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Zweierlei Gerechtigkeit?

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Was ist Gerechtigkeit? Von Hans Kelsen. Verlag Franz Deuticke, Wien. 47 Seiten. Preis 18 S

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Was ist Gerechtigkeit? Von Hans Kelsen. Verlag Franz Deuticke, Wien. 47 Seiten. Preis 18 S

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Der Begründer der reinen Rechtslehre, vielleicht der der Welt bekannteste österreichische Jurist, vertritt hier in einem Vortrag mit seltener Klarheit und Reife in Denken und Sprache seine relativistische Auffassung der Gerechtigkeit. Gleichzeitig wird ein starkes persönliches Ethos, echtes Engagement für Demokratie und Toleranz erkennbar.

In hoher Achtung vor der imposanten Geschlossenheit der Gedankengänge des Verfassers muß doch ein Widerspruch in aller Klarheit laut werden. Die Ausgangsposition Kelsens ist hier wie in seinem ganzen großartigen Lebenswerk die scharfe Scheidung von Sein und Sollen, Die Denkrichtung, zu der sich diese Kritik bekennt, hält aber dafür, daß ein Einblick in das Wesen des Menschen, in Ziel und Zweck seines Daseins auch zur Erkenntnis seines Sollens, der Normen für sein Verhalten führt, daß also die

Erkenntnis ein Richtmaß für den Willen gibt. Die Verschiedenheit der Gerechtigkeitsbilder in der Geistesgeschichte beweist nichts gegen die Existenz absoluter Gerechtigkeit. Wie dies kürzlich in einer Ansprache des Heiligen Vaters besonders eindrucksvoll entwickelt wurde, ist das Bekenntnis zu absoluten Wahrheiten und Werten mit der Toleranz und so auch mit richtig verstandener Demokratie sehr wohl vereinbar. Auch daran ändern geschichtliche Gegenbeispiele nichts.

Nach diesem grundsätzlichen Vorbehalt sei noch das Folgende bemerkt. Die These, die Sehnsucht nach Gerechtigkeit sei die Sehnsucht nach Glück, erscheint, so ehrwürdig ihre geistesgeschichtlichen Grundlagen sein mögen, doch bedenklich. Gerechtigkeitsstreben kann nicht einfach Glücksstreben sein,, weil nämlich Sühne, wie sie Gerechtigkeit fordert, zeitliches Uebel bedeutet. Es gibt aber das Bedürfnis des Schuldigen nach Strafe. Die Sehnsucht nach Gerechtigkeit und nach Glück können also nur dann gleichgesetzt werden, wenn das Glück hiebei metaphysisch verstanden wird.

Die Darstellung der Gerechtigkeitslehre Christi durch Kelsen ist höchst eindeutig. Es ist nicht zulässig, aus Lukas 18, 29 und 30 und Lukas 14, 26 abzuleiten, Jesus lehne die menschliche Liebe, die den Mann mit dem Weib, die Eltern mit den Kindern verbinde, „nachdrücklich" ab. Die lebendige christliche Ueberlieferung hat diese Stellen hie in dem Sinn verstanden, daß Christus feindselige Gesinnungen oder auch nur Mangel an Liebe gegenüber den natürlichen Nächsten gefordert hätte, sondern immer nur so, daß er dazu aufforderte, die Jüngerschaft höher zu stellen als die natürlichen Bande.

Gerade in jüngster Zeit hat Josef Pieper in seinem Werk „Ueber die Gerechtigkeit" (München 1953) gezeigt, welche Fülle von Weisheit und Kraft in den nach Kelsen inhaltsleeren klassischen Formeln der Gerechtigkeit enthalten ist. Das „suum cuique" ist mit dem Hinweis auf seine Unbestimmtheit noch nicht entwertet. Schon die Haltung „kraft deren einer standhaften und beständigen Willens einem jeden sein Recht zuerkennt", Gerechtigkeit als Tugend ist etwas höchst Bestimmtes. Das „suum" bestimmt sich für uns näher aus der geschaffenen Personalität des Menschen. Weil der Mensch Person ist, hat er sein „suum", darum gibt es Menschenrechte und Pflichten. Gerecht ist eine Ordnung, die diese auf den existentiellen Zwecken des Menschen (Messner) beruhenden Rechte und Pflichten zur Geltung bringt Dr. Friedrich Lehne

Man altert zu früh. Das Wunder der menschlichen Lebenskraft. Von Dr. Viktor B o g o- moletz. Wolfgang-Krüger-Verlag, Hamburg, 1953. 244 Seiten.

