Zwischen Hoffnung und Resignation

Werbung
Werbung
Werbung

eva petrik, in den neunziger Jahren Präsidentin der Katholischen Aktion Österreichs, war 1983 als stellvertretende Vorsitzende des Katholikentagskomitees eine Hauptverantwortliche für die Großveranstaltung.

Die Furche: Was ist vom Katholikentag 1983 als Eindruck geblieben?

Eva Petrik: Einer der stärksten Eindrücke war die Vorbereitungszeit - etwa wie grundlegend über das Motto diskutiert wurde: Ich habe nachher kaum noch Grundsatzdiskussionen auf so breiter Basis mitgemacht. Durchgesetzt hat sich das Motto "Hoffnung leben - Hoffnung geben": Es war uns klar, dass wir Hoffnung, die wir weitergeben wollen, selber leben müssen. Wir hatten es in dieser Kirche aber gar nicht so schwer, Hoffnung auch zu leben. Heute ist uns das weitgehend verloren gegangen.

Etwas zweites ist mir klar in Erinnerung: Wir waren in der Vorbereitung eine große Gruppe starker engagierter Laien. Was ich von der Vorbereitung des Mitteleuropäischen Katholikentags höre, sind Laien - was ihre Präsenz betrifft - arm geworden im Vergleich zu damals.

Die Furche: Was für Spuren hinterließ der Katholikentag selbst?

Petrik: Wir wollten einen Katholikentag feiern, zu dem der Heilige Vater zu Besuch kommt: Das Kommen des Papstes war ein Punkt, der Höhepunkt - aber es war Katholikentag. Von der Eröffnungsveranstaltung ist mir die starke Zusammenarbeit aller Diözesen in Erinnerung geblieben. Ich habe nachher so eine "österreichische" katholische Kirche nicht mehr erlebt. Heute herrschen das Einzelleben der Diözesen und immer geringer werdende Vernetzung vor. Das zweite war die Stimmung in dieser Stadt: Das ist die Wiener etwas angegangen und sie haben von diesem Ereignis Notiz genommen. Natürlich sind mir auch die Massenveranstaltungen in Erinnerung. Die Feier am Heldenplatz war etwas ganz Großes. Die Massenveranstaltungen haben uns damals auch befremdet, als etwa bei der Jugendveranstaltung mit dem Papst die Jugendlichen nach jedem Halbsatz von ihm emphatisch geklatscht haben: Wir haben uns da gefragt, was die Jugendlichen von dem, das sie heute so emphatisch beklatschen, morgen noch verwirklichen wollen. Solchen Beigeschmack haben aber viele Massenveranstaltungen. Die Abschlussmesse, die so verregnet war, hat dagegen erstaunlich stark gezeigt, wie innere Motivation und Zusammenhalt auch nach außen wirkten.

Die Furche: Wie groß war die Vielfalt?

Petrik: Die Aufbruchsbewegungen waren damals nicht so präsent wie heute. Man hat aber in der Vorbereitung gespürt, dass viele willens waren, zusammenzuarbeiten. Die Zusammenarbeit zwischen Katholischer Aktion und den katholischen Verbänden ist - nach anfänglicher Besorgnis - gut über die Bühne gegangen und hat zur Vielfalt beigetragen. Auch hier haben die Diözesen starke Vielfalt hineingebracht. Vergleiche ich das mit der "Stadtmission", die heuer in Wien stattgefunden hat, dann haben sich jetzt die Aufbruchsbewegungen stark engagiert. Ein bisschen gefehlt hat mir da aber die "österreichische" Note: Die Stadtmission ist ja auf verschiedene Städte in Europa angelegt, außerdem waren französische Bewegungen stark eingebracht. Der Katholikentag 1983 dagegen war ein "österreichischer" Katholikentag, was auch Ausdruck einer inneren Stärke war.

Die Furche: Hat sich 1983 die Kirche noch als Volkskirche präsentiert?

Petrik: Für mich zeigte sich eine erstaunlich breite Basis. Aber eine Volkskirche, die ja auch den Charakter einer "Herdenkirche" hatte, gab es nicht mehr. Wir waren im Übergang zur Gemeindekirche, wobei ich mir heute Gemeindekirche in ihrer breiten Vernetzung von damals wünschen würde.

Die Furche: Nach dem Katholikentag ist es in Österreich zum starken Abbruch kirchlicher Präsenz gekommen.

Petrik: Mit dem Katholikentag ist die Ära Kardinal Königs zu Ende gegangen, er ist ja 1985 auch zurückgetreten. König hat ja nicht nur zur Mitarbeit animiert, sondern Kirche nach außen hin stark repräsentiert und geöffnet: Gesellschaft und Politik konnten um die Kirche nicht herum. Danach hat sich die Kirche selbst ins Eck gestellt. Sie brauchte keine großen Feinde zu haben, sondern wurde nicht mehr ernst genommen.

Die Furche: Wegen der folgenden Bischofsernennungen?

Petrik: Was hier in Österreichs Kirche als Auswirkung des "römischen Armes" Verwunderung, Verbitterung, Kränkung ausgelöst hat, ist etwas, das - wenn ich nun zum Motto des Katholikentags zurückkomme - sehr schwer Hoffnung leben lässt. Es war und ist eine Desillusionierung - bis heute.

Die Furche: Wenn der Katholikentag so toll war: Wie konnte das innerhalb so weniger Jahre geschehen?

Petrik: Die Strömung nach dem Konzil hat nicht alle erfasst - vielleicht sogar einen kleineren Teil, als wir geglaubt haben. Nach dem II. Vatikanum ist der Zug, der so lange gestanden ist, endlich gefahren. Und wir waren froh, mitfahren zu können, sind eingestiegen: Was wir nicht bemerkt haben, war, wie viele am Bahnsteig stehen geblieben sind - und nicht mitkonnten oder mitwollten. Dieses Unvermögen, die anderen mitzuziehen war schon da - sonst hätte sich nicht so schnell Resignation breit machen können.

Die Furche: Der kommende Mitteleuropäische Katholikentag hat "Christus - Hoffnung Europas" als Motto. Ein ähnliches Motto wie vor 20 Jahren?

Petrik: Es ist ein Teil davon, was wir vor 20 Jahren wollten: Aus dem Wissen heraus, dass Christus die Hoffnung der Welt ist, leben Christen. Aber die Folge davon müsste eben sein, selbst Hoffnung zu verbreiten und weiterzugeben. "Christus - Hoffnung Europas" ist für mich eine tief gehende, fromme, lebensbestimmende Feststellung. Für mich war 1983 im Motto "Hoffnung leben - Hoffnung geben" der Wille zur Umsetzung durch jeden einzelnen stärker betont.

Das Gespräch führte Otto Friedrich.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung