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Zwischen Hoffen und Bangen (in)

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1. Mit Konzilien muß man Geduld haben; niemand denkt heute mehr daran, daß das für Jahrhunderte maßgeblich gewordene Reformkonzil von Trient von 1545 (mit großen Unterbrechungen) bis 1565 dauerte. Dabei gab es noch keine Kirchenversammlung von durchschnittlich fast 2500 Teilnehmern, denen allen Redefreiheit zugebilligt ist. Niemand wird nach hundert Jahren fragen, wie lange diese bahnbrechende Kirchenversammlung gedauert hat, die das 3. Jahrtausend kirchlicher Existenz vorbereitet. Allerdings hatte man sich anfangs zuviel vorgenommen; man sah die Unmöglichkeit der Bewältigung dieser Materienfülle auch zu spät ein und restringierte sie spät. Trotzdem hat das Konzil in vielem die Richtung der Kirche geändert (Ökumenismus, Toleranz), hat eine neue Atmosphäre geschaffen (Verantwortungsgefühl des Weltepisko-pates für die Weltkirche; demütige Kirche des Gekreuzigten als Dienerin Gottes und der Menschheit), die horizontalen Kontakte in der Kirche realisiert und damit der Einheit der Kirche eine neue Bindung hinzugefügt; das Konzil hat der Selbstisolierung der Kirche ein Ende bereitet, sie zu einem integrierenden Teil der modernen Welt gemacht und damit neue Ausstrahlungsmöglichkeiten des Christlichen eröffnet; das Konzil hat in einer aufs äußerste bedrohten Welt ein Banner der Hoffnung aufgepflanzt und bei den Katholiken einen religiös motivierten Optimismus bezüglich der Menschheitsentwicklung geweckt; das Konzil hat die Katholizität der Kirche gegen die Meinung der sterilen Integralisten als eine Fülle von theologischen, rituellen, pastoralen Möglichkeiten Interpretiert. Es hat den restriktiven Zug in der Beurteilung der Zeit und der Generation eingedämmt und der Weltarbeit und Weltmission der Christen eine Tür geöffnet.

Das Konzil hat (falls die Ausführungsbestimmungen dem Geist der Konstitution entsprechen und die Exekutive in derselben Mentalität vor sich geht) einer grundlegenden Neuordnung des Kultes (lex orandi lex credendi!) den Weg gebahnt. — Der Bann des Immobilismus ist gebrochen, fruchtbare theologische Prinzipien gestatten es den Bischöfen (denen nun eine hohe Verantwortung zufällt) und der Gesamtkirche, zu weiteren Konsequenzen fortzuschreiten.

Der Papst hat der reformfreudigen Mehrheit des Konzils zusätzlich gegen die unentwegten Papalisten recht gegeben. Er hat den Bischöfen Rechte zurückgegeben („Pastorale munus“) und sie „dogmatisch“ als genuine Bischofsrechte bezeichnet, er hat de facto ein Kollegium in Aussicht gestellt, das mit ihm die Kirche leiten soll, und hat die Stiftung eines Gremiums angekündigt, das (nur zum Teil aus Kurialisten zusammengesetzt) die Durchführung der Konzilsbeschlüsse im Geiste des Konzils garantieren soll. Der Papst ist heute die authentischeste und die entscheidendste Stimme des Konzils. Damit kann man zufrieden sein.

Professor, Bundesstaatlicher Volksbildungsreferent, Salzburg:

1. Die Erfüllung dessen, was man von dem Konzil erwartet hat — die mutige Anpassung geschichtlich bedingter traditioneller Formen des kirchlichen Lebens an unsere Gegenwartssituation, der in den Konzilsvätern durchbrechende Wille, das aufzugeben, was als überholte Menschensatzung den Heilswillen Gottes behinderte —, hat sich in der Kühnheit der Sprache wie der Beschlüsse des Konzils manifestiert. Das Konzil ist der dynamische Anfang einer geistig-geistlichen Begegnung und Berührung mit allen Menschen, die guten Willens sind, die der Welt des Glaubens offenstehen. Dieser Vorgang wird auch innerkirchlich offenbar, indem das Konzil gerade in der Konstitution über die Liturgie nicht so sehr rubrizistisch neu bestimmt hat, was verändert werden sollte, sondern, wie RP Daniellou kürzlich in München sagte, aus den Quellen der klassischen liturgischen Tradition schöpft und zugleich ein eigenartiges Offenstehen beweist. Wenn dem Ermessen der regionalen Bischofskonferenzen, denen nun eine viel größere Freiheit eingeräumt wurde, die konkrete Gestaltung der liturgischen Feiern überlassen ist. dürfen wir hoffen, daß der gleiche Geist der Freiheit, dessen Atem das Konzil durchströmte, die Beschlüsse dieser Konferenzen leiten wird. Das wird dann geschehen, wenn das in der Liturgie aufleuchtende „alte Wahre“, dem jeweiligen Fassungsvermögen und inneren Stand der Gläubigen angepaßt — nicht nur regional, sondern auch sozial differenziert —, in die Zukunft des Menschengeschlechtes hineintradiert wird. Wir werden uns dabei dessen bewußt bleiben, daß wir uns selbst widersprächen, würden wir im selben historischen Augenblick, in dem die Kirche in ein neues Stadium der Respektierung anderer kultischer Traditionen tritt, die Hochschätzung des Wertes der eigenen — latinistischen — Tradition verleugnen oder vermindern. Dem liberalen Geist des Konzils wird eine Differenzierung am besten entsprechen, der gemäß, je nach Fassungskraft und Bedürfnis, im Volksgottesdienst der Volkssprache, im Opus Dei der Dome und Monasterien der lateinischen Sprache der gebührende Platz zugewiesen wird, die, im organischen Zusammenhang mit dem gregorianischen Choral, das christliche Beten und Denken des Orbis catholicus herrlich geprägt hat. Nur so wird die Kirche in ihrer Liturgie „nllen alles werden“.

Nicht nur den diözesanen und regionalen Bischofskonferenzen, sondern allen Gläubigen dieser Gebiete, auch den Laien, fällt nunmehr eine viel aktivere Rolle zu, die eine erhöhte Verantwortung im Mitbedenken der auf uns zukommenden Probleme bedeutet. In dem Maß, in dem wir die unergründliche Tiefe der die Kirche beseelenden Spiritualität ahnen, müssen auch die Laien die kirchlichen Entwicklungen wacher aus einer Haltung mitvollziehen, die sich nicht mit pragmatischen Lösungen begnügt, sondern das essentielle und qualitative Element des pastoralen Anliegens im Auge behält, das im Personal-Humanen seine Wurzeln hat und die Religion in ihrem letzten Anspruch auf den Menschen als Person ernstnimmt.

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