Neben den Triumphen, die die therapeutische Medizin in unserer Zeit errungen hat, stehen die Fortschritte der biologischen Medizin, der Erforschung und Propagierung einer richtigen Lebensweise. Von Pasteur und Metschnikoff führt der Weg zu Alexander Bogomoletz, dessen Neffe Viktor sich nun in einem Erfolgsbuch unmittelbar an den Laien, den Patienten gewandt hat. Das Wesentliche besteht hier in der Klarstellung des Begriffes des .Alterns und in der Methode, die Verkalkung auf einem Mindestmaß zu halten. Die „Externo-Therapie" von Bogomoletz wird durchaus verständlich und leicht anwendbar dargestellt.

Ein Fragebogen verdichtet die Beziehung zwischen Autor und Leser.

Prof. Dr. Friedrich Wa11isch

Salzburger Almanach. Dichtung — Kultur — Heimat. Otto-Müller-Verlag, 1953. 206 Seiten. Preis 37 S.

Hier wird nicht engherziger Lokalpatriotismus gezüchtet. Neben den gebürtigen und ansässigen Salzburgern (Maria Zittrauer, Josef Laßl, Gerhard Amannshauser, Elisabeth Effenberger, Hans Deis- singer, Georg Eberl, Franz Fuhrmann, Alois Grasmayr, Herbert Klein, Ludwig Praehauser K. H. Waggerl, Franz Konrad Weber und Erik G. Wickenburg) haben auch Rudolf Bayr, Felix Braun und seine Schwester Käthe Braun-Prager, Bruno Grimschitz und Werner Leibbrand-Erlangen das Wort zu bedeutenden Aussagen über Salzburgs vornehme kulturell-landschaftliche Stellung in Vergangenheit und Gegenwart. Eine willkommene Beigabe sind die 16 Photoreproduktionen und die trotz aller Kürze erschöpfenden biographischen Daten über die Autoren im Anhang.

Dr. Roman Herle

Vertrauen in das Wort. Drei Reden. Von Albrecht Goes. S.-Fischer-Verlag, Frankfurt am Main. 54 Seiten.

Der evangelische Pfarrer und Dichter A. Goes, als Lyriker und Erzähler bekannt, hielt 1953 in Hamburg anläßlich der Entgegennahme des Lessing-Preises eine Ansprache, deren Thema das „Vertrauen in das Wort" war. In dieser Zeit, in der viel Mißbrauch mit der Sprache getrieben wird, verweist er auf die Würde und den Ewigkeitsbezug des Wortes. Das Dichterwort „ist mit der Liebe befreundet, mit der Liebe zum Menschen nämlich…" Das Wort vermag „ein Wort der Freude, der Brücke, der Zuversicht" zu werden. Das Dichterwort ist gleichsam „ein anderer Christophorus", bereit, uns über manchen Strom zu tragen. Der Glaube an das Wort bedingt den Glauben an den Menschen, und dieser wieder führt notwendig zum Glauben an Gott. — Die zweite Rede „Im Dornburger Licht" (Olten 1952) deutet sehr schön Goethes Aufenthalt in Dornburg und seine Gedichte aus dieser Zeit. — Die dritte Rede „Hölderlins Geschenk" (Stuttgart 1953) feiert Hölderlin als einen Retter der Sprache, in dem „die Leitbilder des Abendlandes lebendig bewahrt sind" und der die Allgewalt der Liebe verkündet hat. Diese drei gehaltvollen Reden, deren Stil den Dichter verrät, sollten von vielen gelesen werden. Dr. Theo Trümmer

Im Bannkreis Bernhards von Clairvaux. Aus dem Leben einer Zisterzienserinnenabtei. Von Agape Menne OSB. Chorfrau der Abtei St. Hildegard, Eibingen. Otto-Müller-Verlag, Salzburg. 250 Seiten. Preis 72 S.

