wieso tun Sie sich das an?

Jack Carter: Die Bush-Regierung hat schwere Fehler begangen und dabei sehr viel Geld verschleudert. Sie macht eine Politik, die nur einer Gruppe von Amerikanern zugute kommt. Um die andere kümmert sie sich nicht. John Ensign ist einer jener Republikaner im Senat, der zu hundert Prozent auf Bushs Seite steht. Die Bevölkerung in Nevada hat, wie auch ich, einfach davon die Nase voll.

Die Furche: Über was klagen die Wähler in Nevada denn am meisten?

Carter: Ich war sehr überrascht, dass eines der wichtigsten Themen in Nevada die unzureichende medizinische Versorgung der heimkehrenden verletzten Soldaten ist. Die Betroffenen klagen darüber, wie schwer es ist, die versprochene Hilfe zu bekommen. Die Regierung lässt sie einfach im Regen stehen.

Die Furche: Hätten sie 2003, wie die Mehrheit der demokratischen Senatoren auch für den Einmarsch in den Irak votiert?

Carter: Das ist schwer zu sagen, wenn man sich nicht in der Situation befindet. Aber zwei Dinge haben mir sehr zu denken gegeben: Erstens bin ich der Meinung, dass die USA nicht das Recht hat, die alleinige Weltpolizei zu spielen. Nur weil manche Länder uns nicht mögen, heißt das noch lange nicht, dass man sie angreifen sollte. Zweitens hatten wir UN-Inspektoren vor Ort, die keine Massenvernichtungswaffen gefunden haben. Als Geschäftsmann weiß man, dass man Dinge vorher genauestens prüfen muss, bevor man Risiken eingeht. Das wurde hier nicht gemacht.

Die Furche: Die USA haben im Irak kläglich versagt. Was kann man tun, um die Situation zu entschärfen?

Carter: Ich glaube, wir müssen noch stärkeren Druck auf die irakischen Politiker ausüben. Wenn sie es nicht schaffen, eine Regierung auf die Beine zu stellen, die alle drei Ethnien miteinbezieht, dann ist es auch für uns schwer zu helfen.

Die Furche: Viele Amerikaner meinen, man sollte die US-Truppen sofort abziehen, da sie der Hauptgrund für die anhaltende Gewalt im Irak sind.

Carter: Ich bin zum jetzigen Zeitpunkt dagegen, die Truppen abzuziehen. Die USA haben Schuld daran, dass es solch signifikante Probleme im Irak gibt. Ich fühle mich dafür verantwortlich. Da können wir nicht einfach davonlaufen. Aber ich bin für konkrete Fristen, nach deren Ablauf die irakische Regierung mit Lösungen aufwarten muss.

Die Furche: Bushs politische Mission, einen "neuen Nahen Osten" zu schaffen, scheint gescheitert.

Carter: Dieses Konzept kann nicht aufgehen, weil es die USA in den letzten Jahren verabsäumt haben, in Zusammenarbeit mit allen Beteiligten Lösungen für die anstehenden Probleme in der Region zu finden. Die US-Regierung weigert sich hartnäckig, mit den Hauptakteuren vor Ort - wie Iran und Syrien - überhaupt zu kommunizieren. Wir haben uns faktisch von dort verabschiedet.

Die Furche: Der Irakkrieg hat viel damit zu tun, dass das Ansehen der USA weltweit sehr schlecht ist. Wie kann man das ändern?

Carter: Ich habe sechs Jahre auf den Bermudas gelebt, also gewissermaßen im Ausland. Ich glaube, dass die Menschen die Amerikaner selber mögen, allerdings die US-Regierung und ihre Politik nicht. Das kann sich meiner Meinung nach aber schnell ändern. Nämlich dann, wenn wir anfangen, eine vernünftige Politik zu machen. Dazu brauchen wir aber erst einmal einen neuen Kongress, der die jetzige Regierung zur Verantwortung zieht und einen anderen Weg einschlägt. Ich hoffe, dass uns dies in diesem Jahr gelingt und wir wieder zu einer Politik zurückkehren, welche die internationale Kooperation sucht.

