Zuviel für ein Wochenende

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EU-Gipfel in Pörtschach, Grünenparteitag in Bregenz, 350 Jahre Westfälischer Frieden in Münster, Weltcupauftakt in Sölden: Zuviel für ein Wochenende? In Salzburg trafen sich 280 Delegierte und 15 Bischöfe einer Kirche, "der es nicht gut geht".

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EU-Gipfel in Pörtschach, Grünenparteitag in Bregenz, 350 Jahre Westfälischer Frieden in Münster, Weltcupauftakt in Sölden: Zuviel für ein Wochenende? In Salzburg trafen sich 280 Delegierte und 15 Bischöfe einer Kirche, "der es nicht gut geht".

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Sanftheit, Geduld, Besonnenheit, Kenntnis und Weisheit, vor allem aber die Demut sind anerkannte Konzilstugenden in der Kirche seit jeher. Die Salzburger Delegiertenversammlung zum "Dialog für Österreich" war zwar kein Konzil, keine Synode im engen Sinn. Trotzdem, daß Bischöfe und Delegierte genannte Tugenden hochhielten, hatte einen beträchtlichen Anteil am guten Ausgang der Veranstaltung. Das erfreuliche Endergebnis war keineswegs von vornherein zu erwarten.

Den stimmungsvollen Auftakt zu den gemeinsamen Tagen bildete ein Vespergottesdienst im Salzburger Dom. "Ein wahrlich guter Abend" nannte der Grazer Diözesanbischof Johann Weber, der in Vertretung für den an Lungenembolie erkrankten Kardinal Schönborn die Rolle des Vorsitzenden übernommen hatte, die Stunde des Zusammentreffens. Und bald darauf erhellten Hunderte Lichter, ausgehend und weitergegeben vom Feuer der großen Tagungskerze, die Domfassade, bis Bischöfe, Delegierte und Vertreter anderer Kirchen (auch Touristen mischten sich darunter) in das Kirchenschiff einzogen: Die Delegiertenversammlung hatte begonnen.

"Blickt einander mit Wohlwollen ins Auge, geht aufeinander zu mit den Füßen der Barmherzigkeit und Geduld", appellierte Weber in seiner Ansprache, und die Journalistin Barbara Coudenhove-Kalergi beantwortete in ihrer Predigt die Frage nach dem Ziel des Dialogs "mit der Vision von einer Kirche, die so weit und so tief und so katholisch-umfassend ist, daß wir alle in ihr Platz haben". Mit dem Ende der Vesper waren auch die vielen zu Anfang entzündeten Kerzen abgebrannt und erloschen. Der Dom leerte sich, und die Delegierten stapften durch die Dunkelheit zum Empfang in die Salzburger Residenz. Das Licht der Tagungskerze brannte jedoch weiter.

Auch am nächsten Tag, als sich alle zum Eröffnungsplenum im größten Saal des Bildungshauses St. Virgil einfanden. Und wieder war Bischof Weber an der Reihe: "Warum sind wir da? Weil es uns nicht gut geht!" Eindeutige Schuldzuweisungen seien allerdings unangebracht, denn verschiedenste Faktoren, die zur problematischen Lage der Kirche in Österreich geführt hätten, könnten aufgezählt werden. Dies alles habe schließlich dazu beigetragen, daß viele heute sagten: "Es reicht!" Er hoffe "auf eine Morgendämmerung in Österreich", auf einen "neuen Morgen der Kirche". Daß gerade an diesem Wochenende die Uhren von Sommer- auf Winterzeit umgestellt werden, ist für Weber schöne Symbolik: "Wir haben mehr Zeit für die Morgendämmerung".

Trotz der einen Stunde Zeitgewinn war die Zeitnot von Anfang an spürbar. Das wurde in allen Berichten aus den zwölf Dialoggruppen, die Samstagnachmittag und -abend über zwölf "Themenkörbe" diskutierten, beklagt. "Man bräuchte mehr Zeit", hieß es, oder: "Die knapp bemessene Zeit ließ nicht mehr zu." Und im Gegensatz zum größtenteils sehr guten Gesprächsklima in den Gruppen, sprachen Delegierte vom Zeitdruck als dem "einzigen, was uns in die Enge getrieben hat". Otmar Stütz aus der Diözese Linz, Moderator jener Dialoggruppe, die sich mit dem Thema "Die frohe Botschaft heute verkünden" befaßte, verglich die Erstellung der Voten, die dem Plenum zur Abstimmung vorgelegt wurden, mit der Geburt eines Kindes: "Die Zeitnot hat uns so zusammengedrückt, daß der herausgequetschte Text noch so runzlig wie ein Neugeborenes ist." Dieser Meinung ist auch der Salzburger Liturgiewissenschafter Frank Walz, für den die einzelnen Vorschlägen aufgrund der Zeitknappheit "absolute Rohentwürfe" geblieben sind, an denen noch gefeilt werden muß. Walz war bereits Delegierter beim Salzburger Diözesanforum 1996, dessen positives Ergebnis mit eine Ermutigung für den gesamtösterreichischen Dialogprozeß war. Das damalige Material ist, so Walz, fachlich kompetenter und viel reifer gewesen. Was hier vorliegt sei "teilweise sehr nebulos und biete keine konkrete Angriffsfläche".