„Wenn heute das Mönchtum in der Entscheidung steht und in aller Oeffentlichkeit die Frage nach dem Sinn der alten Orden erhöben wird, so liegt in der Rückbesinnung auf die Väter und die Regel der Ausweis neuer Lebenskraft beschlossen" (Dirks: Antwort der Mönche). Das Frauenkloster Marienthal in der vorwiegend protestantischen Oberlausitz, das neben Marienstern bei Kamenz zu den wenigen, sechs deutschen Frauen- abteien zählt, die dem Zisterzienserorden die Treue bewahrt haben, kann den seltenen Ruhm für sich in Anspruch nehmen, im Wandel von siebenhundert Jahren (1234 gegründet von der Königin Kunigunde von Böhmen) in „einer Liebe, nach einer Regel und nach den gleichen Gebräuchen" gelebt 'zu haben (Charta caritatis). Zum Unterschied von den Benediktinerklöstern, die, durch freie Kongregationen verbunden, unabhängig nebeneinander bestehen, verspürt man gerade hier durch die Zeitenfolge hindurch die Konzentrierung auf die weisunggebende Zentrale des Ordens, auf die straffe Leitung der Generalkapitel, die maßgebend waren sowohl für die erste Entwicklung des Klosterstiftes an der Neiße als auch für die Zeit der Reformation. Wenn auch heute noch Marienthal zu den nur mehr zwölf Frauenabteien gehört, die der Leitung des Ordens unterstehen, so verdankt es nicht zuletzt seine Existenz der Charta caritatis des Abtes Stephan, des heiligen Lehrmeisters St. Bernhards. Was die Verfasserin auf Grund reicher Erfahrung und vornehmlich unter Beiziehung eines beinahe lückenlosen Urkunden- und Aktenmaterials des Marienthaler Klosterarchivs aufzeigen will, kann unschwer in die Worte gefaßt werden: „Mag ein Kloster auch noch so klein sein, so hat es doch zur Aufgabe, eine Menschheit im kleinen zu sein und sich von Gott erfassen und erfüllen zu lassen … Und was sich in der Stille des Klosters im kleinen vollzieht, sollte seinen Ausfluß haben auf die ganze Menschheit, die Gott zu sich heimholen möchte." In den 24 trefflich gezeichneten Aebtissinnenbildern des Neißeklosters ersteht nicht nur ein wechselvolles Kapitel Oberlausitzer Heimatgeschichte, die durch authentisches Material belegt wird, vielmehr zeigt die Verfasserin die ungebrochene Dynamik und Vitalität einer Frauenabtei, die sich auf die von St. Bernhard gezeichneten Wesenselemente des Ordenslebens konzentriert und so eine lebendige Antwort gibt auf das Problem über die soziale Daseinsberechtigung der Klöster. Die rheinische Frauenabtei des hl. Benedikt Eibingen widmet dieses geschmackvolle Werk im Bernhardsjubiläum in Dankbarkeit und Liebe für gütig gewährte Gastfreundschaft der 1945 vertriebenen Klosterfrauen den Töchtern St. Bernhards im Neißekloster.

Dr. P. Benno Roth OSB, Seckau

Heiliger starker Gott. Altchristliche Gebete. Von Otto Karrer. Ars sacra, München. 210 Seiten. Preis 5.70 DM.

In der bekannt vornehmen Ausstattung des Verlages bringt O. K. eine Sammlung von Gebeten für den privaten Gebrauch, die in der Herbheit und Verhaltenheit der Bibel und des christlichen Altertums dem modernen Menschen guttun.

Theodor B1ieweis

Wasser des Lebens. Von Erika Mitterer. Roman. Herold-Verlag, Wien. 198 Seiten. Preis 45 S.

Die bekannte Erzählerin, die vor einigen Jahren mit dem Preis der Stadt Wien ausgezeichnet wurde, greift hier in die Welt der mittelalterlichen Alchimisten. Das „große Elixier", das der Scholar Raymondos sucht und schließlich findet, feit vor Alter und Tod — aber es ist im Grunde nur Symbol für das im Ueberirdischen gelegene Fernziel menschlicher Sehnsucht. So muß denn auch der Sucher, nachdem er sein Leben reinen Herzens an diese Aufgabe gewandt hat, erkennen, daß auch ihre praktische Verwirklichung ihm nicht die Erfüllung bringen kann, um deret- willen er auszog. Die legendäre Form der Erzählung hilft, ihren Charakter ins Zeitlose abzuheben — die wirkungsstarken Farben der Zeit- und Ereignisschilderung bleiben ohne deutliche Konturen, um das Gültige so um so stärker geistig sichtbar zu machen. Diese verstärkte Tendenz zum Traumhaft-Realen scheint übrigens für die letzte Entwicklung der Autorin sehr bezeichnend. Jedenfalls unterstreicht sie eine Aussage, die für unsere Zeit und ihre in Quadratwurzeln und chemische Formeln gebannte Magie von nicht geringer Bedeutung ist.

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