Die Furche: Sie sind, wie Ihr Vater, bekennender Christ. Die Mehrheit der Evangelikalen, denen sie auch angehören, haben 2004 Bush gewählt. Was können die Demokraten tun, um diese Wähler für sich zu gewinnen und somit den Kongress zurückzuerobern?

Carter: Ich glaube, dass die Frage der Religion überbewertet wird. Jesus ist der Friedensfürst und das Christentum die Religion der Liebe. Mehr ist es im Prinzip nicht. Die Demokraten haben es leider verabsäumt, dort mit den gläubigen Christen zu reden, wo sie zu finden sind. Nämlich im ländlichen Amerika. Die Demokraten gehen in den Städten wahlkämpfen und haben die Bevölkerung in den Dörfern und Kleinstädten vergessen. Wenn wir dort den Menschen nicht klarmachen, für was wir stehen, dann können wir auch nicht gewinnen.

Die Furche: Manche Menschen sagen, Ihr Vater Jimmy Carter war zwar der schlechteste Präsident der USA, ist aber der beste Ex-Präsident, weil er ein richtiger Friedensaktivist ist.

Carter: Jimmy Carter war keinesfalls der schlechteste Präsident der USA. Neben John F. Kennedy war er hinsichtlich der Umsetzung von Gesetzen wohl am erfolgreichsten. Er war immer ein Vordenker und hat viele nachhaltige Gesetze initiiert. Man denke da an seine Umwelt-und Energiepolitik. Menschen denken zuweilen negativ über ihn, weil damals einfach viel passiert ist: Energiekrise, hohe Zinsen als Folge des Vietnam-Kriegs und natürlich die Geiselnahme im Iran, die 444 Tage dauerte. Aber immerhin sind alle lebend herausgekommen.

Die Furche: Hat Ihr Vater Sie dazu überredet, in die Politik zu gehen?

Carter: Nein, im Gegenteil. Er war erst einmal überrascht und schockiert, als er hörte, dass ich für den Senat kandidiere. Eigentlich wollte er mich davon abbringen.

Die Furche: Aber Sie fragen Ihren Vater zuweilen nach Rat in politischen Dingen?

Carter: Ja, sicherlich. Doch wir sind sehr verschieden. Er glaubt immer noch daran, dass Menschen rational handeln und in Krisensituationen sich erst einmal an einen Tisch setzen, um eine Lösung zu finden. Ich glaube daran leider nicht. Aber hinsichtlich Wahlkampf gibt er mir immer hilfreiche Tipps, die ich versuche umzusetzen.

Die Furche: Ich habe gehört, Sie fahren ein deutsches Auto. Ist das wahr?

Carter: Ja, ich fahre einen VW-Käfer, einen von der neuen Generation. Aber ich nehme ihn nie, wenn ich zu Gewerkschaftsveranstaltungen fahre. Da kreuze ich dann doch lieber mit einem amerikanischen Auto auf.

Das Gespräch führte Heike Warmuth.

In des Vaters Fußstapfen

Mehr als ein Viertel Jahrhundert lang hat es gedauert, bis wieder einmal ein Carter die politische Bühne der USA betritt. Jack Carter (59), der älteste Sohn des ehemaligen US-Präsidenten Jimmy Carter, wagt den Schritt und kandidiert in diesem Jahr für einen der beiden Senatssitze Nevadas. Dort lebt der Geschäftsmann, der nicht nur wie sein Vater aussieht, sondern auch das gleiche Lachen hat, seit 2002. Abgesehen davon, dass er in den 60er und 70er Jahren für seinen Vater wahlgekämpft hat, ist er ein Newcomer in der politischen Szene. Für Jack Carter ist es ein langer Weg nach Washington. Aber die Chancen, dass er gewinnt, stehen nicht schlecht. Der amtierende Senator, der Republikaner John Ensign, kann zwar auf einen großen Wahlkampftopf - gefüllt mit Spenden der umtriebigen Bauherren und Kasinobesitzer des expandierenden Las Vegas - zurückgreifen. Aber die Tatsache, dass Nevada zu den so genannten "purple states" (40% registrierte Demokraten, 40% Republikaner) gehört und sowohl Ensign als auch die republikanische Partei im Moment nicht die besten Umfragewerte vorzuweisen haben, kann sich positiv auf die Kandidatur Carters auswirken.

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