"Rechts" neben "links" Für Christian Wallisch-Breitsching, Mitglied der bischöflichen Vorbereitungsgruppe der Delegiertenversammlung und früherer Sekretär des Diözesanforums, waren konkretere Ergebnisse "von den Strukturen her nicht machbar". Trotzdem findet er das Treffen "sehr sinnvoll": "Noch nie war ein so buntes Spektrum österreichischer Kirche versammelt, haben die verschiedensten Lager ein Wochenende miteinander verbracht, wobei in den Dialoggruppen sehr viel Verständigung passiert ist."

Zum Teil leistete auch die alphabetische Sitzordnung Verständigungsarbeit. Das Plenum war so angelegt, daß Bischöfe und Delegierte mit einander zugewandten Gesichtern und in alphabetischer Reihenfolge gegenübersaßen. Das führte zu ungewöhnlichen Konstellationen: Ingrid Thurner von der Plattform "Wir sind Kirche" saß neben Matthäus Thun-Hohenstein vom radikal-konservativen "Club Österreichischer Katholiken" - und beide gingen "per Du" auseinander. Thurner: "Ich bin stolz auf den ganzen Haufen."

Während das Plenum tagte, mit drei Minuten Redezeit limitierte Stellungnahmen abgegeben wurden, und man zu den einzelnen Voten aus den Dialoggruppen durch Abstimmung die "Wichtigkeit" feststellte, spielte das Wetter draußen alle Kapriolen. Schien die Sonne, war das Licht der Tagungskerze, die immer brannte, kaum zu sehen. Kamen dunkle Regenwolken und wirbelte der Herbstwind die Blätter an die Fenster, strahlte der Schein der Kerze stark.

Die Stimmung bei den Menschen im Saal änderte sich ebenfalls mehrmals. Herzliches Lachen wechselte mit forschen Unmutskundgebungen ab. Im besonderen brachte die als allzu starr empfundene Geschäftsordnung Konfliktstoff mit sich. Für Ursula Struppe, neben Otto Friedrich Redakteurin des Arbeitsdokuments zur Delegiertenversammlung, war durch den enormen Zeitdruck nichts anderes als eine "ganz straffe Ordnung möglich". Die Bedingungen seien aber für alle Anwesenden von Anfang an klar gewesen, und sie sei "formal zufrieden": der gesamte Prozeß sei "fair und transparent" abgelaufen.

Zu den heftigsten Diskussionen kam es naturgemäß bei den sogenannten kirchlichen "heißen Eisen": Beim Zölibat sprach sich die Versammlung mit großer Mehrheit für die Zulassung verheirateter bewährter Männer ("viri probati") zum Priesteramt aus. Zum Thema Einführung des Frauendiakonats konnte in der Dialoggruppe ein einstimmiger Beschluß gefaßt werden, der auch vom Plenum mit 212 Stimmen von 267 möglichen unterstützt wurde. Auch in Fragen der Sexualethik und bei der Bewertung der Homosexualität setzte sich eine, wie es die Gruppensprecher formulierten, "an der Lebenswirklichkeit der Menschen orientierte seelsorgliche Linie mit deutlichen Mehrheiten durch".

Der Fortsetzung des Dialogprozesses, zu dem eine Projektgruppe eingerichtet werden soll, welche die Weiterarbeit initiiert und begleitet, und die innerhalb von drei Jahren stattfindende nächste gesamtösterreichische Versammlung vorbereitet, stimmten 210 Delegierte zu. Zu den gesellschaftlichen Herausforderungen meinte Pater Johannes Schasching von der Katholischen Sozialakademie: "Kirche und Kirchen sind keine Auslaufmodelle, sondern Partner für eine Welt, die nach Werten sucht." Alle Voten der Salzburger Versammlung sind Meinungsbilder zu Handen der Bischofskonferenz, die nach Aussage von Bischof Weber beim nächsten Ad-limina-Besuch der österreichischen Bischöfe im November dieses Jahres auch in Rom vorgebracht werden.

Wegweisung gegeben "Die Themen werden uns nicht ausgehen", beteuerte Thomas Plankensteiner von "Wir sind Kirche". Er ist dankbar für den guten Geist, der in Salzburg gewirkt hat. Seine Hoffnungen haben sich "mehr als erfüllt". Die Anliegen "einer breiten Mitte in dieser Kirche" wurden vorgetragen und "ein deutlicher Beschluß zur Weiterarbeit gegeben". Die Tagungskerze wird also auch in kommenden Jahren brennen.

"Konsens ist ein Wort in vieler Munde, aber nicht von allen geliebt. Daß es zugleich etwas mit Wahrheit zu tun habe, wird ebenso leidenschaftlich geahnt und vertreten wie bestritten." Diesen Satz aus einer theologischen Habilitation mit dem Titel "Verständigung in der Kirche" bestätigte die Salzburger Delegiertenversammlung. Bischof Weber in seiner Schlußansprache: "Ein Bischof hat Weisungen zu geben. Das ist in seinem Amt. In diesen Tagen haben aber auch Sie, liebe Delegierte, uns eine Wegweisung gegeben. Sie kann nicht abgehakt und vergessen werden. Es ist sehr einfach: wir gehen miteinander."

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